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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Dennis Buchner zur Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung "Noch keine Parität erreicht! - Die Unbeugsamen"

22.11.2022 20:00, Abgeordnetenhaus, Multivisionsraum

Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus von Berlin. Nicht nur als bekennender Unterstützer der Gleichstellung im Politikbetrieb freue ich mich auf diesen Filmabend und die Diskussion mit Ihnen, sondern auch als Parlamentspräsident. Es ist schließlich auch mein Anliegen - und ich persönlich finde auch meine Aufgabe - als Präsident des Abgeordnetenhauses, dass Frauen in der Politik und vor allem in unserem Parlament präsenter werden. Das habe ich bereits in meiner Antrittsrede im vergangenen November deutlich gemacht.

Das Thema gehört in die politische Debatte und umso dringender in unser Haus. Deswegen habe ich mich auch sehr über die Anfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung für diese Veranstaltung gefreut und natürlich sofort zugestimmt.

Artikel 10 der Berliner Landesverfassung gibt uns vor, die Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens herzustellen. Das gilt selbstverständlich auch für die Politik, für die Parlamente. Im Abgeordnetenhaus kann mit etwas mehr als 35 Prozent Frauenanteil derzeit keine wirkliche Repräsentanz hergestellt werden. Das macht unter anderem die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Frauen Macht Berlin“ deutlich. Klar benennen muss man an dieser Stelle jedoch auch, dass es große Unterschiede zwischen den Fraktionen in unserem Haus gibt.

Wir müssen also feststellen: Die bisherigen Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter reichen nicht. Doch wie schaffen wir Parität im Abgeordnetenhaus?

Aus meiner Sicht sind dafür zwei Punkte zentral:

  1. Wir müssen das Wahlrecht verändern, um die faktische strukturelle Benachteiligung von Frauen bei Wahlen weiter abzubauen und dafür Sorge zu tragen, dass Kandidatinnen auch gewählt werden.
  2. Wir müssen überlegen, wie wir als Parteien attraktiver für Frauen werden und überhaupt erst mehr weibliche Kandidatinnen generieren können.

Die Verfassungsgerichtsurteile aus Thüringen und Brandenburg zu den dort jeweils beschlossenen Paritätsgesetzen zeigen, dass die rechtlichen Anforderungen an eine Wahlrechtsform hoch sind. Es wird daher bei einer möglichen Veränderung des Wahlrechts in Berlin wesentlich darauf ankommen, eine solide juristische Argumentation und einen ausgewogenen Gesetzesentwurf präsentieren zu können, der die verfassungsrechtlichen Grundsätze der 1) Gleichstellung der Geschlechter, 2) Freiheit und Gleichheit von Wahlen sowie 3) Parteienfreiheit gut austariert.

Aus meiner Sicht kommt der Wahlrechtskommission im Bund dabei eine wesentliche Schlüsselrolle zu. Es wird eine große Signalwirkung und Vorbildfunktion für die Länder haben, welche Maßnahmen für die Gleichstellung der Geschlechter im neuen Wahlrechtsvorschlag enthalten sein werden und wie auch das Bundesverfassungsgericht - welches dann voraussichtlich darüber urteilen wird - dazu entscheidet.

Gleichzeitig brauchen wir auch in den Parteien Diskussionen und Strategien, wie wir mehr Frauen zu einer Mitgliedschaft bewegen, um eine innerparteiliche Parität zu erreichen. Zudem geht es dann darum, tatsächlich gleiche Chancen für Frauen und Männer für die Kandidierendenaufstellung und damit die Wahl in die Parlamente zu gewährleisten.

In Brandenburg und Thüringen waren, wie wir wissen, die beschlossenen Paritätsgesetze nicht erfolgreich. Bewirkt haben diese Versuche dennoch etwas: Das Thema ist sichtbarer geworden; wir denken etwa anders über die Besetzung bei Podiumsdiskussionen und in Gremien nach; wir debattieren Möglichkeiten, wie wir die Parlamentsarbeit familienfreundlicher gestalten können. Das ist schon ein beachtlicher Fortschritt!

Der Film „Die Unbeugsamen“ bezeugt den enormen Fleiß und hohen Arbeitsethos der Frauen in der Politik und ich kann es bezeugen: Es waren oft Frauen, die mir gesagt haben, dass sie ihr politisches Amt lieber gar nicht wahrnehmen als nur halbherzig. Dabei darf es heutzutage keine Belastung mehr sein, das Privatleben, die Familie und das Parlament in Einklang zu bringen. In Berlin haben wir etwa in der vergangenen Wahlperiode durch die Parlamentsreform versucht, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten.

Schlussendlich – das beweisen die vielen starken Frauen in dem Film – können wir uns nicht an den Wegen messen lassen, die für mehr Gleichberechtigung gescheitert sind, sondern an denen, die wir bereit waren, zu gehen. Egal, wie holprig und egal, wie steinig. Dazu gehört es – und das zeigt auch der Film – Neues zu wagen, mutig zu sein, „unbeugsam“ zu bleiben.

Haben Sie vielen Dank.