Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland bei der Eröffnung des zweiten Sitzungstages der „Simulation Europäisches Parlament (SIMEP) 2011“
31.10.2011 00:00, Abgeordnetenhauses von Berlin
-Es gilt das gesprochene Wort-
Seit nunmehr 13 Jahren wird die „Simulation Europäisches Parlament“ von der Jungen Europäischen Bewegung durchgeführt, die zumeist auch im Abgeordnetenhaus von Berlin stattfand.
Gern habe ich die Schirmherrschaft für diese mittlerweile traditionelle Veranstaltung der Jungen Europäischen Bewegung Berlin-Brandenburg als neu gewählter Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin übernommen und heiße Sie, meine jungen Kolleginnen und Kollegen, im Berliner Parlament herzlich willkommen.
Sie führen Ihre Veranstaltung zu einem Zeitpunkt durch, der landespolitisch geprägt ist durch die Konsequenzen der Wahlen vom 18. September 2011, den sich daraus ergebenen neuen politischen Konstellationen und einem neu gewählten Landesparlament, dass am vergangenen Donnerstag seine Arbeit aufgenommen hat.
Aber diese Zeit ist ebenso geprägt durch tägliche Meldungen über die wohl größte Krise in Europa seit den Römischen Verträgen, über EU-Krisengipfel und Rettungsschirme, Stabilitätskriterien und Schuldenschnitt. Es mehren sich mehr und mehr die Anzeichen dafür, dass tief greifende Strukturveränderungen in allen Staaten der EU sowie auf den globalen Wirtschafts- und Finanzmärkten unausweichlich sind.
Was sie, meine jungen Kolleginnen und Kollegen aber stets bedenken sollten, ist die Erkenntnis, dass jede Generation anstehende Probleme bewältigen musste und konnte. Krisenhafte Entwicklungen gab es immer wieder. Es kam aber dabei immer darauf an, wie die jeweils Verantwortlichen, die vorhandenen Krisen und Probleme lösen konnten. Gerade die wechselvolle Geschichte dieses Hauses zeigt, wie Umbrüche und Veränderungen in der preußischen und deutschen Geschichte der vergangenen 100 Jahre sich unmittelbar hier abspielten, die große Auswirkungen auf viele Menschen hatten.
In diesem Haus tagte nicht nur während der Monarchie in Deutschland und Preußen von 1899 bis 1918 das Preußische Abgeordnetenhaus, sondern hier, in diesem Saal, wurde die erste Demokratie in Deutschland, kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges aus der Taufe gehoben.
Mit dem Beschluss des Reichskongresses der Arbeiter- und Soldatenräte im Dezember 1918 zur Durchführung der Wahl für eine „Verfassungsgebende National-versammlung“ im Januar 1919 wurden die Weichen für die Weimarer Republik gelegt. Die Probleme schienen damals vielen schier unüberwindbar und doch haben sie es geschafft, ein demokratisches Staatswesen zu schaffen.
Dieses Haus erlebte aber auch im Jahre 1933 das Ende der Weimarer Republik, die Abschaffung der Freiheits- und Bürgerrechte und den Missbrauch des Gebäudes durch die Nationalsozialisten. Erst 60 Jahre später, im April 1993, konnte mit dem Abgeordnetenhaus von Berlin wieder ein demokratisch legitimiertes Parlament hier Einzug halten.
Auch die Europäische Bewegung brauchte einen langen Atem, bevor sie ihren Siegeszug vollenden konnte.
Bedenken Sie deshalb bei Ihren heutigen Beratungen, was sich in den letzten Jahrzehnten im Prozess der europäischen Einigung vollzogen hat.
Staaten, die im vorigen Jahrhundert noch furchtbare Kriege gegeneinander führten, haben sich friedlich und freiwillig zusammengeschlossen und gestalten gemeinsam auf allen wichtigen Politikfeldern ihre Gegenwart und Zukunft. Diese Staaten wollen ihre weitere Entwicklung gemeinsam vorantreiben und ihre Interessen zusammen vertreten.
Deshalb haben sie sich auch einen gemeinsamen Rahmen gegeben, der die Fundamente der Gemeinschaft festschreibt, aber auch Raum dafür lässt, die Identität als jeweils eigenständige Nation zu bewahren.
Bei allen unterschiedlichen Meinungen, die es naturgemäß bei den verschiedenen Themen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten gibt, hat sich aber immer wieder gezeigt, dass die europäische Einigung alternativlos ist. Auch in der heutigen Krise.
Jeder einzelne europäische Staat hat für sich allein in einer globalisierten Welt zu wenig Gewicht und Einfluss, um seine Interessen wirksam vertreten zu können. Die EU aber bildet einen Faktor, der sich im weltpolitischen Gefüge Gehör verschaffen kann. Dabei darf Europa nicht nur eine Angelegenheit für Politiker sein. Europa ist in entscheidendem Maße eine Angelegenheit seiner Bürgerinnen und Bürger. Ein zusammenwachsendes Europa darf sich nicht allein in der Arbeit der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments erschöpfen. Dieses Europa bedarf der Mitarbeit aller.
Deshalb freut es mich ganz besonders, dass sich auch in diesem Jahr so viele junge „Europäer“ aus Berlin und Brandenburg an dieser Tagung der Jungen Europäischen Bewegung Berlin-Brandenburg beteiligen, um über die verschiedenen Themen zu sprechen, miteinander zu streiten und gemeinsame Lösungen zu finden. Gleichzeitig können Sie im Rahmen simulierter Fraktions-, Arbeitsgruppen- und Plenarsitzungen die Arbeitsabläufe des Europaparlaments besser kennen lernen.
Ihre heutige Teilnahme verdeutlicht mir auch, dass es zahlreiche junge Menschen in Berlin und Brandenburg gibt, die sich aktiv in die Politik einschalten wollen, die lernen wollen und bereit sind, ihre Zukunft verantwortlich mitzugestalten.
In diesem Sinne danke ich den Initiatoren der Jungen Europäischen Bewegung für ihr Engagement zur Realisierung der diesjährigen Parlamentssimulation und wünsche Ihnen, meine lieben jungen Kolleginnen und Kollegen, bei den anstehenden Beratungen viel Spaß und Erfolg.
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