Laudatio des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, Walter Momper, anlässlich der Enthüllung der Büste des ehemaligen Parlamentspräsidenten Heinrich Lummer
09.10.2009 17:00, Abgeordnetenhaus von Berlin
Walter Momper 09.10.2009, Abgeordnetenhaus von Berlin, Festsaal
- Es gilt das gesprochene Wort -
Ich freue mich, dass Sie meiner Einladung in das Abgeordnetenhaus von Berlin gefolgt sind, damit wir gemeinsam die Büste des ehemaligen Parlamentspräsidenten Heinrich Lummer enthüllen können.
Diese Büste reiht sich in unsere Galerie der ehemaligen Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin ein. Sie wird neben den Büsten von Otto Bach, Otto Suhr, Willy Brandt, Peter Lorenz, Jürgen Wohlrabe, Dr. Hanna-Renate Laurien, Walter Sickert und Professor Herwig Haase einen würdigen Platz finden.
Die Büste wurde geschaffen von der renommierten Berliner Bildhauerin Annelies Rudolph, die als Künstlerin in unserer Stadt tätig ist. Für die gelungene und ausdrucksstarke Büste möchte ich Ihnen, sehr geehrte Frau Rudolph, sehr herzlich danken.
Der Bronzekopf wurde in der traditionsreichen Berliner Bildgießerei Hermann Noak gegossen.
Ebenso möchte ich Herrn Klaus Krüger Dank sagen, der den Dokumentarfilm über Heinrich Lummer und die Entstehungsgeschichte der Büste produziert hat, den wir zum Abschluss unserer Feier sehen werden.
Heinrich Lummer wurde am 21. November 1932 in Essen-Kray geboren. Wie es damals in dieser Region üblich war, waren seine beiden Großväter Bergleute. Nachdem er von 1939 bis 1948 die Volksschule besucht hatte, absolvierte er zunächst von 1948 bis 1952 eine Lehre als Elektromechaniker. und war anschließend in diesem Beruf auch tätig. Daneben besuchte er das Abendgymnasium in Dortmund und machte 1957 sein Abitur.
Ursprünglich wollte Heinrich Lummer Theologie studieren, er entschied sich dann aber für ein Studium der Politischen Wissenschaften, der Philosophie und Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin. 1961 legte er am Otto-Suhr-Institut der FU die Diplomprüfung ab und arbeitete dann als Assistent am Institut für Politische Wissenschaft und von 1964 bis 1965 als Leiter des Besucherdienstes im Bundeshaus Berlin.
Der CDU trat Heinrich Lummer 1953 bei. Von 1965 bis 1969 war er Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin. 1967 wurde er erstmalig in das Berliner Parlament gewählt. 1969 trat er die Nachfolge von Franz Amrehn im Amt des Fraktionsvorsitzenden der CDU an und leitete die Geschicke seiner Fraktion bis Dezember 1980. Am 10. Dezember 1980 wählte ihn das Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses, nachdem Peter Lorenz dieses Amt aufgab, um als Mitglied des Bundestages nach Bonn zu wechseln.
Aber schon wenige Monate später, nach der vorgezogenen Neuwahl des Parlaments im Frühjahr 1981, wurde er zum Bürgermeister und Innensenator im Senat Weizsäcker gewählt, Dieses Amt übte er bis zum April 1986 aus.
1987 wurden Heinrich Lummer erstmals als Berliner Vertreter in den Deutschen Bundestag gewählt. Er gehörte dem Bundestag bis 1998 ununterbrochen an und errang 1994 in seinem Wahlkreis das Direktmandat. In der CDU-CSU-Fraktion übte er verschiedene Funktionen aus und war u. a. der Obmann im Ausschuss für Menschenrechte.
Nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik engagierte er sich weiterhin im politischen und vorpolitischen Raum. Er war einige Jahre lang Vorsitzender des Robert-Tilmanns-Haus e.V., bis ihn die Krankheit zwang, sich von dieser Funktion zurückzuziehen.
Heinrich Lummer war in seiner aktiven Zeit als Abgeordneter ein engagierter, beherzter und beharrlicher Parlamentarier, der als Oppositionsführer mit großer Leidenschaft und auch mit Schärfe und Polemik die Debatten im Plenum bestritt. Mit Brillanz und zugespitzter Rhetorik kreuzte er die Klingen mit den Kollegen der anderen Fraktionen. Um es genau zu sagen: Er konnte schon rhetorisch mit dem Florett und mit dem Säbel fechten, aber ohne Schärfe, ohne bohrende Polemik war das nie. Und manche seiner Bilder, mit denen er seine Reden illustrierte, waren schon ziemlich ätzend.
Er war ein Mann, der gerne widersprach und Widerspruch herausforderte. Das aber war sein Selbstverständnis als Parlamentarier. Der politische Wettstreit, die klaren Konturen und die unterschiedlichen Auffassungen waren für Heinrich Lummer immer wichtig. Jedem zu gefallen war nicht seine Sache. Endlose und unnötige Debatten waren und sind ihm bis heute ein Greul. In der Öffentlichkeit galt er als Rechtsaußen seiner Partei. Ich glaube, sein Ruf war ihm ziemlich egal.
Die von Heinrich Lummer überlieferten Sprüche sind Legion. Ich will nur an den erinnern: 'Solange das Brandenburger Tor zu ist, ist die Deutsche Frage offen'.
Es war für manche deshalb eine kleine Überraschung, als er am 3. Dezember 1980 von seiner Fraktion für das Amt des Parlamentspräsidenten vorgeschlagen wurde.
Der scharfe Debattenredner sollte nun das ganze Haus repräsentieren. Heinrich Lummer überraschte die Skeptiker und seine politischen Widersacher.
Zur Verdeutlichung dessen habe ich mir erlaubt in den alten Wortprotokollen des Jahres 1980 und 1981 zu blättern und habe einige Auszüge aus seiner kurzen Antrittrede am 10. Dezember 1980 gefunden, die ich gerne vortragen möchte, verdeutlichen sie doch einerseits seine Auffassung vom Amt des Präsidenten des Abgeordnetenhauses und andererseits seine Schlagfertigkeit und seinen feinsinnigem Humor.
Auch der Abgeordnete Momper wurde damals mit einer kurzen Erwähnung vom neuen Präsidenten bedacht.
Der nahm zunächst Bezug auf seinen neuen Platz im Plenarsaal und führte aus:
„Dies ist eine ganz neue Perspektive. Es kann aber nicht schaden, denn die Dinge haben ja mehrere Seiten. Wenn man sie gezwungenermaßen von einer Seite betrachten muß, Herr Kollege Momper, dann kann das nur nützlich sein. (Hier vermerkt das Protokoll: Heiterkeit – Beifall bei allen Fraktionen)
Sie werden mir gewiß nacheifern.
Meine lieben Kollegen, ich darf mich ganz herzlich bei der großen Zahl derer, die mir das Vertrauen geschenkt haben, oder – wenn ich so sagen darf – die mir den Rollenwechsel zutrauen. Ich bin mir im klaren darüber, daß es sich um so etwas handelt. Ich hätte dieses Amt nicht angenommen, wenn ich nicht selber davon überzeugt wäre, dieses leisten zu können. Ich respektiere auch diejenigen, die sich der Stimme enthalten haben, und diejenigen, die noch nicht den Mut zum Risiko hatten.“
(Auch hier vermerkt das Protokoll: Heiterkeit – Beifall bei allen Fraktionen)
Und zum Schluss seiner kurzen Rede führte Heinrich Lummer aus:“ ... Bei uns wird es darüber (gemeint war die Frage, wer das erste Amt im Land Berlin ausüben würde) keine Meinungsverschiedenheiten geben, weil ich glaube, entscheidend sollte sein – ganz gleich, wo man steht und wie man protokollarisch eingeordnet wird – der Eifer für das Wohlergehen des Landes und der Eifer für das Ansehen des Parlaments. Darum werde ich mich bemühen. Dazu bedarf ich aber naturgemäß als Neuling auch Ihrer Hilfe. Ich bin sicher, daß diese da sein wird. Nun sollte man nicht viel Zeit verlieren, sondern die Arbeit fortsetzen“.
Soweit das Zitat aus Ihrer Antrittrede am 10. Dezember 1980. Sie sehen meine Damen und Herren, Heinrich Lummer wusste schon damals, wie es später kommen würde.
Sie Herr Lummer haben mit großem Geschick in einer sehr hektischen und politisch aufgeheizten Zeit souverän, unaufgeregt und unparteiisch ihr Amt ausgeübt. Sie hatten sich damals viel vorgenommen für Ihr neues Amt. Sie wollten ein Bürgerpräsident sein, der so oft es die Amtgeschäfte zuließen, bei den Bürgern vor Ort sein und mit ihnen ins Gespräch kommen wollte. Zu Ihnen konnte jeder kommen, egal ob Parlamentarier, Senator, Mitarbeiter oder Bürger. Für jeden hatten Sie ein offenes Ohr. Auch das gehörte zum Credo Ihrer Amtszeit als Präsident.
Die politische Ereignisse wollten es aber, dass Sie, der Pflicht und wohl auch der Neigung folgend, schon nach wenigen Monaten ihr Amt aufgaben und Innensenator im Senat von Weizsäcker wurden. Von außen betrachtet, passte dieses Amt - passte die innere Sicherheit zu Ihnen. Das war kein einfaches Amt in schwieriger Zeit. Die Hausbesetzungen, die Jugendbewegung in der Stadt waren eine Herausforderung. Ihre damalige Amtsführung hat ihnen dann bei der gesellschaftlichen Linken den Titel 'Heinrich fürs Grobe' eingebracht. Ihre tatsächliche Amtsführung als Innensenator nach einigen Aktionen am Anfang war später eher vorsichtig - von den begleitenden Sprüchen einmal abgesehen.
Herr Lummer, für Sie war die Einheit der deutschen Nation in den Zeiten der Teilung immer ein Herzensanliegen. Das steht fest. Ich hoffe, es wird Ihnen gefallen, dass Ihre Büste hier im ehemaligen Preußischen Landtag, in der Mitte Berlins, in der Reihe Ihrer Vorgänger ihren Platz findet. Und die Besucher, die Ihre Büste sehen, werden sich an ihre Arbeit als Oppositionsführer, Parlamentspräsident und Innensenator erinnern und die einen werden ihrem politischen Ansatz - wenn sie ihn den erinnern - zustimmen und die anderen werden ihn kritisieren oder sogar ablehnen. So geht es mit den Politikern. Wichtig aber ist, dass wir uns erinnern.
Ich heiße Sie alle nochmals in unserem Haus herzlich willkommen und bitte sie im Anschluss an den Festakt zur Enthüllung der Büste unseres Ehrengastes Heinrich Lummer in den Umgang auf dieser Etage.
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