Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Dennis Buchner zum Gedenken an den 18. März 1848
18.03.2022 17:00, Friedhof der Märzgefallenen
Der Weg zur heutigen Demokratie in Deutschland war bekanntlich ein langer Weg. Und dieser Weg ist auch nicht vorbei, denn Demokratie bleibt nicht einfach. Sie muss jeden Tag aufs Neue erstritten und verteidigt werden. Ich denke, es ist deshalb besonders wichtig, dass wir die Erinnerung an die Anfänge der Demokratie in unserem Land aufrecht erhalten und aus der Geschichte lernen.
Das tun wir in Berlin seit vielen Jahren, indem wir uns jedes Jahr am 18. März hier auf dem Friedhof der Märzgefallenen treffen. Damit wollen wir gemeinsam die Frauen und Männer ehren, die damals am 18. März 1848 bei den Barrikadenkämpfen in Berlin ums Leben kamen.
Aber wir schauen auch auf das Hier und Jetzt. Wir erinnern daran, dass Demokratie nicht vom Himmel fällt und sensibilisieren für die Gefahren, die unsere Demokratie bedrohen. Die Revolution von 1848, so ungeplant und improvisiert sie auch war, steht zunächst für eine echte Zäsur in der deutschen Geschichte. Sie steht für einen Aufbruch in die Moderne ohne die Vorherrschaft von Adel und Junkertum. Aus Monarchien wurden so zunächst konstitutionelle Monarchien. Verfassungen wurden entwickelt, welche die gesellschaftlichen Rechte neben die Rechte der Herrscherhäuser stellten.
Aber trotz aller Fortschritte: Ein Makel blieb leider. Alle neuen Verfassungen unterließen es, soziale Rechte zu verbriefen. Viele Menschen mussten weiterhin am Existenzminimum oder sogar darunter leben. Das waren gerade im damaligen Berlin nicht wenige. Und auch das Wahlrecht wurde beschnitten nach Stand und Vermögen. Arme Menschen wurden systematisch von der demokratischen Beteiligung ausgeschlossen. Das war zutiefst unsozial, aber durchaus gewollt von den bürgerlichen und reaktionären Kräften im damaligen politischen Deutschland. Nun kann man immer sagen: Jede Revolution hat Gewinner und Verlierer. Aber für die demokratische Entwicklung im Deutschland des 19. Jahrhunderts war es fatal, nicht allen Menschen die gleichen Partizipationsrechte zu geben. Die erkämpfte Demokratie war nicht die Demokratie des gesamten Volkes. Erst mit der Revolution von 1918/19 wurde mehr soziale und politische Gleichheit geschaffen, wenn auch unter sehr widrigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen.
Auch heute mahnt uns dies: Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen aufgrund ihres Einkommens oder sozialen Stands von politischen Prozessen und Entscheidungen ausgeschlossen werden. Die sehr unterschiedlichen Wahlbeteiligungen in unseren sehr verschiedenen Berliner Kiezen sollten uns daher eine Warnung sein. Lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen, alle Menschen mitzunehmen und sie für die Demokratie zu begeistern. Hürden der Beteiligung abzubauen und neue Formate der Ansprache durch Politik zu schaffen. Wenn wir an die Entstehungsgeschichte unserer Demokratie zurückdenken, dann ist vielen der 18. März 1848 nur am Rande als wichtiger Meilenstein in Erinnerung. Und das, obwohl wir der Märzrevolution die Anfänge der Demokratie in Deutschland zu verdanken haben.
Das ist heute leider noch so, und das war in den letzten fast zwei Jahrhunderten so. Doch vielleicht müssen wir einfach nur umdenken, und den 18. März 1848 nicht singulär betrachten, sondern ihn in einen Zusammenhang stellen mit dem 9. November 1918 und dem 3. Oktober 1990. Das könnte ein deutsches Revolutionsmuseum leisten, das hier in Berlin deutlich macht: Die Demokratie in unserem geeinten Deutschland kam nicht über Nacht zu uns. Sie musste in Etappen bitter erkämpft und erlitten werden.
Auch am gescheiterten Anfang, als viele Berlinerinnen und Berliner am 18. März 1848 auf die Barrikaden gingen. Als Vorkämpfer für demokratische Verhältnisse wären sie auf jeden Fall ein wichtiges Zeugnis in diesem Revolutionsmuseum, für das ich mich gerne einsetzen würde. Denn ich bin sicher: Dieses Museum würde Deutschland, würde Berlin schmücken. Aber eben auch unser demokratisches Selbstverständnis deutlich fördern. Ich danke Ihnen.