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Blick in den Plenarsaal und hauptsächlich die Flaggen für Deutschland, Berlin und Europa
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Ansprache des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin Ralf Wieland bei der Hauptstadtrede des Breslauer Stadtpräsidenten Rafał Dutkiewicz

05.06.2013 19:00, Festsaal

- Es gilt das gesprochene Wort - Seien Sie alle herzlich begrüßt im Festsaal des Abgeordnetenhauses von Berlin! Vor knapp zwei Wochen veröffentlichte eine große Berliner Tageszeitung einen begeisterten Artikel unter der Überschrift „Berliner, schaut auf diese Stadt!“ In Anlehnung an das Ihnen allen bekannte und berühmte Zitat. Der Autor meinte Breslau, ein Breslau, das insbesondere in der Zeit, in der Sie, sehr geehrter Herr Dutkiewicz, als Stadtpräsident wirken, einen atemberaubenden Aufschwung genommen hat und zu neuer kultureller Blüte gelangt ist. So wurde die vor fast genau hundert Jahren, nämlich am 20. Mai 1913, auf dem Messegelände eröffnete Jahrhunderthalle im Jahr 2006 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Und auch an einer anderen Stelle haben Sie Großes geplant. Eine von Hans Scharoun und anderen namhaften Architekten gebaute Werkbundsiedlung soll vollständig restauriert werden, eine zweite  nach den heutigen Vorstellungen entstehen. Die Stadt wird herausgeputzt, denn 2016 ist sie europäische Kulturhauptstadt und darauf können Sie auch  persönlich sehr stolz sein. Breslau ist eine junge, lebendige Metropole, deren Bewohner mit großem Interesse die Vergangenheit der Stadt aufspüren. Und dabei die gemeinsamen Wurzeln ihrer Geschichte entdecken. Zu Deutschland hat man ein besonderes Verhältnis. In der Stadt  wird an zahlreichen Schulen Deutsch mit besonderem Schwerpunkt unterrichtet. Der Germanistik-Fachbereich an der Universität Breslau ist der größte in ganz Polen. Seit 2002 besteht das renommierte Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien an der Universität Breslau. Nicht von ungefähr ist  Breslau 2011 für diese und andere Verdienste  mit dem deutsch-polnischen Preis des Auswärtigen  Amtes ausgezeichnet  worden. Breslau ist mit einem Wirtschaftswachstum von über zwölf Prozent die dynamischste Stadt  in Polen. Das hat zur Folge,  dass sich immer mehr internationale Unternehmen hier ansiedeln. Auch Unternehmen aus Deutschland haben die Stadt längst als attraktiven Standort entdeckt. Nicht ohne Grund wird die Region Breslau als das „Silicon Valley“ Polens bezeichnet. Ebenso  für die grenznahen Bundesländer hat die Kooperation mit der niederschlesischen Metropole hohe Priorität.  Ich freue mich sehr, den Stadtpräsidenten von Breslau, Herrn Rafał Dutkiewicz, mit dem heutigen Vortrag bei uns zu wissen. Und ich danke der Stiftung Zukunft Berlin dafür, dass sie zum zweiten Mal in ihrer Reihe „Nachbarn in Europa“ zusammen mit dem Abgeordnetenhaus und der Botschaft der Republik Polen einen so interessanten Redner  aus unserem Nachbarland gewinnen konnte. Unser heutiger Ehrengast ist nicht nur Mathematiker und Doktor der Philosophischen Wissenschaften, er hat Radio Eska mitbegründet und war eng verbunden mit dem Bürgerkomitee „Solidarnosc“, dessen Vorsitzender er 1990 in Breslau wurde. Als unabhängiger Kandidat bei der Wahl zum Stadtpräsidenten 2006 erhielt er 84,53 % der Stimmen bereits im 1. Wahlgang. 2010 wurde er mit über 71 % wiedergewählt. In seiner neuesten Ausgabe ist bei  NEWSWEEK ein Ranking der besten Bürgermeister Polens nachzulesen.  Außer Konkurrenz wird da der Breslauer Oberbürgermeister, unser heutiger Gast, geführt als „Superbürgermeister der Superstadt“. Bewertet wurden die Fähigkeiten, EU-Fördergelder zu erhalten und Investoren anzuziehen und Leistungen in der Finanzpolitik sowie in den Bereichen Kultur, Gesundheit und Transportwesen. Mehr Lob kann einem Politiker wohl nicht zuteil werden. Zu diesen herausragenden Werten  gratuliere ich Ihnen sehr herzlich. Berlin ist ganz nahe bei Polen, sowohl geografisch wie auch geschichtlich. Deutsche und Polen lebten über mehrere Jahrhunderte in guter Nachbarschaft. Es gab aber auch Zeiten, wo man  als Nachbarn Krieg führte, Preußen die polnische Bevölkerung unterdrückte und mit dafür sorgte, dass Polen für mehr als 100 Jahre  von der Landkarte Europas verschwand. Der deutsche Überfall auf Polen durch die Nationalsozialisten und damit der Beginn des 2. Weltkrieges im letzten Jahrhundert war wohl einer der dunkelsten Punkte dieser gemeinsamen Geschichte. Was man nach 1945 für unmöglich hielt, ist heute fast schon eine Selbstverständlichkeit: Das polnische und das deutsche Volk leben friedlich zusammen ohne trennende Grenzen in einem geeinten Europa. Wir Deutsche schätzen uns glücklich, dass wir heute ausgesöhnt mit unseren Nachbarn leben und  arbeiten, planen und uns austauschen können. Der Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970, dieser wahrlich historische Vertrag, stand am Beginn der Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen. Willy Brandt, dessen 100. Geburtstag wir in diesem Jahr noch begehen werden, ist es zu verdanken, dass Deutschland mit Polen vor 40 Jahren wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Im Zweiten Weltkrieg sind 5 Millionen Polen darunter 3 Millionen polnische Juden  umgekommen. Nach dem Kriegsende folgte die nächste Katastrophe: Millionen Polen und Deutsche wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 gibt es nun endlich eine wirklich gemeinsame Zukunft für unsere beiden Länder. Wir Deutsche sind unendlich dankbar für das Vertrauen, das zwischen unseren Völkern wieder  gewachsen ist. Der Nachbarschaftsvertrag zwischen Polen und Deutschland von 1991 schuf eine neue Grundlage für eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Aber nicht nur auf der großen europäischen Bühne und zwischen den Regierungen, auch in den Beziehungen der Städte wie Berlin und Breslau zeigt sich die gemeinsame Verantwortung für Frieden und Verständigung. Wir freuen uns ganz besonders, dass es einen regen Austausch zwischen dem Abgeordnetenhaus von Berlin und Breslau gibt. Der Austausch zwischen dem Abgeordnetenhaus und Breslau begann bereits in der letzten Legislaturperiode. Im September 2012 reisten  Berliner Abgeordnete in Ihre Stadt. Wir waren sehr beeindruckt von dem Wirtschafts- und Wissenschaftszentrum im Dreiländereck  von Deutschland, der Tschechischen Republik und Polen. Breslau kann auf eine lange akademische  Tradition zurückblicken. Das Cluster Breslau selbst erstreckt sich auf über 2000 Quadratkilometer in einer Region, in der mehr als eine Million Menschen leben. Neben dem Einblick in Wirtschaft und Wissenschaft haben wir uns auch über die Wiederherstellung und Sanierung der Altstadt informiert. Und es stimmt: Breslau ist eine „Blume Europas“. Sehr geehrte Gäste, ich freue mich, hier  Volker Hassemer zu begrüßen, jetzt tätig für die Stiftung Zukunft Berlin, früher uns allen bekannt als Senator und immer als engagierter Streiter für Berlin. Volker Hassemer will „Europa eine Seele geben“ und da sind die Hauptstadtreden unserer polnischen Nachbarn genau das, wovon unsere Stadt gut profitieren kann. Wie ist heute unser Blick auf Polen? Ihr Land, sehr geehrter Herr Dutkiewicz, ist eine der Boom-Regionen in der Europäischen Union. Die engen Beziehungen zwischen Polen und Deutschen kann ich mit Fug und Recht als wirkliche Erfolgsstory bezeichnen. Ich möchte einige wenige Beispiele nennen, die mir auch besonders am Herzen liegen: So  gibt es  über 600 deutsch-polnische Partnerschaften von Städten, Regionen, Landkreisen und Gemeinden.  Und das deutsch-polnische Jugendwerk hat seit seiner Gründung 1991 die Begegnung  von über 2 Millionen Schülern aus beiden Ländern ermöglicht.  Es gibt gemeinsame Nationalparks und natürlich die Viadrina-Universität in Frankfurt -Oder.  In den letzten über zwei Jahrzehnten ist so ein Baustein nach dem anderen hinzu gekommen und das alles in unglaublich schneller Zeit. Als weiteres  Stichwort sei hier die Oder-Partnerschaft genannt. Ein Höhepunkt der deutsch-polnischen Begegnung war ohne Zweifel die große Ausstellung im Martin-Gropius-Bau vor zwei Jahren. Unter dem Titel „Tür an Tür. Polen-Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte“ begeisterte eine der größten Ausstellungen, die es jemals zum Thema Deutschland und Polen gegeben hat. Das spielte sich direkt vor unserer Haustür ab. Wir stellten als  Abgeordnetenhaus für die Eröffnungsveranstaltung gern den Plenarsaal zur Verfügung, weil das Interesse der  Berliner Öffentlichkeit sehr groß war. Wenn heute die Stadt Wroslaw sich zu ihrer deutschen, zu ihrer Breslauer Geschichte bekennt, sie wieder sichtbar macht und zeigt und im positiven Sinn „vermarktet“, dann ist das für mich der Beweis, was die europäische Einigung bewirken kann. Es ist der Beweis, dass das polnische Volk in Frieden, Freiheit und dauerhafter Sicherheit uns nicht nur zur Versöhnung die Hand gereicht hat, sondern in verantwortungsvoller Weise dieses geschichtliche Erbe angenommen hat. Wir Deutschen sind Ihnen dafür unendlich dankbar. Ich darf das Wort nun an Volker Hassemer für die Stiftung Zukunft Berlin abgeben. Und ich freue mich auf Ihre Hauptstadtrede, sehr geehrter Herr Dutkiewicz!