Rede des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland zur Ausstellungseröffnung "Lagerbordelle. - Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern"
11.04.2013 17:00, Wandelhalle
- Es gilt das gesprochene Wort - „Wir können aus der Erde keinen Himmel machen, aber jeder von uns kann etwas tun, dass sie nicht zur Hölle wird.“ Diese Überzeugung, diesen Anspruch formulierte einst Fritz Bauer, der hessische Generalstaatsanwalt, der den Auschwitz-Prozess vorbereitete. Diese Höllen auf Erden – das waren die Konzentrationslager der Nazis. Todesfabriken, in denen Millionen Menschen durch Gas, durch Folter, durch medizinische Experimente und durch Zwangsarbeit ermordet wurden. Die Häftlinge, die die KZ’s überlebten, blieben von dem, was ihnen angetan wurde, ihr Leben lang gezeichnet. Und bis heute stellt sich immer wieder die Frage, wie Menschen ihren Mitmenschen das antun konnten? Wieso konnten die Nazis ihren Rassenwahn und die Verfolgung und Ermordung so Vieler so ungehindert umsetzen? Warum gab es nur wenig Widerstand, warum machten so viele mit oder sahen weg? Jeder, der sich mit der damaligen Zeit befasst, stellt sich diese Fragen, jede nachwachsende Generation sucht aufs Neue nach Antworten. Meine Damen und Herren, in diesem Jahr ist es 80 Jahre her, dass die Nationalsozialisten an die Macht gelangten. Am 30. Januar jährte sich der Tag, an dem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. Wir alle wissen heute nur zu genau, was in den folgenden 12 Jahren in Deutschland und in deutschem Namen für Verbrechen begangen wurden. Nach 1945 hat es sehr lange gedauert, bis Deutschland anfing, sich mit den Nazi-Verbrechen auseinanderzusetzen. Seit den 1960er-Jahren haben wir eine eigene Gedenkkultur entwickelt; es besteht ein breiter Konsens, dass dieses Gedenken an die Opfer der national-sozialistischen Gewaltherrschaft für unsere Gesellschaft wichtig ist. Deshalb ist es gut und wichtig, dass wir heute hier im Abgeordnetenhaus von Berlin, im Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtages, das von den Nazis zwischen 1933 und 1945 als Ort der Gründung des berüchtigten „Volksgerichtshofes“ und später als „Haus der Flieger“ missbraucht wurde, im Rahmen des Gedenkjahres 2013 die Ausstellung „Lagerbordelle. – Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern“ eröffnen. Die Ausstellung schildert den bis vor wenigen Jahren kaum bekannten oder wenig beachteten Aspekt der SS-Häftlingsbordelle und der Zwangsprostitution in Konzentrationslagern der Nazis. Die SS richtete auf Weisung des Reichsführer SS Himmler ab 1942 in zehn Konzentrationslagern Häftlingsbordelle ein, deren Zweck es war, sogenannte Funktionshäftlinge zu belohnen oder in einem Prämiensystem einen Leistungsanreiz für bestimmte Häftlingsgruppen zu schaffen, um deren Arbeitsproduktivität in der Rüstungs-industrie zu steigern. Die mehr als 200 weiblichen KZ-Häftlinge, die zwischen 1942 und 1945 in sog. „Sonderbauten“ Sex-Zwangsarbeit leisten mussten, wurden in ihrer Mehrzahl im Frauen-KZ Ravensbrück rekrutiert. Nur wenige der betroffenen Frauen haben nach 1945 über das Geschehene berichtet. Aus Scham über das, was geschehen war und wohl auch, weil der Vorwurf im Raum stand, sie hätten sich an die Nazis verkauft, um vielleicht ein besseres Leben im KZ zu haben. Dabei wurde jedoch die Tatsache negiert, dass die meisten dieser Frauen sich nicht freiwillig gemeldet hatten. Aber auch das Thema insgesamt spielte über einen langen Zeitraum in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten keine Rolle, sondern wurde eher tabuisiert. Die heutige Ausstellung geht auf das Leben der betroffenen Frauen ein, erläutert die Organisation und Funktion der zehn Häftlingsbordelle und fragt zugleich nach den Gründen dafür, warum dieses Thema nach 1945 so lange verschwiegen wurde. Die Ausstellung basiert auf einer Sonderaus-stellung zum gleichen Thema, die 2007 in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück gezeigt wurde und große internationale Beachtung fand. Die Ausstellung wurde durch neue Erkenntnisse ergänzt und erweitert, die auf die Forschungen des Berliner Kulturwissenschaftlers Dr. Robert Sommer zurückgehen. Ich danke Frau Dr. Insa Eschebach, der Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Herrn Dr. Robert Sommer und Frau Sabe Wunsch von „Memo Art“ Berlin für die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung dieser Ausstellung. Mein besonderer Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus, die die Idee zur Ausstellung hier im Berliner Parlament hatten. Ich darf aber auch unserem jungen Harfen-ensemble danken, das die Ausstellungseröffnung musikalisch umrahmt. Es sind Julia Lilith Grünbaum und Sophie Hellwig, die beide Siegerinnen beim Berliner Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ sind. Ich wünsche mir für diese Ausstellung viele interessierte Besucherinnen und Besucher und heiße Sie alle nochmals herzlich im Abgeordnetenhaus von Berlin willkommen. Ich darf Sie, sehr geehrte Frau Dr. Eschebach nun bitten, zu uns zu sprechen.