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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa

Grußwort der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin Cornelia Seibeld zur Festveranstaltung "Die Revolution von 1848"

16.03.2023 18:30, Abgeordnetenhaus, Plenarsaal

Es ist mir eine große Freude meinen ersten offiziellen Termin als neue Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin mit Ihnen an einem so besonderen Jubiläum begehen zu dürfen.

Ich freue mich, Sie alle heute Abend hier im Abgeordnetenhaus zur Festveranstaltung „Die Revolution von 1848/49 und ihre Relevanz in der aktuellen Zeit“ begrüßen zu können.

Eine besondere Freude ist es für mich, dass wir für den Festvortrag den mehr als renommierten Historiker Christopher Clark gewinnen konnten, ein exzellenter Kenner der deutschen, aber auch der preußischen Geschichte. Ich denke, Sie sind genauso wie ich schon sehr gespannt auf seine Einordnung der revolutionären Ereignisse im 19. Jahrhundert mit dem Bezug auf die heutige Zeit. Seien Sie daher ganz herzlich willkommen, Prof. Clark. Schön, dass Sie da sind und dass Sie heute zu uns sprechen werden.

Meine Damen und Herren,

das 19. Jahrhundert ist durchaus ein Jahrhundert der Vielfalt gewesen. Das scheint mir eher unbekannt zu sein oder ignoriert zu werden, könnte aber schon bald durch das jüngst erschienene Buch „Die Flamme der Freiheit“ von Jörg Bong eine neue geschichtswissenschaftliche Aktualität mit Blick auf die Jahre 1848/1849 entfalten. Seine eher romanhafte Erzählung der handelnden Persönlichkeiten, die die revolutionären Ereignisse von 1848 in Deutschland vorantrieben, und die Einbettung der Aktivitäten in die politisch-soziale Kulisse der damaligen Zeit können den weiteren Forschungen zu den revolutionären Erhebungen durchaus neue Impulse geben wie mir scheint.

Es ist allseits bekannt: Durch die Französische Revolution 1789 erfolgte in vielen Ländern Europas eine Politisierung der Menschen, die es so noch nicht gab in den weitgehend noch ständisch organisierten Gesellschaften. So auch in den deutschen Ländern. Dazu trug ganz sicher auch die Aufklärung bei, die es kurz gesagt auf den Nenner brachte: Bediene Dich Deines eigenen Verstandes und nimm nicht alles als selbstverständlich hin. Die Philosophie – das scheint mir wichtig gewesen zu sein - trat also aus dem „Elfenbeinturm“ heraus, sollte praktisch werden, und helfen, die Welt anders einzurichten.

Diese Entwicklungen der zunehmenden Politisierung und die Neuausrichtung der Philosophie fielen gerade beim Bürgertum, das sich spätestens seit dem Vormärz um Emanzipation bemühte, auf fruchtbaren Boden. Und so fand neben der Politisierung vieler Einzelner auch eine ideologische Verortung statt, wenn es um die Frage ging: Wie sollte eigentlich eine neue Gegenwart und wie sollte die politisch-soziale Zukunft aussehen? Nur in einem waren sich nahezu alle einig: So wie es bisher ist, kann es nicht bleiben.

Kräfte der Veränderung, vor allem in den Städten, fassten unter diesen Bedingungen neuen Mut und etablierten eine Öffentlichkeit, die die Kräfte der Beharrung im Umfeld der vielen Fürsten- und Königshäuser zu unterdrücken suchten. Legendär steht dafür das Spitzelsystem des Fürsten Metternich, wenn man so will ein erster Geheimdienst des Deutschen Bundes, der das antimonarchistische Gedankengut verorten sollte, um es dann zu unterdrücken.

Und von diesem Gedankengut, das den herrschenden Adligen gefährlich wurde, gab es inzwischen reichlich. Die Demokraten setzen auf Freiheit und Gewaltenteilung , die Sozialisten wünschten sich eine Herrschaftsform der sozialen Gerechtigkeit, die Liberalen wollten alles freiheitlich modernisieren. Und die Anhänger der absoluten Monarchie verstanden die Welt nicht mehr. Wenn es überhaupt einen kleinsten gemeinsamen Nenner gab in diesen Zeiten des Umbruchs, dann war es die Absicht, der deutschen Vielstaaterei ein Ende zu bereiten.

Die Gesellschaften im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts formten sich also pluralistisch aus. Und so war auch die Revolution von 1848 kein Gemeinschaftsprojekt mit identischen Zielsetzungen. Dahinter standen ganz unterschiedliche Interessen, auch Lebensinteressen. Dies zeigte sich vor allem in der Art, wie der Protest sich formierte – einerseits als politisch-kultivierte Debatte im Rahmen eines gewählten Parlaments, wie etwa in der deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, und andererseits als Straßenkampf mit Barrikadenbau und Waffeneinsatz, wie zum Beispiel in Berlin.

Wenn wir heute den Blick zurück wagen ins Jahr 1848, dann tun wir das auch im Sinne einer Selbstvergewisserung. Es steht heute meines Erachtens außer Frage, dass die Geschehnisse rund um das Jahr 1848 geschichtliche Wegmarken waren. Die Fackel der Demokratisierung wurde damals entzündet. Die Entstehung der Arbeiter- und Frauenbewegung machten dies mehr als deutlich. Auch die Gründung politischer Parteien sowie die Entstehung einer breiten politischen Öffentlichkeit lassen sich als ein Signal der Demokratisierung deuten. Der Grundrechtekatalog, ebenso die Verfassung, die das Paulskirchen-Parlament in Frankfurt für ein geeintes Deutschland entwarf, wurden zu Meilensteinen für die demokratische und republikanische Architektur von Weimar und Bonn.

Wenn wir also verstehen wollen, wo wir heute stehen, dann müssen wir auch besonders auf die Revolution von 1848 blicken. Denn dort liegen die Wurzeln unser heutigen Demokratie.

Gleichzeitig dürfen wir aber eines nicht vergessen: Wir dürfen nicht vergessen, dass Demokraten in Deutschland bis 1918 politisch immer wieder stark angefeindet und verfolgt wurden, – eine Tradition, die 1933 wieder auf grausamste Weise durch die Nationalsozialisten auflebte. Und auch in der DDR-Diktatur gehörte die Gewalt gegen Demokraten zum Alltag. Die Lehre aus all dem kann nur sein: Unsere Toleranz gegenüber den Feinden der Demokratie muss deshalb gleich null sein. Auch das, so scheint mir, bleibt eine wichtige Erkenntnis aus 1848.

In diesem Sinne wünsche ich uns nun einen unterhaltsamen Abend.

Vielen Dank.