Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland zur Verleihung der Goldenen Erbse
20.11.2017 18:00, Plenarsaal
Auch wenn ich im Moment nicht als Präsident – zumindest nicht hier im Saal – amtiere, so fühle ich mich dennoch als Hausherr und in dieser Funktion heiße ich Sie herzlich willkommen im Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses. Ich freue mich sehr, dass wir hier und heute die Verleihung der zwölften Goldenen Erbse gemeinsam feiern. Für unser Haus ist das eine schöne Premiere.
Es wird ja immer davon gesprochen, dass in diesem Saal besonders viele Märchen erzählt werden. Vor allem politische. Sehen Sie es mir bitte nach: Aber das muss ich natürlich zurückweisen. Nein, wo wir heute Abend feiern und die Goldene Erbse verleihen, befindet sich die „Herzkammer der Demokratie“. Ich gebe zu, das klingt fast märchenhaft, aber es ist ernst gemeint. Ohne frei gewählte Parlamente sähe unser Land, sähen unsere Städte anders aus. Und auch unsere Gesellschaft würde sich selbst überlassen bleiben oder unter schärferer Kuratel stehen.
Glauben Sie mir: Diese Experimente haben wir in Deutschland genug gehabt. Wir können froh sein, in einem freien Land und in einer freien Gesellschaft zu leben. Eine freie Gesellschaft lebt von den Menschen, die für die Werte einer offenen Gesellschaft vehement eintreten. Das zeichnet auch die Menschen aus, die wir heute ehren wollen. Die Preisträgerinnen und Preisträger der Goldenen Erbse 2017 setzen sich hingebungsvoll für gesellschaftliche, kulturelle und soziale Ziele ein. Und das ist schwer.
Der Einsatz für das Gute kann wehtun und der Einsatz für das Gute kann unbequem sein. Sämtliche Märchen handeln davon. Der „glückliche Prinz“ von Oscar Wilde etwa erzählt von einer Statue, die ihre Schönheit für die Armen der Stadt opfert. Sie schenkt ihre Augen – zwei leuchtende Saphire – einem frierenden Schriftsteller und einem Mädchen, das auf der Straße Streichhölzer verkauft. Eine Schwalbe hilft ihr, die Spenden in der Stadt zu verteilen. Dafür verzichtet die Schwalbe sogar auf ihre Reise in das warme Ägypten und stirbt einen frostigen Tod in der winterlichen Kälte. Ihr Tod lässt das bleierne Herz der Statue zerspringen. Aber auch hier – wie in so vielen Märchen – siegt am Ende das Gute. Die tote Schwalbe und das bleierne Herz der Staue werden von Gott geehrt. Sie haben die Stadt zu einem besseren Ort gemacht. Die Schwalbe und die Statue des glücklichen Prinzen treffen sich im Paradiesgarten wieder und feiern dort – vermutlich heute noch – das Motto der diesjährigen Märchentage: „Die Liebe ist eine Himmelsmacht.“
Märchen erzählen Hoffnungsgeschichten. Die Hoffnung ist kein Versprechen auf eine Belohnung im Jenseits, sondern Ansporn, diese Welt verändern zu können. Diesem Ansporn folgen neben den Preisträgerinnen und Preisträgern der Goldenen Erbse auch die Gründerinnen von Märchenland e. V. Silke Fischer und Monika Panse machen Berlin an den Märchentagen alljährlich zu einem ganz besonderen Ort. Märchenfans können sich von einem vielseitigen kulturellen Angebot, packenden Geschichten und fremden Kultur- und Märchenkreisen überraschen lassen.
Ich freue mich sehr, dass unser Parlament alljährlich im Rahmen der Lesereihe „Politiker erzählen Märchen“ und mit dem Demokratiespiel „Die Königskinder“ an den Märchentagen teilnimmt. Inzwischen arbeiten das Abgeordnetenhaus und Märchenland schon einige Jahre erfolgreich zusammen. Liebe Frau Fischer und liebe Frau Panse, vielen herzlichen Dank für Ihr einzigartiges Engagement – ohne Sie wäre der November in Berlin noch viel trüber. Ihre Märchenveranstaltungen erzeugen immer ein kleines Leuchten über uns. Oscar Wilde wirft im Märchen vom „glücklichen Prinzen“ einen matten Blick auf die Politik. Die Politiker geben sich selbstsüchtig und unkritisch.
Aber ich verspreche Ihnen, hier im Parlament geht es uns auch um das Menschliche bei der Gestaltung unserer Stadt. Der Mensch ist und bleibt das Maß aller Dinge. Wir wollen, dass sich alle in Berlin wohlfühlen. Mit diesem kleinen Hinweis in eigener Sache wünsche ich uns nun einen unterhaltsamen Abend.
Seien Sie alle herzlich willkommen im Berliner Landesparlament. Vielen Dank.