Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Dennis Buchner zum Pflegepolitischen Dialog
16.05.2022 17:00, Abgeordnetenhaus, Festsaal
Ich freue mich, dass Sie heute zu Gast im Abgeordnetenhaus von Berlin sind. Seien Sie herzlich willkommen. Es ist wichtig, dass Sie heute den pflegepolitischen Dialog anstoßen und er liegt uns besonders am Herzen. Nicht nur, weil der persönliche Austausch uns hier in den vergangenen zwei Jahren enorm gefehlt hat. Sondern auch, weil es bei den Themen und Fragen, die Sie gleich behandeln werden, nicht zuletzt darum geht, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Schließlich möchten wir alle würdevoll altern oder im Falle einer Behinderung oder Krankheit gut umsorgt sein.
Wenn Angehörige, Freundinnen und Freunde oder Nachbarinnen und Nachbarn dafür Verantwortung übernehmen, zeugt das von Liebe und Mitmenschlichkeit. Kurzum: Sie alle gestalten eine Gesellschaft, die freundlich ist und in der wir gerne leben. Dennoch wird es öffentlich oft kaum wahrgenommen und anerkannt, dass ein Löwenanteil der Berliner Pflege von Ihnen gestemmt wird.
Allgemein wird dem Thema ja gern aus dem Weg gegangen. Dabei betrifft es früher oder später alle in irgendeiner Form. Die Auseinandersetzung mit Pflege ist für Berlin relevant und die heutige Debatte gehört unbedingt in unser Haus. Wenn wir gleich darüber sprechen, an welchen Stellen es besser laufen könnte oder müsste, sind wir auf Sie als Expertinnen und Experten dringend angewiesen. In jedem Fall muss die Politik Ihnen den Rücken stärken. Um besser zu erfahren, was Ihre Forderungen und Wünsche sind, dient der heutige Austausch. Der pflegepolitische Dialog ist Ihre Stimme. Und wir sind es heute, die zuhören werden. Wir brauchen das Wissen darüber, was Sie sich wünschen und was Entlastung verschaffen kann? Was also sehen Sie, was wir nicht sehen?
Es ist mir – aber auch meinen Kolleginnen und Kollegen im Parlament – ein wirkliches Ziel, dabei auch die Interessen der geschätzt 200.000 pflegenden Bezugspersonen in Berlin in unsere Entscheidungen einzubeziehen. Gerade, weil diese Gruppe so divers ist.
Viele kümmern sich um ältere Menschen, die Eltern oder die Partnerin beziehungsweise den Partner. Manche pflegen aber auch ihre Kinder. Einige gehen haupt- und zusätzlich einem Beruf nach, andere haben diesen aufgrund der Pflege aufgegeben oder sind bereits im Rentenalter. Manche pflegen ohne Pause rund um die Uhr, bei anderen handelt es sich um einige Stunden pro Woche. Einige haben ein finanzielles Polster, das es möglicherweise an einigen Stellen einfacher macht. Andere haben das nicht – und es muss unser dringendes politisches Anliegen sein, dass dies keine Auswirkungen auf die Qualität der Sorgeleistung sowie die Lebensqualität der Pflegenden und Gepflegten hat. So unterschiedlich die Situationen sind, so verschieden sind auch die Bedürfnisse und Anforderungen.
Zum einen sind Pflegeleistungen komplex, erfordern sie doch Fähigkeiten wie Geduld und Nachsicht, gutes Zeitmanagement und Strukturieren, hohe Belastbarkeit, Flexibilität, oft auch physische Kraft sowie die Kommunikation mit den Behörden und Kassen. Zum anderen stehen Pflegende vor verschiedenen Hürden. Während die einen unter der Isolation leiden, treiben andere finanzielle Sorgen, der bürokratische Aufwand oder ganz praktische Fragen um. Entsprechend vielfältige Angebote und deren umfassende Kommunikation sind unabdingbar, wenn es darum geht, Pflegende zu entlasten. Klar ist, dass die Pflege von Angehörigen nicht in Armut enden darf. Und auch nicht in der mentalen oder körperlichen Erschöpfung. Denkbar wären etwa eine bessere Anerkennung von Pflegezeiten bei der Rente, die volle Erstattung von Pflegekosten und das Stärken der Pflegeberufe, um bessere Alternativen und Zusatzoptionen bieten zu können. Interessant ist auch der derzeit laufende Modellversuch im österreichischen Burgenland, der auslotet, was dadurch erreicht werden kann, wenn pflegende Angehörige beim Staat zu einem festen Gehalt angestellt werden. Auch dieser Weg ließe sich für Deutschland debattieren.
Sie sind heute auch stellvertretend für diejenigen hier, die nicht die Möglichkeit haben, uns Abgeordnete anzusprechen. Aus meinem eigenen Umfeld weiß ich, wie zeitintensiv die Pflege eines einem nahestehenden Menschen sein kann und wie oft die eigenen Bedürfnisse dafür zurückgestellt werden. Die enorme zeitliche und psychische Belastung verhindert bei vielen die gesellschaftliche und politische Teilhabe. Umso wichtiger ist es, dass mithilfe dieses Formats verschiedene Fragen und Sichtweisen gebündelt, debattiert und an uns herangetragen werden. Eines der Ziele der Woche der pflegenden Angehörigen ist es, die Sichtbarkeit und Wertschätzung für pflegerische Sorgearbeit zu stärken. Dem schließen wir uns als Abgeordnetenhaus gerne an. Ihre Fürsorge ist keine Selbstverständlichkeit.
Dafür möchte ich Ihnen im Namen des gesamten Berliner Landesparlaments einen herzlichen Dank aussprechen und Ihnen abschließend zusichern, dass wir im Gespräch bleiben.
Vielen Dank!