Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhaues von Berlin Walter Momper zur Eröffnung der Ausstellung „Helden auf Zeit – Porträts aus dem Kunstarchiv Beeskow“
25.01.2011 19:00, Abgeordnetenhaus
Walter Momper 25.01.2011, Abgeordnetenhaus
-Es gilt das gesprochene Wort -
Ich begrüße Sie im Abgeordnetenhaus von Berlin und freue mich, dass sie so zahlreich zur Eröffnung der Ausstellung „Helden auf Zeit – Porträts aus dem Kunstarchiv Beeskow“ erschienen sind. Besonders begrüße ich den Präsidenten des Landtages Brandenburg, Herrn Gunter Fritsch, die Leiterin des Kunstarchives Beeskow, Frau Dr. Ilona Weser, die anwesenden Künstlerinnen und Künstler sowie den Cellisten Herrn Fabian Schultheis, der bereits für eine angenehme musikalische Einstimmung sorgte.
Zum zweiten Mal ist das Abgeordnetenhaus von Berlin Ausstellungsort für ausgewählte Kunstwerke aus dem Kunstarchiv Beeskow. Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen noch an die im Juni 2009 hier eröffnete Ausstellung LebensMittel Kunst. Präsentiert wurden damals sowohl Werke aus der Arthothek der Sozialen Künstlerförderung – d. h. künstlerische Arbeiten aus dem ehemaligen Westteil Berlins – als auch Kunstwerke aus Beeskow – überwiegend Arbeiten von Künstlern aus der ehemaligen DDR.
Im Bestand des Beeskower Archivs befinden sich heute rund 23.000 Objekte, vor allem Gemälde, Druckgrafiken, Zeichnungen und Aquarelle, aber auch Fotografien, Plastiken, Kunstgewerbe und Medaillen. Sie gehörten vor 1989 den Parteien, Massenorganisationen und den sogenannten Staatsorganen der DDR. Viele von ihnen entstanden im Auftrag, andere wurden angekauft oder sind Schenkungen. Die rund 300 Porträts aus dem Kunstarchiv Beeskow sind im Verlauf von vier Jahrzehnten entstanden und lassen unterschiedliche künstlerische Ansatzpunkte und individuelle Blickrichtungen erkennen. Für die Ausstellung 'Helden auf Zeit', die hier im Abgeordnetenhaus gezeigt wird, konnten aus Platzgründen nur 34 Gemälde und 10 Kleinplastiken ausgewählt werden. Unter ihnen auch bedeutende Werke der Künstler Bert Heller, Lutz Friedel und Ronald Paris, von denen auch Porträtarbeiten in der Galerie der Ehrenbürger zu finden sind.
Ebenso wie bei der Ausstellung 'LebensMittel Kunst' kam die Initiative, diese Ausstellung im Berliner Parlament zu zeigen, aus diesem Hause. Als Parlamentspräsident begrüße ich solche Vorschläge und setze sie gern um. Trotzdem könnte die Frage gestellt werden, warum gerade das Berliner Parlament ein Ort sein soll, um Auftragskunstwerke aus der DDR zu präsentieren. Könnte die Beschränkung auf diese Werke nicht einseitig sein oder durch die Präsentation von Porträts bestimmter Personen deren politische Rolle in der DDR verharmlosen? Diesen Bedenken möchte ich widersprechen.
Ich bin der Auffassung, dass Kunst ebenso wie Politik Orte braucht, an denen sie sich präsentieren kann. Darum ist das Abgeordnetenhaus von Berlin, das sich im Zentrum dieser Stadt, an der ehemaligen Nahtstelle von Ost und West befindet, ein guter Ort, um die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte zu führen. Die Kunst spielt in dieser Auseinandersetzung eine wichtige Rolle. Sie ist ein geeignetes Mittel im zwischenmenschlichen Austausch und dient auch der Reflexion der damaligen herrschenden gesell-schaftlichen Verhältnisse im SED-Staat.
Außerdem ermöglicht die Werkschau eine interessante Retrospektive, weil die Entstehung dieser Kunstwerke zweifelsohne einen längeren Prozess der persönlichen Auseinandersetzung des Künstlers mit der abzubildenden Person und mit dem System vorausgesetzt hat. Natürlich agierten die Künstler und Künstlerinnen in dem reglementierten System DDR und stießen dabei an die von der SED gesetzten Grenzen. Künstlerisch gingen sie dabei unterschiedliche Wege, arbeiteten naturalistisch, expressiv, abstakt oder erschlossen sich neue Kunstformen. Aber sie ignorierten, reflektierten oder bekämpften damit Vorgaben und Strukturen, die sie als Künstler wie als Staatsbürger einschränkten und trugen so mit dazu bei, dass der SED-Staat 1989 am Ende war.
Die Bedingungen, unter denen Kunst in der DDR produziert wurde, unterschieden sich natürlich von den Voraussetzungen, die in der Bundesrepublik existierten. Kunst war von gesellschaftlicher und politischer Relevanz. Parteitage diskutierten und entschieden über ihr Wesen, Aufgaben und Ziele. Ihre Ausübung war reglementiert und die Ergebnisse wurde bewertet. Unter diesen Umständen Künstler zu sein hieß immer wieder in Auseinandersetzung mit dem System zu treten, eigene Ansichten und staatliche Vorgaben abzuwägen, um sich die Freiräume zu verschaffen. Sich permanent den staatlichen Vorgaben zu widersetzen konnte bedeuten, aus dem Kunstbetrieb ausgeschlossen zu werden, die Existenzgrundlage zu verlieren und in materiell ungesicherten Verhältnissen zu leben.
Nicht alle Künstler haben diesem Druck und dem ständigen Bemühen um Ausgleich Stand gehalten. Sie gaben 'offiziell' ihre Existenz als Künstler auf oder verließen die DDR, während andere weiterhin 'Staatskunst' produzierten.
Beispielhaft möchte ich hier nur an Lutz Friedel erinnern, der Anfang der 80er Jahre das Tryptichon 'Vom Untergang der Titanic' schuf. Nachdem sein Bild aus politischen Gründen aus einer Ausstellung entfernt wurde, war dies der Anlass für ihn, seine Ausreise aus der DDR zu beantragen. In der einjährigen Wartezeit malte Lutz Friedel zahlreiche Bilder mit dem Motiv der Flugzeuge über Berlin und Selbstporträts als Hofnarr.
Auch der Maler Ronald Paris musste sich 1961 für sein Triptychon „Dorffestspiele in Wartenberg“ von der SED-Führung kritisieren lassen, weil die Darstellung der Arbeiter nicht deren idealisierter Vorstellung entsprach. Das hielt ihn aber nicht davon ab 1962 das Kunstwerk 'Regenbogen über dem Marx-Engels Platz' zu schaffen und seiner Verluststimmung über den Bau der Mauer Ausdruck zu verleihen.
Das System forderte die Künstler heraus, doch auch diese forderten das System heraus. Darum war Erstellung eines Auftragskunstwerkes immer eine Gradwanderung. Viele Künstler waren gehalten 'staatlichen Vorgaben zu folgen', so wie es Christoph Hein formulierte: 'Aber sie konnten sich auch dem widersetzen, und viele von ihnen, die wirklichen Künstler taten es (und schufen) Bilder, die eine Hommage an die Freiheit sind... eine Freiheit, die sie sich täglich neu erobern mussten.'
Ich freue mich daher, die Ausstellung „Helden auf Zeit“ in diesem Haus eröffnen zu können und wünsche Ihnen interessante Betrachtungen und spannende Diskussionen.
Ich übergebe nun das Wort an den Präsidentes des Brandenburger Landtags, Herrn Gunter Fritsch.
Nochmals herzlich Willkommen im Abgeordnetenhaus.
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