Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Walter Momper für die Ausstellungseröffnung „Humboldt-Foto“ der Humboldt Universität zu Berlin
13.04.2010 00:00, Abgeordnetenhaus von Berlin
Walter Momper 13.04.2010, Abgeordnetenhaus von Berlin
am 13. April 2010 im Berliner Parlament
- Es gilt das gesprochene Wort -
Anrede,
ich begrüße Sie sehr herzlich in unserem Haus zur Eröffnung der Ausstellung „Humboldt-Foto – Vom Forschen, Arbeiten und Leben an der Humboldt-Universität zu Berlin“. Ganz besonders begrüße ich den Präsidenten der Humboldt-Universität zu Berlin und Schirmherrn dieses Fotowettbewerbs Herrn Prof. Dr. Christoph Markschies, weiterhin Herrn Ruprecht Röver, den Geschäftsführer der Humboldt-Universitäts-Gesellschaft, die diese Ausstellung unterstützt und gefördert hat, und natürlich die Fotografinnen und Fotografen, deren Werke wir heute und in den nächsten Wochen in diesem Haus betrachten können.
Es ist mir eine besondere Freude, diese Ausstellung hier im Abgeordnetenhaus von Berlin eröffnen zu können. Die Humboldt-Universität blickt auf 200 bewegte Jahre zurück. Nach der verlustreichen Schlacht gegen Napoleons Truppen in Jena und Auerstädt 1806 sollten Reformen dem preußischen Staat wieder zu seiner alten Blüte verhelfen. Dabei galt auch die Erneuerung des Bildungswesens als wichtige Etappe der Reformbewegungen von Stein und Hardenberg. Nach Auffassung des Königs Friedrich Wilhelm III. sollte der Staat durch geistige Kraft das ersetzen, was er an physischer verloren hatte. Wilhelm von Humboldt, dem die Aufgabe der Reformierung des Bildungswesens oblag, verfolgte die Vision eines Universitätskonzeptes, dass als „allgemeine Lehranstalt“, Forschung und Lehre untrennbar miteinander verband und eine allseitige humanistische Bildung der Studierenden ermöglichte.
Am 15. Oktober 1810 wurde der Lehrbetrieb der Berliner Universität mit 265 Studenten aufgenommen. Bis 1832 entwickelte sich die Friedrich-Wilhems-Universität mit 1732 Studenten zur größten Universität Deutschlands. Zudem brachte sie eine neue Art Bildungsstätte hervor. In einem ständigen wissenschaftlichen Lern- und Erfahrungsprozess sollten die Studenten zur selbstständigen und kritischen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen befähigt werden. Neben ihrer klassischen Fächerausrichtung war die Berliner Universität Wegbereiter für zahlreiche neue naturwissenschaftliche Disziplinen. Die wissenschaftliche und internationale Bedeutung, die sie dabei erfuhr, spiegelt sich insbesondere in den Nobelpreisehrungen ihrer Forscher wider. Genannt seien an dieser Stelle Theodor Mommsen, Robert Koch und Max Planck.
Im politischen und gesellschaftlichen Wandel der Zeiten durchlebte auch die Universität Glanz- und Schattenseiten. Während der Zeit des NS-Regimes wurden Wissenschaftler und Studenten jüdischer Herkunft diffamiert, Vorlesungen boykottiert und Hörer tätlich angegriffen. Ebenso beteiligten sich Professoren und Studenten an der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 auf dem Bebelplatz in Berlin.
Nach dem Ende des Krieges begann 1946 die Wiederaufnahme des Lehrbetriebes der Universität. Sie hatte ihren Standort im Ostteil der Stadt. Die kommunistisch geprägten politischen Gewalten veränderten Studieninhalte und Forschungsbedingungen in ihrem Sinne. Deshalb gründeten 1948 Studenten und Professoren die Freie Universität Berlin im Westteil der Stadt. In der Folgezeit gelang es jedoch der Humboldt-Universität durch weltweite Kooperationen, Forschungs- und Austauschbeziehungen, den internationalen Anschluss auf einigen Gebieten wieder herzustellen und zu festigen.
Anrede,
trotz aller Schwierigkeiten, die der Fall der Mauer 1989 und der sich anschließende Vereinigungsprozess mit sich brachten, hat die Humboldt-Universität in einem außergewöhnlichen Umstrukturierungsprozess hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Ost und West, dem In- und Ausland gewinnen können. Mit Hilfe zahlreicher Gutachten und Empfehlungen von Expertengruppen und durch entsprechende Struktur- und Berufungskommissionen gab sich die Humboldt-Universität ein neues wissenschaftliches Gefüge: Forschungs- und Lehrinhalte wurden evaluiert, verändert und neu definiert. Bis in die heutige Zeit entwickelte und behauptete sich die Humboldt-Universität zu Berlin als renommierte Wissenschaftseinrichtung. Im Jahr 2010 besteht die älteste Universität Berlins aus 11 Fakultäten, rund 35.000 Studenten und 248 Studiengänge.
Anrede,
dieses bunte universitäre Leben versucht die hier gezeigte Ausstellung fotografisch wiederzugeben. Ein von der Humboldt-Universität konzipierter Fotowettbewerb hat dazu aufgerufen „Alltag und Alltägliches. Ungewöhnliches und Überraschendes. Stille Einsichten und Trubel“ aus dem Leben der Universität einzufangen und abzubilden. In den vergangenen zwei Jahren wurden zahlreiche Fotografien von Studierenden, Mitarbeitern, von interessierten Amateuren oder professionellen Fotografen eingereicht. Die von einer Jury ausgewählten eindrucksvollsten Einblicke in die Welt der Wissenschaft, der Forschung und des Lebens auf dem Campus dürfen Sie nun für die nächste Zeit bei uns im Abgeordnetenhaus bewundern und bestaunen.
Der Fotowettbewerb der Humboldt-Universität zeigt Situationen, die den Studienalltag ungeschönt wiedergeben und damit gleichzeitig einen Einblick in das wissenschaftliche Leben innerhalb der Universität gestatten. Die Protagonisten der Szenen sind vor allem die Menschen, die der Universität ihre individuelle Note verleihen. Durch ihr Wirken, ihr Mit- und Gegeneinander werden sie zum Garanten des universitären Lebens. Damit führen diese Bilder den Betrachter an Orte, die sich als Quellen von Wissenschaft und Forschung auszeichnen.
Jedes Foto lohnt den genauen Blick. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Porträts handelt, ob architektonische Details im Vordergrund stehen oder das Spiel von Licht und Schatten. Fotos schreiben sich in das kollektive Bildgedächtnis ein. Sie fangen das Wesen einer Person oder auch einer Situation ein und sind deshalb authentisch. Sie sind es, auch wenn sie keine Schnappschüsse, sondern inszeniert und arrangiert sind.
Unter Humboldts Motto: „Das Leben in Erinnerung geht weiter...“ sind auch die Fotos dieser Ausstellung Teil der lebendigen Erinnerung. Eine Erinnerung, die die Spuren der Vergangenheit mit dem Jetzt verschmelzen und somit eine Ganzheit entstehen lässt. Lassen Sie sich von der gezeigten Ausstellung und vom bunten und facettenreichen Alltag einer auf 200 Jahre Wissenschaft und Forschung zurückblickenden Reformuniversität beeindrucken und inspirieren.
Ich wünsche der Fotoausstellung ein interessiertes Publikum und natürlich viele fotobegeisterte Besucherinnen und Besucher und bitte nun Herrn Professor Markschies um seine Ansprache.
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