Gedenkworte des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland zum Tod der ehemaligen Bürgermeisterin und Senatorin Ingrid Stahmer
03.09.2020 10:00, Abgeordnetenhaus
Ich möchte Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben. Ich habe eine traurige Mitteilung zu machen. Am 30. August starb die ehemalige Berliner Senatorin und Abgeordnete Ingrid Stahmer plötzlich und unerwartet im Alter von 77 Jahren. Mit zweiundzwanzig Jahren trat Ingrid Stahmer in Charlottenburg in die SPD ein. Beruflich war sie im Bezirksamt Charlottenburg, später in der Senatsverwaltung für Jugend und Sport als Sozialarbeiterin tätig. Die Charlottenburger BVV wählte sie 1981 zur Stadträtin für Sozialwesen. Dieses Amt behielt sie bis 1989.
Unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper wurde Ingrid Stahmer 1989 im rot-grünen Senat Senatorin für Gesundheit und Soziales. Das Sozialressort behielt sie auch nach Bildung der Großen Koalition 1991. Zur Berlin-Wahl 1995 trat sie als Spitzenkandidatin der SPD an, verlor die Wahl jedoch gegen Eberhard Diepgen. Die Große Koalition wurde fortgesetzt und Ingrid Stahmer übernahm das Senatsressort für Schule, Jugend und Sport. 1999 schied sie aus dem Senat aus und beendete ihre politische Karriere.
Ingrid Stahmer engagierte sich aber weiterhin in der Berliner Gesellschaft, so im Flüchtlingsrat der Stadt. Vor allem blieb sie auch dem Abgeordnetenhaus sehr verbunden, übernahm 2002 den Vorsitz im Kuratorium zur Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille, die das Abgeordnetenhaus alljährlich verdienten Persönlichkeiten oder Institutionen verleiht, die dem politischen und persönlichen Vermächtnis Louise-Schroeders in herausragender Weise Rechnung tragen.
Die Begegnungen mit Ingrid Stahmer werden uns fehlen. Gerade die Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille war ihr ein besonderes Anliegen. Es war ihr wichtig, dass mutige Streiterinnen um Frauenrechte für ihr Engagement ausgezeichnet und gewürdigt werden. Trotz starker Beanspruchung in ihren politischen Ämtern blieb Ingrid Stahmer immer Mensch. Unnahbarkeit als Attitüde kannte sie nicht. Zu den Menschen gehen und für das Vertrauen in die Politik werben – diesen Ansatz lebte sie. Ingrid Stahmer war über viele Jahre das soziale Gewissen Berlins.
Wir werden sie nicht vergessen. Unsere Anteilnahme gehört ihrem Lebenspartner.
Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren von Ingrid Stahmer erhoben haben.