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Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland zum Kongress "Was ist Leistung?" der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin

01.12.2017 10:00, Abgeordnetenhaus

Herzlich willkommen im Berliner Abgeordnetenhaus. Ich freue mich sehr, dass Ihr dritter Kongress zum Thema „Was ist Leistung?“ in unserem Haus stattfindet. Schließlich ist die Überparteiliche Fraueninitiative ein „Kind des Abgeordnetenhauses“. Sie wurde 1992 von den damaligen frauenpolitischen Sprecherinnen ins Leben gerufen. Dieses Kind – liebevoll die ÜPFI genannt – steht nach 25 Jahren groß und selbstbewusst da. Und das freut mich.

Zu Ihrem Jubiläum möchte Ihnen an dieser Stelle im Namen aller Berliner Abgeordneten sehr herzlich gratulieren. Ein Vierteljahrhundert – das ist ein wirklicher Anlass zum Feiern. So lange setzen Sie sich bereits erfolgreich für frauen- und gender-relevante Ziele ein. Und auch vermeintlich abseitige Themen stehen bei Ihnen auf der Agenda. Sie arbeiten auch an den Themen, die öffentlich wenig Resonanz finden oder die im parlamentarischen Betrieb zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen unterzugehen drohen. Natürlich hat sich in den vergangenen 25 Jahren schon einiges verändert: Immer mehr Frauen und Männer lehnen ein traditionelles Rollenverständnis ab. Viele Frauen haben es bereits an die Spitze von Unternehmen und Politik geschafft. Aber es sind noch zu wenige. Frauen in Führungspositionen? Das darf kein Exklusivclub sein!

Ihr Kongress fragt nach der fehlenden oder ungenügenden Anerkennung der Leistung von Frauen in beruflichen, ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Tätigkeitsfeldern. Insbesondere in der Arbeitswelt ist auf dem Weg zu einer tatsächlichen Gleichberechtigung noch einiges zu tun. Nach wie vor verdienen Frauen für gleichwertige Arbeit weniger als Männer. Familie und Beruf sind – trotz der Bemühungen – nicht leicht zu vereinbaren. Häusliche Arbeit, die Pflege von Angehörigen, Kindererziehung und -betreuung, Fürsorge-Arbeit erledigen bei uns überwiegend immer noch Frauen. Oft unbezahlt und der Erwerbsarbeit untergeordnet. Von einer angemessenen Anerkennung von Leistung kann nicht die Rede sein.

Dabei ist diese Arbeit gesellschaftlich wichtig. Sie ist anspruchsvoll. Sie ist unentbehrlich. Und sie darf nicht im Prekariat münden. Die Situation verschärft sich noch, wenn wir einen Blick auf die Arbeitswelt von Migrantinnen werfen. Wenn die Anerkennung der Leistungen durch Rassismus und Sexismus behindert werden, dann sind Migrantinnen ganz besonders davon betroffen. Zunächst ist es sicher nicht einfach, in einem fremden Land anzukommen, eine fremde Sprache zu lernen, neu zu sein und anders zu sein. Ankommen braucht eben etwas Zeit. In dieser soll aber niemand – beispielsweise wegen Unsicherheiten über den Aufenthaltsstatus – zu Untätigkeit gezwungen werden.

Gesellschaftliche Teilhabe von Migrantinnen kann unter anderem durch das Erlernen der deutschen Sprache ermöglicht werden. Denn um Leistungen auf dem Arbeitsmarkt erbringen zu können, ist die Sprache unabdingbar. Sind Migrantinnen im deutschen Arbeitsmarkt „angekommen“, kann es passieren, dass sie unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten: darunter Lehrerinnen, Ärztinnen und Ingenieurinnen. Anstatt ihr Wissen zu nutzen und es in die Gesellschaft einzubringen, arbeiten sie in schlecht bezahlten Berufen. Wie zum Beispiel in der Pflege- und Fürsorgearbeit. Und das soll diese Berufe keinesfalls abwerten – nur ist uns völlig klar, dass in diesen Tätigkeitsfeldern kaum eine leistungsentsprechende Anerkennung gegeben ist. Umso frustrierender, wenn die Qualifikation für den Wunschberuf eigentlich vorliegt und dieser auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt ist. Migrantinnen partizipieren zwar am Arbeitsmarkt, sind dort aber häufig schlechter positioniert. Sie arbeiten unter prekären Bedingungen oder werden im schlimmsten Fall in illegale Beschäftigungsverhältnisse abgedrängt.

Immer wieder lese ich von Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren aufgrund des Namens. Von zwei Bewerberinnen mit gleicher Qualifikation wird eher diejenige mit einem deutsch klingenden Namen zum Vorstellungsgespräch eingeladen als diejenige mit einem ausländisch klingenden Namen. Ein Name mag gefallen oder nicht. Mit Qualifikation, mit Leistung oder Leistungsfähigkeit hat das nichts zu tun. So wollen wir nicht arbeiten und so wollen wir schon gar nicht leben. Wir sehen, es gibt viel Gesprächsstoff. Und Sie sind heute hier zusammengekommen und stellen die zentralen Fragen:

Was muss besser werden?

Wie behindern Rassismus und Sexismus Anerkennung von Leistunden der Migrantinnen?

Wie ist die Rechtslage?

Und wie sehen die Zugänge von Migrantinnen zu Arbeit, Bildung und politischer Teilhabe aus?

Ich bin überzeugt: Ihr Kongress heute wird dazu beitragen, Strategien für eine gerechtere Gesellschaft zu entwickeln. Legen Sie den Finger tiefer in die Wunde. Gehen Sie dahin, wo es wehtut. Das sind wir von Ihnen gewohnt. Dafür schätzen wir Ihre Arbeit und dafür brauchen wir Sie! Abschließend noch ein Hinweis in eigener Sache. Das Abgeordnetenhaus hat eben die Broschüre zum 25-jährigen Bestehen der Überparteilichen Fraueninitiative herausgegeben. Es ist, wie ich finde, eine gelungene Publikation geworden.

Und wenn ich schon von Gelingen spreche, dann wünsche ich das auch für Ihre Veranstaltung. Packen Sie es an. Viel Erfolg heute und natürlich auch für die kommenden 25 Jahre.

Vielen Dank.