Gedenkworte des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland zum Tod des Berliner Ehrenbürgers Hans-Dietrich Genscher
14.04.2016 11:00, Plenarsaal
Ich habe eine traurige Pflicht zu erfüllen und möchte Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben. Der Berliner Ehrenbürger Hans-Dietrich Genscher ist tot. Er starb im Alter von 89 Jahren am 31. März 2016. Eine herausragende Persönlichkeit ist von uns gegangen. Hans-Dietrich Genscher prägte die Außenpolitik der Bundesrepublik 18 Jahre lang und hat so dazu beigetragen, dass großes Vertrauen in unser Land aufgebaut werden konnte. Den Weg zur deutschen Einheit hat er maßgeblich mitgestaltet. Auch Berlin hat von seiner Politik profitiert. Hans-Dietrich Genscher gehörte dem Bundestag von 1965 bis 1998 an. Unter den Kanzlern Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl wirkte der Liberale als Bundesminister – zunächst als Innenminister, dann von 1974 bis 1992 als Außenminister. Die meiste Zeit amtierte er als Vize-Kanzler. In die Geschichtsbücher ging Genscher schon zu Lebzeiten ein, da er entscheidend dazu beitrug, dass es zur deutschen Wiedervereinigung kam. Dass die Reformpolitik des sowjetischen Generalsekretärs Michail Gorbatschow eine Chance bot, die deutsche Teilung zu überwinden, erkannte er sofort. Und als die Mauer fiel, da versuchte er umgehend, mögliche Vorbehalte gegen die deutsche Einheit bei den Nachbarn, bei den USA und in der Sowjetunion abzubauen. Das ist ihm gelungen: Der Zwei-Plus-Vier-Vertrag mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs aus dem Jahr 1990 ist auch sein persönliches Werk. Unvergessen bleibt den Zeitzeugen, vor allem den Ostdeutschen, Genschers Auftritt 1989 in der Prager Botschaft der Bundesrepublik, als er den jubelnden DDR-Flüchtlingen im Garten zurief, dass sie nach Westdeutschland ausreisen dürften. Noch heute erzeugen die Bilder Gänsehaut. Genschers ganzes politisches Lebenswerk diente der menschlichen Freiheit. Hierzu passte auch sein geheimdiplomatischer Einsatz für den russischen Regimekritiker Michail Chodorkowskij, dessen Begnadigung er in Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Dezember 2013 erreichte. Ein großer Staatsmann und liberaler Geist, der seine politische Heimat in der F.D.P. fand, ist für immer von uns gegangen. Wir werden Hans-Dietrich Genscher nicht vergessen. Berlin verdankt ihm viel. Unsere Anteilnahme gilt Hans-Dietrich Genschers Ehefrau Barbara und seinen erwachsenen Kindern. Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben haben.