Gedenkworte für Richard von Weizsäcker
In der heutigen Plenarsitzung sprach Präsident Ralf Wieland Gedenkworte für Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der am 31. Januar 94-jährig starb. Richard von Weizsäcker war von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin, seit Ende Juni 1990 auch Ehrenbürger der Stadt Berlin. Die kurze Ansprache des Parlamentspräsidenten Ralf Wieland nahm Bezug auf sein Berlin-Engagement.
Die Gedenkworte im Textlaut:
"In der letzten Woche haben wir uns von Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit einem Staatsakt im Berliner Dom verabschiedet. Sein Leben, sein Wirken wurden in den letzten Tagen und Wochen hinreichend gewürdigt. Ich möchte daher heute unseren Blick auf den Berliner Politiker Richard von Weizsäcker lenken.
Richard von Weizsäcker hat Bedeutendes für Berlin geleistet. Auch wenn er in Stuttgart geboren wurde und viele Jahrzehnte im Westen Deutschlands lebte – er war ein Sohn dieser Stadt. Berlin war ihm ans Herz gewachsen. Das rührte aus seinen Kindheitstagen her, die er in Berlin verbracht hatte. Sie schufen eine emotionale Verbindung zu den Menschen und zu ihrer Stadt, die Richard von Weizsäcker zeit seines
Lebens bewahrte. Das brachte ihm freilich so manchen Ärger ein. Aber er blieb standhaft.
Es war diese frühe Berliner Prägung gewesen, die Richard von Weizsäcker in den 1970er Jahren zu einem Befürworter der Ost- und Deutschlandpolitik Willy Brandts hatte werden lassen. Er stellte sich damit quer zur eigenen Partei und Fraktion im Deutschen Bundestag, der er seit 1969 angehörte. Und auch wenn sich Richard von Weizsäcker bei der Abstimmung über die Ostverträge und den Grundlagenvertrag enthielt, den Kurs eines „Wandels durch Annäherung“ - den trug er aus Überzeugung mit.
Verantwortlich dafür war seine durch und durch religiöse Einstellung. Die neue Entspannungspolitik entsprach dem Christenmenschen Richard von Weizsäcker sehr wohl. Es ging ihm nicht nur um die Aufhebung der deutschen Teilung. Das natürlich auch. Er wollte, dass die Menschen in Ost und West wieder in Kontakt treten konnten. Und das hieß für ihn, „den Menschen die Leiden und Lasten der Teilung zu erleichtern“, wie er in seinen Erinnerungen schrieb.
Insofern war es keine wirkliche Überraschung, dass Richard von Weizsäcker 1983 als Regierender Bürgermeister Erich Honecker in Ost-
Berlin besuchte. Es ging von Weizsäcker um spürbare Verbesserungen im Reise- und Besuchsverkehr
zwischen beiden Stadthälften. Gleichwohl: Die Kritik an diesem Treffen war heftig, befürchteten doch viele, dass mit diesem Schritt der Status von West-Berlin infrage gestellt werden könnte. Noch nie zuvor war ein Regierender Bürgermeister direkt mit dem Generalsekretär der SED zusammen gekommen.
Um nicht „die zarte Pflanze der Entspannung vertrocknen zu lassen“, wie Richard von Weizsäcker sagte, folgte er ebenfalls im Jahre 1983 einer kirchlichen Einladung nach Wittenberg. Dort wurde der 500. Luther-Geburtstag gefeiert. Richard von Weizsäcker reiste nicht in seiner Funktion als Regierender Bürgermeister in die Lutherstadt, sondern als Kirchenvertreter. Zehntausende Deutsche aus der DDR waren auf dem Marktplatz dort in Wittenberg versammelt und Richard von Weizsäcker konnte eine Ansprache halten.
Die Entspannungspolitik sowie die Überwindung der Teilung blieb eines seiner primären politischen Anliegen. Für ihn war die deutsche Frage offen, solange das Brandenburger Tor geschlossen blieb. Dass er – schon als Bundespräsident – dann die Öffnung der Mauer und die Wiedervereinigung mit erlebte, war die Bestätigung für die Folgerichtigkeit der Entspannungspolitik.
Wie kein anderer Politiker besaß Richard von Weizsäcker die Gabe der Rede. Legendär ist seine Rede zum 40. Jahrestages des 8. Mai 1945. Für uns Berlinerinnen und Berliner bleibt auch seine Rede zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde unvergessen, die er im Juni 1990 in der Nikolaikirche hielt.
Diese Rede war ein Bekenntnis zu Berlin – zur Stadt wie zur Hauptstadt Berlin eines vereinten Deutschlands. Er sprach als Bundespräsident und er war sich bewusst, dass er mit dieser Rede sehr weit ging. Die politische Diskussion um die künftige deutsche Hauptstadt hatte noch nicht so richtig begonnen, da gab er als Staatsoberhaupt die Richtung vor: Berlin sollte es werden. Die Geschichte gab ihm auch in dieser Frage Recht, wie sich ein Jahr später zeigte.
Zeitzeugen sprechen davon, dass es eine Rede war, die den Zuhörerinnen und Zuhörern aus dem Herzen sprach und Standing Ovation auslöste.
„In Berlin haben wir, wie nirgends sonst, erfahren, was die Teilung bedeutet. In Berlin erkennen wir, wie nirgends sonst, was die Vereinigung von uns erfordert.
Hier ist der Platz für die politisch verantwortliche Führung Deutschlands.“
So Richard von Weizsäcker damals.
Wir verneigen uns nun vor einem großen Deutschen und „Berliner“, der – wie Ernst Reuter oder Willy Brandt - immer an unserer Seite stand.
Dass wir heue als Gesamtberliner Parlament demokratisch zusammenarbeiten können, haben wir auch dem politischen Wirken von Richard von Weizsäcker zu verdanken. Wir werden es nicht vergessen."
Die Gedenkworte im Textlaut:
"In der letzten Woche haben wir uns von Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit einem Staatsakt im Berliner Dom verabschiedet. Sein Leben, sein Wirken wurden in den letzten Tagen und Wochen hinreichend gewürdigt. Ich möchte daher heute unseren Blick auf den Berliner Politiker Richard von Weizsäcker lenken.
Richard von Weizsäcker hat Bedeutendes für Berlin geleistet. Auch wenn er in Stuttgart geboren wurde und viele Jahrzehnte im Westen Deutschlands lebte – er war ein Sohn dieser Stadt. Berlin war ihm ans Herz gewachsen. Das rührte aus seinen Kindheitstagen her, die er in Berlin verbracht hatte. Sie schufen eine emotionale Verbindung zu den Menschen und zu ihrer Stadt, die Richard von Weizsäcker zeit seines
Lebens bewahrte. Das brachte ihm freilich so manchen Ärger ein. Aber er blieb standhaft.
Es war diese frühe Berliner Prägung gewesen, die Richard von Weizsäcker in den 1970er Jahren zu einem Befürworter der Ost- und Deutschlandpolitik Willy Brandts hatte werden lassen. Er stellte sich damit quer zur eigenen Partei und Fraktion im Deutschen Bundestag, der er seit 1969 angehörte. Und auch wenn sich Richard von Weizsäcker bei der Abstimmung über die Ostverträge und den Grundlagenvertrag enthielt, den Kurs eines „Wandels durch Annäherung“ - den trug er aus Überzeugung mit.
Verantwortlich dafür war seine durch und durch religiöse Einstellung. Die neue Entspannungspolitik entsprach dem Christenmenschen Richard von Weizsäcker sehr wohl. Es ging ihm nicht nur um die Aufhebung der deutschen Teilung. Das natürlich auch. Er wollte, dass die Menschen in Ost und West wieder in Kontakt treten konnten. Und das hieß für ihn, „den Menschen die Leiden und Lasten der Teilung zu erleichtern“, wie er in seinen Erinnerungen schrieb.
Insofern war es keine wirkliche Überraschung, dass Richard von Weizsäcker 1983 als Regierender Bürgermeister Erich Honecker in Ost-
Berlin besuchte. Es ging von Weizsäcker um spürbare Verbesserungen im Reise- und Besuchsverkehr
zwischen beiden Stadthälften. Gleichwohl: Die Kritik an diesem Treffen war heftig, befürchteten doch viele, dass mit diesem Schritt der Status von West-Berlin infrage gestellt werden könnte. Noch nie zuvor war ein Regierender Bürgermeister direkt mit dem Generalsekretär der SED zusammen gekommen.
Um nicht „die zarte Pflanze der Entspannung vertrocknen zu lassen“, wie Richard von Weizsäcker sagte, folgte er ebenfalls im Jahre 1983 einer kirchlichen Einladung nach Wittenberg. Dort wurde der 500. Luther-Geburtstag gefeiert. Richard von Weizsäcker reiste nicht in seiner Funktion als Regierender Bürgermeister in die Lutherstadt, sondern als Kirchenvertreter. Zehntausende Deutsche aus der DDR waren auf dem Marktplatz dort in Wittenberg versammelt und Richard von Weizsäcker konnte eine Ansprache halten.
Die Entspannungspolitik sowie die Überwindung der Teilung blieb eines seiner primären politischen Anliegen. Für ihn war die deutsche Frage offen, solange das Brandenburger Tor geschlossen blieb. Dass er – schon als Bundespräsident – dann die Öffnung der Mauer und die Wiedervereinigung mit erlebte, war die Bestätigung für die Folgerichtigkeit der Entspannungspolitik.
Wie kein anderer Politiker besaß Richard von Weizsäcker die Gabe der Rede. Legendär ist seine Rede zum 40. Jahrestages des 8. Mai 1945. Für uns Berlinerinnen und Berliner bleibt auch seine Rede zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde unvergessen, die er im Juni 1990 in der Nikolaikirche hielt.
Diese Rede war ein Bekenntnis zu Berlin – zur Stadt wie zur Hauptstadt Berlin eines vereinten Deutschlands. Er sprach als Bundespräsident und er war sich bewusst, dass er mit dieser Rede sehr weit ging. Die politische Diskussion um die künftige deutsche Hauptstadt hatte noch nicht so richtig begonnen, da gab er als Staatsoberhaupt die Richtung vor: Berlin sollte es werden. Die Geschichte gab ihm auch in dieser Frage Recht, wie sich ein Jahr später zeigte.
Zeitzeugen sprechen davon, dass es eine Rede war, die den Zuhörerinnen und Zuhörern aus dem Herzen sprach und Standing Ovation auslöste.
„In Berlin haben wir, wie nirgends sonst, erfahren, was die Teilung bedeutet. In Berlin erkennen wir, wie nirgends sonst, was die Vereinigung von uns erfordert.
Hier ist der Platz für die politisch verantwortliche Führung Deutschlands.“
So Richard von Weizsäcker damals.
Wir verneigen uns nun vor einem großen Deutschen und „Berliner“, der – wie Ernst Reuter oder Willy Brandt - immer an unserer Seite stand.
Dass wir heue als Gesamtberliner Parlament demokratisch zusammenarbeiten können, haben wir auch dem politischen Wirken von Richard von Weizsäcker zu verdanken. Wir werden es nicht vergessen."