Mitteilung – zur Kenntnisnahme –
Drucksache 15/2087
Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:
Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 30. Oktober 2003
folgendes beschlossen:
Der Senat wird aufgefordert, sich bei den Verhandlungen im Bundesrat
zur Reform der Kommunalfinanzierung für eine Modernisierung der Gewerbesteuer
einzusetzen.
Die Gewerbesteuer soll auf alle Selbständigen im Sinne von § 18 EStG
ausgedehnt und in ihrer Bemessungsgrundlage erweitert werden, so dass
kommunales Steueraufkommen wieder auf dem 1999/2000 bereits einmal erreichten
Niveau stabilisiert wird.
Darüber hinaus wird der Senat aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis
30.11.2003 über den Fortgang der Verhandlungen zur Reform der Kommunalfinanzen
und die Positionsfindung der Länder insbesondere hinsichtlich folgender
Optionen einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und von Kompensationen für
die Steuerpflichtigen zu berichten:
·
Volle
Hinzurechnung aller Zinsen sowie eines pauschalierten Finanzierungsanteils
aller Mieten, Pachten und Leasingraten zum Gewerbeertrag bei Gewährung eines
Freibetrags für Zinsen etc.;
·
Hinzurechnung
von Veräußerungsgewinnen zum Gewerbeertrag auch bei Personenunternehmen;
·
Abschaffung
der gewerbesteuerlichen Organschaft;
·
Zielgenauere
Ausgestaltung der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen;
·
Rechtsformunabhängige
Anhebung des Steuerfreibetrags auf 25.000 Euro, der bis zu einem Gewerbeertrag
von 50.000 Euro abgeschmolzen wird;
·
Senkung
der Steuermesszahlen und deren maßvolle Staffelung zwischen Personen- und
Kapitalgesellschaften; Beibehaltung der Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG.
Hierzu wird
berichtet:
Vorab weist der Senat darauf hin, dass er die Zielrichtung des o.a. Antrags unterstützt, durch eine Modernisierung der Gewerbesteuer zu einer Stabilisierung des kommunalen Steueraufkommens beizutragen. Der Senat wird sich daher im Vermittlungsverfahren zum Gesetz zur Reform der Gewerbesteuer für eine deutliche Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, insbesondere auch durch eine Einbeziehung der freiberuflich Tätigen, einsetzen.
Zum
Diskussionsstand weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Bundesregierung hatte ursprünglich einen Gesetzentwurf für eine „neue“ Gewerbesteuer mit dem Namen Gemeindewirtschaftssteuer mit folgenden wichtigen Elementen beschlossen:
·
(weitgehender)
Entfall der Hinzurechnungen und Kürzungen;
·
Einbeziehung
der Freiberufler;
·
Abschaffung
des Staffeltarifs;
·
Anhebung
des Freibetrags auf 25.000 € und gleitender Abbau des Freibetrags bei Betriebserträgen
von 25.000 € bis 50.000 €;
·
Kein
Abzug der Gemeindewirtschaftssteuer als Betriebsausgabe;
·
Einheitliche
Steuermesszahl i.H.v. 3%;
·
Erhöhung
des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer (von 2,2% auf 3,6%).
Dieser Gesetzentwurf wich von den Vorschlägen des in der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen diskutierten Modells der Kommunalen Spitzenverbände (Einbeziehung der Freiberufler, Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch versch. Hinzurechnungen) insbesondere insoweit ab, als er auf Hinzurechnungen und Kürzungen („substanzbesteuernde“ Elemente) verzichtete, also weitgehend den Gewinn des Unternehmens als Besteuerungsgrundlage heranzog.
Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung ist zum Teil auf heftige Kritik gestoßen und wurde im Rahmen
der Behandlung in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages noch deutlich
verändert. Der Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages vom 17.10.2003
enthält gegenüber dem Gesetzentwurf folgende wichtige Modifikationen:
· Einführung einer einheitlichen Steuermesszahl von 3,2 % mit Ausnahme einer besonderen Eingangszone mit halber Messzahl (1,6 %) von 25.000 bis 35.000 € Gewerbeertrag bei natürlichen Personen und Personenunternehmen.
· Verzicht auf die Abschmelzung des allgemeinen Freibetrags von 25.000 €.
·
Hinzurechnung
der hälftigen Dauerschuldzinsen (wie im bisherigen GewStG).
· Hinzurechnung der vollen Schuldzinsen, die an Gesellschafter oder ihnen nahestehende Personen gezahlt werden.
·
Anders
als im Regierungsentwurf vorgesehen, wird das Steuermehraufkommen den Städten
und Gemeinden vollständig bei der Gemeindewirtschaftsteuer entstehen. Dazu ist
auch eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage vorgesehen, die sicherstellt, dass
ein Großteil der finanziellen Entlastung der Kommunen wirklich schon vom
Jahresbeginn 2004 an wirksam wird.
·
Auf
die im Regierungsentwurf vorgesehene Anhebung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer
wird daher verzichtet.
Hierdurch nähert sich dieser Gesetzesbeschluss über eine Gemeindewirtschaftssteuer dem ursprünglich diskutierten Kommunalmodell an. Damit wurde der Kritik von Seiten der Kommunen, der SPD-Bundestagsfraktion, aber auch von A-Ländern an dem Gesetzesvorschlag der Bundesregierung („Gewinnmodell“) Rechnung getragen. Der Gesetzesbeschluss wird allerdings von der Opposition, insbesondere wegen Einbeziehung der Freiberufler und der Besteuerung ertragsunabhängiger Elemente (wieder eingeführte Hinzurechnungen) weiterhin abgelehnt. Ob eine Kompromisslinie mit den B-Ländern gefunden werden kann, kann der Senat noch nicht endgültig einschätzen.
Zu den
einzelnen im Abgeordnetenhausbeschluss konkret genannten Maßnahmen zur Verbreiterung
der Bemessungsgrundlage und zur Kompensation sowie zur Einbeziehung der
Selbständigen teilt der Senat Folgendes mit:
Die Einbeziehung der Selbständigen in die Gewerbesteuer, wie sie im Gesetzesbeschluss vorgesehen ist, wird vom Senat als Maßnahme zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage unterstützt. Die "Anrechnungs"-Möglichkeiten der Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuer (für Personengesellschaften und Einzelunternehmer) erscheinen angemessen. Bis zu einem Hebesatz von ca. 380 findet eine Neutralisation der Gemeindewirtschaftssteuer durch die Steuerermäßigung gem. § 35 EStG statt.
In Berlin
(Hebesatz 410) dürfte es damit nur zu sehr moderaten Mehrbelastungen für bisher
nicht von der Gewerbesteuer betroffene Freiberufler kommen.
Die volle
Hinzurechnung der Zinsen sowie eines pauschalierten Finanzierungsanteils aller
Mieten, Pachten und Leasingraten zum Gewerbeertrag bei Gewährung eines
Freibetrags für Zinsen, wie es noch im Kommunalmodell vorgesehen war, ist wegen
der dagegen vorgetragenen Kritik (Stichwort: Substanzbesteuerung) im Gesetzesbeschluss
nicht mehr enthalten. Stattdessen bleiben bisherige Hinzurechnungtatbestände
(z.B. Hälfte der Dauerschuldzinsen, 50% der Miet- und Pachtzinsen) erhalten.
Darüber hinaus erfolgt eine volle Hinzurechnung von Vergütungen für Fremdkapitalüberlassung
durch Gesellschafter, Mitunternehmer und die ihnen sowie einem
Einzelunternehmer nahe stehenden Personen. Damit soll verhindert werden, dass
die Gesellschafterfremdfinanzierung als Gestaltung zur Minderung der
Gemeindewirtschaftssteuer genutzt wird, indem die Gesellschaft anstelle von
Eigenkapital das Fremdkapital der Gesellschafter nutzt und die hierfür gezahlten
Zinsen als Betriebsausgabe absetzt.
Der Gesetzesbeschluss sieht eine Erweiterung des Steuergegenstandes durch Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile vor, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören. Ferner ist die Einbeziehung der Aufgabe- oder Veräußerungsgewinne eines Betriebes vorgesehen, die im Zusammenhang mit der grundsätzlich nicht gemeindewirtschaftsteuerpflichtigen Betriebsverpachtung im Ganzen ohne Aufgabeerklärung beim Verpächter steht. Der Senat hält diese Maßnahmen zur Vermeidung von Umgehungsgestaltungen für sachgerecht und notwendig.
Eine
Abschaffung der gewerbesteuerlichen Organschaft wäre rechtlich äußerst
problematisch und von den Aufkommensauswirkungen auf die einzelnen Gemeinden
her nur schwer einschätzbar gewesen. Deshalb wurde auf die Abschaffung
verzichtet. Allerdings erfolgt eine zu Mehraufkommen führende Modifizierung der
Einbeziehung der Organschaftsverhältnisse in die Gemeindewirtschaftssteuer.
Eine
zielgenauere Ausgestaltung der erweiterten Kürzungen für Grundstücksunternehmen
sieht der Gesetzesbeschluss vor. Künftig wird z.B. durch eine entsprechende
Formulierung vermieden, dass die Kürzung auch dann in Anspruch genommen werden
kann, wenn die Grundstücke von der Grundsteuer befreit sind.
Der Freibetrag für Personengesellschaften und natürliche Personen betrug bislang 24.500 €. Der Freibetrag soll künftig auf 25.000 € angehoben werden. Auf das ursprünglich geplante Abschmelzen des Freibetrages bis zu einem Gewerbeertrag von 50.000 € wird im Gesetzesbeschluss verzichtet. Die Maßnahme trägt zur Schonung kleiner und mittlerer Unternehmen bei.
Die Steuermesszahl bewegt sich nach bisherigem Gewerbesteuerrecht für Gewerbebetriebe natürlicher Personen und Personengesellschaften zwischen 1% und 5%. Für alle übrigen Gewerbebetriebe (z. B. Kapitalgesellschaften) betrug die Steuermesszahl stets 5 %. Wegen der vorgenommenen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gemeindewirtschaftssteuer wird die Steuermesszahl auf einheitlich 3,2 % festgelegt. Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften wird jedoch für die ersten 10.000 € Ertrag, die über dem Freibetrag liegen, eine auf 1,6% ermäßigte Steuermesszahl eingeführt, um einen gewissen Ausgleich für den Wegfall des Staffeltarifs für ertragsschwächere Unternehmen zu schaffen.
Bei Personenunternehmen soll die Gemeindewirtschaftssteuer, ebenso wie die bisherige Gewerbesteuer, auf die Einkommensteuer „angerechnet“ werden (§ 35 EStG). Die Tarifermäßigung beträgt künftig das 3,8fache des Steuermessbetrags (bisher des 1,8fachen), wird aber zur Vermeidung von Überkompensationen auf die tatsächliche Belastung an Gemeindewirtschaftssteuer beschränkt. Die Anrechnungsmöglichkeiten der Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuer (für Personengesellschaften und Einzelunternehmer) erscheinen angemessen. Bis zu einem Hebesatz von ca. 380 findet, wie oben bereits erwähnt, eine Neutralisation der Gemeindewirtschaftssteuer statt. Die Begrenzung auf die tatsächliche Belastung mit Gemeindewirtschaftssteuer begrüßt der Senat, weil es bisher zu Überkom-pensationen kommen konnte.
Die Wirkungen des Gesetzesbeschlusses auf die Betriebe schätzt der Senat allgemein wie folgt ein:
Kapitalgesellschaften (und ertragsstarke Perso-nenunternehmen) profitieren von der Senkung der Steuermesszahl auf einheitlich 3,2%. Andererseits erhöht sich die Bemessungsgrundlage für die Gemeindewirtschaftssteuer, die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag wegen des mangelnden Betriebsausgabenabzugs deutlich, was sich gerade bei diesen Gesellschaften stark belastend auswirkt.
Der Belastung von kleinen (ertragsschwachen) Unternehmen durch die Hinzurechnungen und den Wegfall des Staffeltarifs wird durch den Wegfall der Abschmelzung des Freibetrages von 25.000 € und die Einführung einer besonderen Eingangszone mit halber Messzahl (1,6) für Betriebserträge zwischen 25.000 € und 35.000 € Rechnung getragen.
Die vom
Bundesministerium der Finanzen geschätzten finanziellen Auswirkungen des
Gesetzesbeschlusses insgesamt und die bei SenFin hieraus berechneten
Auswirkungen für Berlin ergeben sich aus den nachstehenden Übersichten:
Gesetzentwurf zur Reform der Gewerbesteuer
1 |
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|
Berlin |
|
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2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
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- Mio. € - |
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a) |
Direkte Wirkungen bei Steuereinnahmen |
19 |
57 |
66 |
80 |
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b) |
Rückführung Gewerbesteuerumlage |
30 |
32 |
32 |
34 |
||||
c) |
Rückwirkungen im Finanzausgleich |
1 |
15 |
16 |
24 |
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|
zusammen: |
50 |
104 |
114 |
138 |
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1) Stand 09.10.2003; Beschlussempfehlung
Finanzausschuss BT |
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Bei der Schätzung dieser Auswirkungen auf Berlin handelt es sich aber um eine rein rechnerische Regionalisierung der steuerlichen Wirkungen auf der Grundlage des geltenden Rechts. Der Gesetzentwurf ändert jedoch die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer erheblich, daher können unterschiedliche regionale Effekte der Reform eintreten.
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Gebietskörperschaft |
Volle Jahreswirkung |
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- Mio € - |
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2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
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Finanzielle Auswirkungen des Gesetzentwurfs zur Reform der Gewerbesteuer
(nach Absenkung der Umlagevervielfältiger) |
Insg. |
+ 2.775 |
+ 500 |
+ 2.130 |
+ 2.575 |
+ 3.000 |
Bund |
- 246 |
- 1.074 |
- 525 |
- 296 |
- 454 |
|
Länder |
- 59 |
- 938 |
- 349 |
- 163 |
- 216 |
|
Gem. |
+ 3.080 |
+ 2.512 |
+ 3.004 |
+ 3.034 |
+ 3.670 |
|
|
||||||
|
Insg. |
+ 1.595 |
+ 160 |
+ 1.140 |
+ 1.325 |
+ 1.700 |
Bund |
- 716 |
- 1.289 |
- 922 |
- 794 |
- 857 |
|
Länder |
- 471 |
- 1.079 |
- 668 |
- 561 |
- 562 |
|
Gem. |
+ 2.782 |
+ 2.528 |
+ 2.730 |
+ 2.680 |
+ 3.119 |
keine
Wir bitten, den Beschluss
damit als erledigt anzusehen.
Berlin, den 25.November 2003
Der Senat von Berlin
Klaus Wowereit Dr. Thilo Sarrazin
Regierender Bürgermeister Senator für Finanzen
Ausschuss-Kennung
: WiBetrTechgcxzqsq