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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Rede des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland anlässlich der Kundgebung "Für ein weltoffenes und tolerantes Berlin"

07.05.2016 16:00, Gendarmenmarkt

Sehr geehrter Herr Bischof Dröge, liebe Berlinerinnen und Berliner,  wir haben in Berlin in den letzten Jahrzehnten viel erreicht. Wir haben die Mauer überwunden. Wir haben die Stadt wieder zusammengeführt. Wir sind wieder Hauptstadt in einem demokratischen Land geworden. Und wir sind dabei, eine wachsende, moderne, europäische Metropole aufzubauen.   Berlin ist attraktiv und beliebt wie schon lange nicht mehr. Darauf können wir alle stolz sein. Aus den vielen Krisen, die Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat, ist etwas erwachsen, was Zukunft hat.   Natürlich freuen wir uns, wenn die Menschen zu uns kommen, um hier zu leben und hier zu arbeiten. Wir freuen uns über jeden, der kommt. Berlin hat schon immer vom Zuzug gelebt.   Was wir allerdings nicht wollen: Das sind rechte Hetzer, die nach Berlin reisen, um dann durch unser Regierungs- und Parlamentsviertel zu ziehen, um ihre dumpfen Parolen zu grölen.  Denen rufen wir zu: Bleibt besser zuhause!   In Berlin jedenfalls habt ihr nichts zu suchen.   Es ist in der Tat sehr, sehr traurig, was sich seit einiger Zeit wieder in Deutschland abspielt. Leider auch in Berlin. Erinnerungen werden wach – Erinnerungen an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte.   Wir schämen uns dafür, dass ausgerechnet Deutsche ungezügelt Hass säen und zu Gewalt aufrufen. Aber wir müssen uns auch selbstkritisch fragen: Tun wir alle genug, um diesen offenen Rassismus zu unterbinden?   Das Bekenntnis der Menschen in Deutschland zu Demokratie und Freiheit ist nach wie vor sehr groß. Das belegen alle Umfragen. Doch dieses Urvertrauen hat auch zu einer gewissen Selbstgefälligkeit geführt.   Das ist gefährlich. Denn die Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie ist und bleibt stabil gegenüber ihren Feinden, wenn wir um sie kämpfen.   Und dazu gehört auch, dass wir die Straßen und öffentlichen Plätze nicht denjenigen überlassen, die die Demokratie verachten und Menschenrechte mit Füßen treten.   Liebe Berlinerinnen und Berliner,   ja, es stimmt: Dem europäischen Kontinent geht es derzeit nicht gut. Viele Länder haben große wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten.  Deshalb zeigen wir uns ja auch solidarisch und versuchen mehr zu schultern als die Länder, die Probleme haben. Das sind wir Europa auch schuldig. Denn es gab vor siebzig Jahren Zeiten, da wurde uns geholfen. Gerade wir in Berlin haben das damals dankbar und ganz direkt gespürt, wie uns das westliche Europa mit den Vereinigten Staaten zusammen unterstützt hat.   Der Marshall-Plan und die europäischen Aufbauhilfen sind ja nicht vom Himmel gefallen. Das war europäische und atlantische Solidarität. Das vergessen wir nicht. Wir haben damals einen neuen Glauben gewonnen – einige hielten es sogar für ein Wunder: Der Glaube an ein gemeinsames Europäisches Haus. Diesen Glauben haben wir auch heute noch. Aber wir sehen auch die Gegenbewegungen – nicht nur in Deutschland.   Heute verstehen wir: Nichts ist auf immer gesichert! Mehr noch: Machen wir uns klar, um was es gerade in Europa geht. Europa wird infrage gestellt und unsere gemeinsamen Werte werden verhöhnt:   dass wir gemeinsam und im Frieden miteinander ein besseres Leben gestalten können als einzeln und gegeneinander;    dass übersteigerter Nationalismus, Intoleranz und Rassismus die Menschen immer ins Chaos und immer ins Elend geführt haben.  Genau diese Idee wird angegriffen - nicht irgendwo, sondern mitten im Herzen Europas.   Schauen wir uns um: Die Rechte regiert in Ungarn und sieht in der Europäischen Union bestenfalls eine Vertragsgemeinschaft.   Rechtsnationale haben die Wahlen in Polen gewonnen und die erste Amtshandlung war, das europäische Sternenbanner aus den Büros der Regierungsmitglieder zu entfernen.   In Schweden sind die rechtspopulistischen „Schwedendemokraten“ in Umfragen inzwischen stärkste Partei.   In Finnland sind die „Wahren Finnen“ bei den Wahlen im letzten Jahr zweitstärkste Partei geworden, und sie sind sogar in die Regierung eingezogen.   Bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich hat die FPÖ wieder ihr Haupt erhoben, und in Großbritannien trägt die radikale Rechte Nadelstreifen und nennt sich „United Kingdom Independence Party“.   In Frankreich, dem Mutterland Europas, dem Mutterland der Demokratie, macht der „Front National“ Kampagnen mit dem Slogan „national und sozial“ und ist mit 28 Prozent stärkste Partei in den Runden der letzten Regionalwahlen geworden.   Diese Bewegungen stehen gegen alles, wofür wir uns einsetzen, was uns ausmacht:   Sie stehen für Spaltung statt Zusammenhalt,   sie stehen für Ausgrenzung statt Integration,   sie stehen für Nationalismus statt Versöhnung und Zusammenarbeit zwischen den Staaten.   Und sie stehen für offenen Rassismus statt Menschlichkeit und Gemeinsinn.   Spätestens seit dem letzten Wochenende wissen wir jetzt auch in Deutschland: Die AFD gehört in diesen Kreis der Europa- und Demokratiegegner.   Ihr Programm-Parteitag hat uns gezeigt:   Sie ist unsozial, sie ist religionsfeindlich, sie ist unterschwellig rechtsextrem, sie ist latent ausländerfeindlich, und sie lehnt unsere tolerante und offene Gesellschaft ab.   Meine Damen und Herren,   im jetzigen Berliner Landesparlament sind ausschließlich demokratische Parteien vertreten. Und bei allen Unterschieden – in Fragen, die unser demokratisches Selbstverständnis betreffen, haben wir stets Einigkeit demonstriert.   So auch in der Flüchtlingsfrage. Da haben wir einstimmig eine Resolution beschlossen, die die Flüchtlinge willkommen heißt.   Was mich betrifft: Ich bin stolz, diesem Parlament vorzustehen, weil es in entscheidenden Momenten demokratische Stärke beweist. Stolz können wir in Berlin aber auch auf unsere Stadtgesellschaft sein. Was Initiativen und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsbetreuung geleistet haben, ist fantastisch.   Das zeigt: Die Berliner Zivilgesellschaft ist intakt. Das nötigt mir großen Respekt ab. Und es zeigt: Es kommt nicht nur darauf an, einen starken Staat zu haben.   Das, was wir in Berlin erlebt haben, war gelebte Humanität einer mutigen und dynamischen Zivilgesellschaft. Und deshalb gilt mein Dank all denen, die angepackt haben bei den großen Aufgaben der letzten Zeit.   Vor uns stehen nun neue Herausforderungen. Sie lassen sich in einem Wort bündeln: Integration. Aber ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam auch dieses Ziel erreichen. Die Menschen, die vertrieben wurden und zu uns geflohen sind, sollen hier eine neue Heimat finden.   Berlin wird das bleiben, was diese Stadt schon lange ist: Weltoffen und tolerant. Dafür sind wir heute auf die Straße gegangen. In unserem Grundgesetz steht im 1. Artikel: Die Würde des Menschen ist unantastbar.   Dass das so bleibt, das haben wir selbst in der Hand.   Vielen Dank.