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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Dennis Buchner zum 30-jährigen Jubiläum der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen e. V.

22.06.2022 18:00, Abgeordnetenhaus, Casino

Dreißigste Geburtstage sind ja immer etwas ganz Besonderes. Sie werden oft ausgiebig gefeiert und als bedeutende Wegmarke verstanden. Es ist wohl der erste runde Geburtstag, an dem man realisiert, dass man die Jugendtage hinter sich gelassen hat und mitten im Erwachsenenleben angekommen ist. Unweigerlich stellt man sich dann die kritische Frage des Erwachsenseins: Ist man schon da, wo man hin wollte?

Für die Überparteiliche Fraueninitiative Berlin lässt sich das mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Sie hat es geschafft, Frauen- und Gleichstellungspolitik überparteilich zu gestalten und damit Berlin nachhaltig zu prägen. Die ÜPFI hat die Situation von Frauen in unserer Stadt konkret verbessert und sich damit einen Namen gemacht. Ich denke da zum Beispiel an Ihr Engagement für die obdachlosen Frauen. Ihr Wirken hat dazu geführt, dass erstmalig zu dieser Problemlage eine Anhörung im Abgeordnetenhaus stattfand und schließlich mehr Frauen-Unterkünfte in Berlin eingerichtet wurden.

In Erinnerung geblieben ist aber auch ihr Einsatz für die Berliner Richterinnen. Ihrer Beharrlichkeit und Ihren guten Verbindungen zu den frauenpolitischen Sprecherinnen unseres Hauses haben wir es zu verdanken, dass auch Richterinnen und Richter in den Anwendungsbereich des Landesgleichstellungsgesetzes einbezogen wurden. Zudem wurde dadurch die Interessensvertretung der Richterinnen durch Frauenvertretungen möglich.

Das sind nur zwei ganz konkrete Beispiele – in jedem Falle hat die ÜPFI zu mehr Gleichberechtigung in der Stadt beigetragen. Dazu möchte ich Ihnen die allerherzlichsten Glückwünsche des gesamten Berliner Landesparlaments übermitteln. Sie wissen es längst und ich sage es trotzdem gerne wieder: Wir beherbergen die ÜPFI gern und natürlich auch ein wenig mit Stolz bei uns im Abgeordnetenhaus von Berlin. Nicht nur, weil sie in den Reihen dieses Parlaments entstanden ist, sondern auch, weil sie für uns Abgeordnete richtungsweisende Akzente setzt. Gerade wenn es um Themen geht, die öffentlich kaum wahrgenommen werden oder noch dringlicher auf die parlamentarische Agenda gesetzt werden müssen – aktuell etwa die gleichberechtigte politische Teilhabe von Migrantinnen oder der CW-Index zur Neubewertung von sozialen Dienstleistungsberufen.

Dass die ÜPFI ein Paradebeispiel überparteilicher Zusammenarbeit ist, ist eine Besonderheit und auch der spezielle Verdienst einer bemerkenswerten Frau, die heute Abend zum Glück wieder fit unter uns weilt. Liebe Frau von Braun, Sie begannen Ihre politische Karriere zu einer Zeit, in der Sexismus offen gelebt und gesellschaftlich kaum sanktioniert wurde. Der Film „Die Unbeugsamen“ porträtiert Sie als eine der starken Frauen und zeigt ihren Einsatz – manchmal auch ihren Kampf – eindrucksvoll. „Unbeugsam“ waren Sie auf Ihrem Weg wirklich: Sie ließen sich vom Machokult weder einschüchtern noch aufhalten. Sie erreichten wichtige Posten und Funktionen, darunter den Landesvorsitz der Berliner FDP und den Fraktionsvorsitz der FDP in unserem Parlament.

Als erste Frauenbeauftrage der Stadt setzten Sie sich beharrlich für Gleichstellung ein. Sie vernetzten die politische Frauenszene und vermittelten zwischen bürgerlicher und autonomer Bewegung. Die Gräben waren tief, die Ufer kaum überwindbar. Doch Sie schafften das, Sie bauten die Brücken. Nicht nur das: In der von Ihnen initiierten ÜPFI dann kamen auch Frauen aus West und Ost zusammen, Jüngere und Ältere, ehemalige und aktive Abgeordnete, Frauen aus Zivilgesellschaft und Politik. Das macht Ihre Initiative bis heute so einzigartig und unvergleichbar.

Liebe Frau von Braun, für mich sind Sie eine echte Macherin. Erst kürzlich haben Sie in einem Radiobeitrag versprochen, auch im höheren Alter noch Ihren „Senf dazugeben“ zu wollen. Und das ist auch gut so! Denn in der Politik, und besonders in den Parlamenten, ist bekanntlich noch Luft nach oben, was die Gleichstellung anbelangt. Die vergangene Wahl hat den Frauenanteil im Abgeordnetenhaus zwar ein wenig erhöht, aber es reicht bei weitem noch nicht aus.

Mehr als die Hälfte der Menschen in Berlin sind Frauen. Das Abgeordnetenhaus, die Herzkammer der Landespolitik, bildet diese jedoch immer noch nicht repräsentativ ab. Wir brauchen zum einen Vorbilder wie Sie, liebe Frau von Braun, und die vielen anderen starken ÜPFI-Mitstreiterinnen, die Frauen zu einer politischen Karriere motivieren und sie auf diesem Weg unterstützen.

Wir müssen zum anderen aber auch noch mutigere Wege bestreiten und tiefgreifende Maßnahmen für mehr Gleichstellung in den Parlamenten diskutieren. Ob ein Parité-Gesetz hierfür der richtige Weg ist, ist mit Blick auf die Gerichtsentscheidungen in Brandenburg und Thüringen offen. Ich persönlich bin jedoch der Meinung, dass uns das nicht davon abhalten darf, auch weitere Reformen im Wahlrecht zu prüfen. Dazu brauchen wir – ohne Frage – auch die Ideen und Impulse der ÜPFI!

Ich möchte Sie daher recht herzlich einladen, in den kommenden Monaten mit mir und anderen Expertinnen an diesem Thema zu arbeiten. Wenn wir gleich auf die ÜPFI anstoßen, dann auch darauf, dass dreißigste Geburtstage mehr sind als eine Wegmarke in der Biografie. Da ist eben doch auch noch ein Hauch von jugendlichem Sturm und Drang und vor allem die Stärke und Erfahrung, jedes weitere Ziel mutig zu erkämpfen.

Wir zählen weiterhin auf Sie! Vielen Dank.