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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Dennis Buchner zur Ausstellungseröffnung "Ende der Zeitzeugenschaft?"

06.07.2022 17:30, Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum

Wir alle haben es schon erlebt: Es gibt Begegnungen mit bestimmten Menschen, die bleiben unvergesslich. Es sind oft Menschen mit einer besonderen Vergangenheit, deren Leben und Schicksal sich auf spezielle Art und Weise mit unserer Geschichte verwoben hat. Die Bilder aus diesen Begegnungen, die Worte aus diesen Gesprächen verankern sich in unseren Köpfen. Doch nicht nur Worte und Bilder bleiben hängen, viel mehr manifestiert sich ein Gefühl, dass uns berührt und welches uns wohl am meisten in Erinnerung bleibt.

Wir nennen diese Personen, die uns mit ihrer eigenen Geschichte berühren, Zeitzeugen. Doch es ist gerade in Deutschland durchaus beliebt, noch weitere Unterscheidungen zu treffen. Ich weiß gar nicht, ob es auch ein internationales Phänomen ist, doch wir Deutschen haben einen Hang in der geschichtlichen Rückschau in Kategorien zu denken: Gewinner und Verlierer – Täter und Opfer. Und das war und ist mit einer eigentümlichen Dynamik verbunden, wie wir das Geschehene wahrnehmen und verarbeiten.

Mit Blick auf die professionelle Geschichtswissenschaft lässt sich gerade in Bezug auf die nationalsozialistische Zeit sagen: Viel zu lange standen immer nur die Täter im Fokus der Forschung und dadurch auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Auseinandersetzung. Ein wenig wurde dies in den 1980er Jahren korrigiert, als Historikerinnen und Historiker sich vermehrt dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zuwandten. Hieraus ist ja übrigens auch die „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ im Bendlerblock entstanden, die das Land Berlin einrichtete und die bis heute eine wichtige Arbeit auf dem Gebiet der Geschichtsvermittlung leistet. Auf breiterer Ebene gerieten dann Personen in den Mittelpunkt der geschichtlichen Forschung, die dezidiert gegen die nationalsozialistische Diktatur agierten und damit ihr Leben und das Leben der Menschen aus ihrem Umfeld auf’s Spiel setzten. Das erkenntnisleitende Interesse war dabei zu zeigen, dass es auch andere Deutsche gab.

Wir müssen aber ebenso konstatieren: Sie waren in der Minderheit.

Keine kleine Minderheit waren hingegen die Jüdinnen und Juden, die während der nationalsozialistischen Diktatur drangsaliert, verfolgt und auch grausam ermordet wurden. Mit dem Ansatz der Oral History, Geschichte aufgrund von mündlichen Zeugenaussagen zu rekonstruieren, gerieten um die Jahrhundertwende immer stärker die jüdischen Menschen in den Mittelpunkt des historischen Interesses, die den Holocaust überlebt haben. Damit war ein wichtiger Perspektivenwechsel eingeleitet. Geschichte konnte nun vor allem aus Sicht der Betroffenen gezeichnet werden und nicht nur aus jener der Täterinnen und Täter.

Der pädagogische Wert dieses neuen Geschichtsansatzes kann gar nicht hoch eingeschätzt werden. Zu verdanken haben wir dies den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die bereit waren, ihre Geschichte während der nationalsozialistischen Diktatur zu erzählen. Sie haben damit der humanistischen Wertebildung und -erziehung bei jungen Menschen einen großen Dienst erwiesen. Hierfür bin ich – hiefür sind wir ihnen zu großem Dank verpflichtet.

Das Mitgefühl, die Traurigkeit, aber auch der bewundernswerte Überlebenswille vieler Zeitzeuginnen und Zeitzeugen haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Und es wird eines immer wieder deutlich: Wirkliche Freiheit gibt es nur in einer Gesellschaft, die Toleranz und Würde gegenüber jeden einzelnen Menschen verknüpft. Diktaturen schaffen das nicht. Das zeigt sich in unseren Tagen wieder auf grausame Weise im östlichen Europa.

Nur wer aus der Geschichte lernt, kann die Zukunft gestalten. Es ist daher zwingend notwendig, eine aktive Auseinandersetzung mit der Historie zu schaffen. Eine Auseinandersetzung, die bewegt, die berührt, die bei Jung und Alt zum Nachdenken anregt.

Es ist nun aber so: Die Zeit bleibt niemals stehen. Und die Vergänglichkeit allen Lebens ist unser ewiger Begleiter. Damit verknüpft sich eine Problematik, die die Zeitzeugenschaft im Allgemeinen betrifft. Müssen wir nun gänzlich auf die Aufnahmen der Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zurückgreifen? Oder eröffnen sich im Rahmen der Künstlichen Intelligenz neue Möglichkeiten der Vermittlung? Experimente laufen bereits – auch das macht die Ausstellung deutlich. Ich finde es wichtig, dass wir uns dieser wichtigen Fragen jetzt annehmen. Und deshalb bin ich gespannt, welche Antworten auch diese Ausstellung zu bieten hat. Lassen Sie uns in einen Dialog eintreten, wie wir die Erinnerung aufrecht erhalten, die Auseinandersetzung mit dem Geschehen fördern können und kreative neue Wege der Aufarbeitung und Wissensvermittlung bestreiten können. Hier sehe ich persönlich übringens auch uns in der Politik in der Verantwortung.

Ich danke allen, die an der Entstehung dieser Ausstellung mitgewirkt haben, und ich wünsche der Ausstellung viel Erfolg in Berlin.