Rede des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland zur Eröffnung der Ausstellung "Irgendwas mit Politik. Lette-Schüler schauen auf 25 Jahre Berlin zurück"
17.04.2018 18:00, Wandelhalle
Herzlich willkommen in der Wandelhalle des Abgeordnetenhauses von Berlin.
Wir wollen heute feiern. Und zwar ein Vierteljahrhundert neuen Lebens an diesem altehrwürdigen Ort. Fast genau 25 Jahre ist es nun her, dass das Abgeordnetenhaus von Berlin in das Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtages einzog. Am 28. April 1993 nahm das Berliner Landesparlament seinen neuen Tagungsort im Rahmen eines Festaktes in Besitz. Einen Tag später kamen die Abgeordneten zur ersten Sitzung im hinter mir liegenden Plenarsaal zusammen. Dies war ein historisches Ereignis in mehrfacher Hinsicht. Mehr als 40 Jahre hatte das Berliner Abgeordnetenhaus gewissermaßen unfreiwillig im Rathaus Schöneberg getagt. Der Sitz im dortigen Rathaus war ein Provisorium, das irgendwann zu einem Stück Gewohnheit geworden war. Und das schließlich durch das historische Glück des Mauerfalls beendet werden konnte. Im Dezember 1990 konnten Ost- und West-Berliner erstmals seit 1946 ein Gesamtberliner Parlament wählen.
Der Einzug in den ehemaligen Preußischen Landtag markiert nichts weniger als eine Zäsur in der Berliner Stadtgeschichte. Nicht mehr das Provisorium der Teilung, sondern die wiedergewonnene Einheit der Stadt wurde nun zum Bezugspunkt parlamentarischen Handelns.
Mit einer Prise Pathos kann man rückblickend sagen: 1993 kehrte die Demokratie an ihren angestammten Platz zurück. Genau 60 Jahre, nachdem die Nationalsozialisten sie von hier vertrieben hatten. In ein Haus, das auch unter Ulbricht und Honecker kein Ort der Demokratie sein durfte.
Dieses Haus, das sich nach 1933 selbst „gleichschaltete“, dann zum sogenannten Volksgerichtshof und später zu Hermann Görings Tanzsaal degradiert worden war, das über Jahrzehnte im Sperrgebiet der Mauer lag und auf dessen Dach sich die Staatssicherheit mit einer Abhörstation eingerichtet hatte – dieses Haus wurde 1993 – nach 60 Jahren – endlich wieder zu einem Ort der freien Rede und des Ringens um parlamentarische Mehrheiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste.
Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass die Entscheidung, das Abgeordnetenhaus seinen Sitz im ehemaligen Preußischen Landtag nehmen zu lassen, nicht von allen Fraktionen bzw. von allen Abgeordneten getragen wurde. Heute ist die damalige Entscheidung unumstritten. Nicht ohne Grund betonen wir heute immer wieder, dass wir ein offenes Haus sind. Dass Plenar- und die meisten Ausschusssitzungen unter den Augen der Öffentlichkeit stattfinden. Und dass Besucherinnen und Besucher im Abgeordnetenhaus herzlich willkommen sind. Denn diese Offenheit – die ja ein Wesensmerkmal unserer Demokratie ist – hat diesem Haus viele Jahre lange gefehlt.
Wir haben also allen Grund, in diesem Jahr und am heutigen Abend gemeinsam zu feiern. Und uns in aller Bescheidenheit auch ein bisschen beschenken zu lassen. Zum Beispiel mit der Ausstellung, die wir heute Abend eröffnen wollen. Sie ist ein ganz besonderes Geschenk zu einem besonderen Jahrestag. Erdacht, gestaltet und schließlich in den letzten Tagen aufgebaut wurde sie von 27 Schülerinnen und Schülern des Lette Vereins.
Dass das Resultat Ihrer Arbeit sehenswert sein würde – davon waren wir von Anfang an überzeugt. Denn wir kennen und schätzen die Arbeit des Lette Vereins sehr. Und dennoch war ich begeistert, als ich – da waren Sie noch mitten im Aufbau – einen ersten Blick auf das Ergebnis Ihrer viele Monate dauernden Vorbereitungen werfen konnte. Denn Ihnen ist etwas gelungen, das nicht selbstverständlich ist: Sie haben es geschafft, 27 individuellen Perspektiven auf die Politik, auf 25 Jahre Berlin-, Deutschland- und Weltgeschehen in ein durchdachtes und optisch beeindruckendes, vor allem aber: in ein gemeinsames Ausstellungsformat zu übersetzen.
Ich vermute, dass Sie sich dabei allesamt oft genug in einer Tugend üben mussten, die auch wir in diesem Hause immer wieder üben: Es ist – Sie ahnen es – die Fähigkeit zum Kompromiss. Aber auch die Fähigkeit, dem besten Argument Gehör zu verschaffen.
Ihre Ausstellung zeigt einen Zugang zur Politik, der neugierig, unbefangen und durchaus auch subjektiv ist. Damit haben Sie uns etwas sehr Wichtiges geschenkt. Etwas, das uns gut tut. Und das hoffentlich viele Besucherinnen und Besucher anregt, sich ebenso neugierig und unbefangen unserem Haus und dem weiten Feld der Politik zu nähern. Dafür möchte ich Ihnen, liebe Schülerinnen und Schüler des Lette Vereins, herzlich danken.
Bedanken möchte ich mich auch dafür, dass Sie ihr Thema bei aller Leichtigkeit des Zugangs sehr ernst genommen haben. Ihre Ausstellung ist wichtig, weil Sie wichtige Fragen stellt: Wie hat sich Berlin in den letzten 25 Jahren verändert? Und vor allem: Wie soll Berlin in Zukunft aussehen? Darüber müssen wir miteinander ins Gespräch kommen.
Bedanken möchte ich mich auch bei Ihnen, sehr geehrte Frau Madyda, dass Sie dieses Kooperationsprojekt möglich gemacht und damit unsere langjährige gute Zusammenarbeit fortgeführt haben.
Nicht zuletzt möchte ich den Lehrerinnen und Lehrern des Lette Vereins herzlich danken, die diese Ausstellung von der ersten Idee bis zum letzten Handgriff begleitet haben. Diese Ausstellung zeigt, dass Sie Ihre Schülerinnen und Schüler exzellent auf das Berufsleben vorbereiten.
Wie es sich für eine gelungene Feier gehört, gibt es im Anschluss auch noch etwas zu Trinken und natürlich Musik. Danke an dieser Stelle schon einmal an den DJ vom O-Mato-Kollektiv.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und ganz parlamentarisch „erteile“ ich nun das Wort an Sie, liebe Frau Madyda.