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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Erklärung der Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Cornelia Seibeld, vor Eintritt in die Tagesordnung zur Verhaftung von Ekrem İmamoğlu

27.03.2025 10:00, Abgeordnetenhaus, Plenarsaal

Mit großer Sorge über die jüngsten Ereignisse, blicken wir derzeit auf die Türkei. Noch vor wenigen Wochen, am       21. November 2024, war Ekrem İmamoğlu hier in Berlin bei uns im Abgeordnetenhaus zu Gast. Der Oberbürgermeister von Istanbul leitet neben der Stadtverwaltung auch das Stadtparlament. Während seines Besuches wurde seine tiefe Besorgnis über den aktuellen politischen Zustandes seines Landes deutlich. Im Gespräch betonte er sehr deutlich die große Bedeutung der deutsch-türkischen Freundschaft und die Wichtigkeit der Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Istanbul.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ekrem İmamoğlu sitzt seit nunmehr über einer Woche in Haft und wurde als Oberbürgermeister Istanbuls abgesetzt. Das erschüttert mich zutiefst. Für mich ist ganz klar: Ekrem İmamoğlu hat unsere volle Solidarität. Die Anschuldigungen gegen Ekrem İmamoğlu und seine Anhänger müssen schnell und transparent durch eine unabhängige Justiz geprüft und aufgeklärt werden. Und am allerwichtigsten: Ekrem İmamoğlu muss sofort aus der Haft entlassen werden.

Berlin ist seit vielen Jahrzehnten Heimat einer sehr diversen türkischen Community. Nach den Gezi-Protesten 2014 haben zahlreiche demokratische Türkinnen und Türken im weltoffenen und freiheitsliebenden Berlin eine neue Heimat gefunden. Sie sind seither wichtige Brückenbauer zwischen den Gesellschaften Deutschlands und der Türkei. Sie gehören zum Bild unserer Stadt und bereichern das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in Berlin. Diese engen Verflechtungen bilden das Fundament der mittlerweile seit 35 Jahren bestehenden Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Istanbul. Diese Verbindung ist nicht nur ein Symbol der Freundschaft, sondern auch Ausdruck gemeinsamer Werte.

Werte, die İmamoğlu in seiner Funktion als Bürgermeister und als Präsident des Istanbuler Stadtparlaments stets hochgehalten hat. Sein Einsatz für Transparenz, Bürgerbeteiligung und eine moderne Stadtentwicklung ist unbestreitbar. Der Umstand, dass İmamoğlu nur wenige Tage vor seiner geplanten Wahl  zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei zusammen mit weiteren 100 Personen verhaftet wurde, bedrückt mich.

Demokratie ist nicht nur ein politisches System, sie ist ein Weltbild. Sie basiert auf den Prinzipien der Volkssouveränität, der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit. In einer parlamentarischen Demokratie, sind freie Wahlen, unabhängige Gerichte, eine pluralistische Gesellschaft und die Wahrung der Menschen- und Grundrechte, unverhandelbare Grundpfeiler. Die Verhaftung von İmamoğlu zeigt, dass diese fundamentalen demokratischen Prinzipien in der Türkei zunehmend in Gefahr sind.

Der Regierende Bürgermeister hat seine geplante Reise nach Istanbul gestern abgesagt. Nach sorgfältiger Abwägung, bin auch ich zu dem Ergebnis gekommen, meine Reise nach Istanbul, bei der auch ein Treffen mit Ekrem İmamoğlu sowie vielen deutschen und türkischen Politikern geplant war, abzusagen.

Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, die Städtepartnerschaft Berlin-Istanbul zu begehen, während der oberste demokratisch gewählte Repräsentant ein paar Kilometer weiter im Gefängnis sitzt. Ich hoffe inständig, dass das Treffen alsbald nachgeholt werden kann.

Die aktuellen Entwicklungen sind auch eine Mahnung - sie führen uns eindrücklich vor Augen, dass  auch unsere freiheitlich demokratische Grundordnung keine Selbstverständlichkeit ist. Sie mahnen uns, wie fragil rechtsstaatliche Strukturen sein können und wie wichtig es ist, für ihre Bewahrung zu kämpfen und verantwortlich einzustehen – jeden Tag!

Vielen Dank.