Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, den 28. Juni 2004
Stadt VIII A 1-8900 9(0)25-2041
An den
Vorsitzenden des
Hauptausschusses
über
den Präsidenten des
Abgeordnetenhauses von Berlin
über Senatskanzlei - G Sen -
Auflagen und Missbilligungen anlässlich des Entlastungsbeschlusses für das Haushaltsjahr 2001 sowie erneute Auflagen und Missbilligungen zu den bereits entlasteten Haushaltsjahren 1999 und 2000
Drucksache Nr.
15/2848
52. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 3. Juni 2004
Das Abgeordnetenhaus hat in seiner oben bezeichneten Sitzung auf Grund der Vorlage des Senats Folgendes beschlossen:
„Das Abgeordnetenhaus erkennt gemäß § 114 Landeshaushaltsordnung unter Annahme der im Bericht des Hauptausschusses enthaltenen Auflagen und Missbilligungen den durch die Haushalts- und Vermögensrechnung von Berlin für das Haushaltsjahr 2001 geführten Nachweis über die Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsjahr 2001 sowie über das Vermögen und die Schulden zum 31. Dezember 2001 an und erteilt dem Senat für das Haushaltsjahr 2001 Entlastung.“
Lfd. Nr. 14
Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Strahlenmessstelle Berlin
T 216 - 220
Das Abgeordnetenhaus erwartet, dass der Senat einen Beitritt Berlins zu der Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenschutzausbildung (LPS) eingehend prüft. Dem Hauptausschuss ist bis zum 30. Juni 2004 zu berichten.
Das Abgeordnetenhaus missbilligt, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für die Phosphatglasdosimetrie weder die angekündigte „DV-technische Handhabung“ realisiert noch die jeweiligen Tarife angehoben hat. Es erwartet eine zügige Umsetzung.
Hierzu wird berichtet:
I.
Der Senat hat einen Beitritt Berlins zur LPS eingehend geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine derartige Aufgabenverlagerung weder fachlich sinnvoll noch wirtschaftlich vorteilhaft wäre.
Zu den Gründen ist Folgendes auszuführen:
1.
Rechtlicher Rahmen eines Beitritts zur LPS
Unter rechtlichen
Gesichtspunkten ist ein Beitritt prinzipiell möglich. Das Strahlenschutzrecht
steht einer solchen Aufgabenübertragung nicht entgegen, als Rechtsform käme ein
Staatsvertrag in Betracht, dem jeweils in Berlin und den an der LPS beteiligten
Ländern die entsprechenden Verfassungsorgane zustimmen müssten.
2. Darlegung der unterschiedlichen Aufgaben von Berliner Strahlenmessstelle und LPS
Die Strahlenmessstelle nimmt folgende gesetzliche Aufgaben für Berlin wahr:
-
Feststellung
der Umweltradioaktivität (§ 3 StrVG[1]),
-
Ermittlung
der Personendosis beruflich strahlenexponierter Personen (§ 41 StrlSchV[2],
§ 35 RöV[3]) als
amtliche Landesmessstelle,
-
Überwachung
der Umgebung kerntechnischer Anlagen[4],
-
Aufgaben
im Katastrophenfall oder Nachsorgefall[5],
-
Messungen
in Amtshilfe.
Das Spektrum der LPS
umfasst dagegen lediglich die Ermittlung der Personendosis beruflich strahlenexponierter
Personen (§ 41 StrlSchV, § 35 RöV) für alle Neuen Bundesländer sowie die
Vermittlung der Fachkunde im Strahlenschutz (die Strahlenschutz-Ausbildung nach
§ 30 StrlSchV, § 18a RöV).
Von den genannten
Aufgaben der Berliner Strahlenmessstelle wird also nur die Ermittlung der
Personendosis auch von der LPS wahrgenommen. Dies hätte die Folge, dass auch
nur diese Teilaufgabe der Strahlenmessstelle an die LPS übertragen werden
könnte.
Die Berliner Strahlenmessstelle überwacht derzeit insgesamt
rund 17 000 beruflich strahlenexponierte Personen aus dem Berliner Raum,
die LPS rund 35 000 Personen aus den Neuen Bundesländern. In Falle der
Teil-Aufgabenübertragung würde der Durchsatz der LPS also um rund 50% steigen.
Die LPS wäre nach Aussage ihres Leiters dazu nicht ohne Weiteres in der Lage,
weil zuvor ihre Kapazität (auch die personelle) hierfür entsprechend erweitert
werden müsste.
Die LPS bietet zudem nicht alle die Arten amtlicher
Dosimeter an, die bei der Berliner Messstelle erhältlich sind. Die für die Dosisüberwachung
zuständigen Behörden müssen aber den zu überwachenden Personen den Zugang zu
allen zertifizierten Arten amtlicher Dosimeter für Messaufgaben nach § 41
StrlSchV und § 35 RöV ermöglichen[6], weil zur Überwachung bestimmter Arbeitsplätze verschiedene
Dosimeter unterschiedlich gut geeignet sind. Bei
einer Übertragung der Personendosimetrie müsste also auch hier bei der LPS
nachgerüstet oder eine besondere Vereinbarung mit Dritten getroffen werden.
3. Fachliche und
finanzielle Auswirkungen einer Ausgliederung der Personendosismessstelle
3.1.
Die Aufgabengebiete in der Personendosismessstelle sind – wie bereits unter 2.
dargelegt - mit denen der anderen Arbeitsgruppen in der Strahlenmessstelle eng
verzahnt. Nur so ist es möglich, technische Spezialisten am Gesamtbestand der
Einrichtung einzusetzen, Krankheits- und Urlaubsvertretungen einzurichten und
mit der Gesamtanzahl der Beschäftigten einen kapazitiven Puffer für die
Aufgaben des Katastrophenschutzes vorzuhalten (= Synergieeffekte der Verzahnung).
Insbesondere die Aufgabe des Katastrophenschutzes nimmt in Berlin einen anderen
Stellenwert ein als in den neuen Bundesländern, da sich in Berlin eine
kerntechnische Anlage in Betrieb befindet. Diese Aufgabenbündelung hat sich
zudem in der Vergangenheit (z.B. beim Unfall in Tschernobyl) bereits bewährt.
Bei
einer Auflösung der Personendosismessstelle wären diese Belange nicht mehr
gewahrt, so dass eine Abgabe der Teilaufgabe auf fachliche Bedenken stößt.
Die Fachaufsicht über die Personendosimetrie liegt im
Übrigen bei der für Strahlenschutz verantwortlichen Landesbehörde, das ist in
Berlin die für Soziales zuständige Senatsverwaltung[7];
sie nimmt Stellung zu der Frage wie folgt[8]:
„Die
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz (SenGesSozV)
ist die oberste Strahlenschutzbehörde im Land Berlin und hat [...] die
Strahlenmessstelle Berlin, die von der Senatverwaltung für Stadtentwicklung
betrieben wird, für die Wahrnehmung der personendosimetrischen Überwachung von
beruflich strahlenexponierten Personen bestimmt.
Neben der
Durchführung der personendosimetrischen Überwachung nimmt die Strahlenmessstelle
Aufgaben nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz, der AVV-Strahlenschutzvorsorge-Lebensmittelüberwachung,
der Futtermittel-Strahlenschutzvorsorge-Verwaltungsvorschrift und nach dem
Berliner Katastrophenschutzgesetz wahr. Weiterhin ist bei Unfällen in
kerntechnischen Anlagen außerhalb Berlins und bei einem kerntechnischen Unfall
im Hahn-Meitner-Institut GmbH Berlin die Strahlenmessstelle Berlin für die
Wahrnehmung von messtechnische Aufgaben (z. B. Ortsdosimetrie, Auswertung von
Umwelt- und Lebensmittelproben) sowie logistische Aufgaben
(Ausbreitungsrechnungen, Dosisabschätzungen u. ä) zuständig. [...] Diese
Aufgaben konnten von der Strahlenmessstelle Berlin nur deshalb reibungslos
durchgeführt werden, weil in ihr die äußere Personendosimetrie, die Umgebungs-
und Lebensmittelüberwachung, das integrierte Mess- und Informationssystem
(IMIS) und die Landesdatenzentrale vereint sind und dadurch eine funktionsfähige
Einheit von im Strahlenschutz fachkundigem Personal und hochspezialisierte
Messtechnik für Strahlenschutzvorsorge- und Katastrophenfälle vorhanden und
einsatzbereit ist. Durch die Wahrnehmung der Personendosimetrie, der Umgebungs-
und Lebensmittelüberwachung und des Betriebes des IMIS-Systems werden die
Mitarbeiter der Strahlenmessstelle ständig geschult, so dass sie jederzeit bei
Eintritt von kerntechnischen Unfällen, bei radiologischen Notstandsituationen
und bei terroristischen Anschlägen mit radioaktiven Stoffen sofort einsetzbar
sind. [...]
Bei einer
Privatisierung der Personendosismessstelle [...] würde das bisher im Land
Berlin aufgebaute System der Katastrophenschutzbewältigung bei kerntechnischen
Unfällen und bei terroristischen Anschlägen mit radioaktiven Stoffen aufgegeben
werden müssen. Damit kann nicht wie bisher auf das im Strahlenschutz gut
ausgebildete Fachpersonal der Strahlenmessstelle und deren Messtechnik
zurückgegriffen werden und müssten private Dritte hierfür einbezogen werden,
wobei auf unsere Verwaltung dann Kosten in nicht abschätzbarer Höhe zukommen würden.
[...]
Außerdem
werden auf das Land Berlin erhebliche Kosten zukommen, die bisher von der
Strahlenmessstelle aufgrund der Amtshilfe für die Bereitstellung von Dosimetern
für die Feuerwehr und die Polizei nicht erhoben wurden. [...]“
3.2 Die
Personendosismessstelle der Strahlenmessstelle arbeitet zudem kostendeckend.
Auch nach den Prüfergebnissen des Rechnungshofs erzielte sie auf der Basis
kostenkalkulatorischer Ansätze bei Gebühreneinnahmen von je 830 000 €
Überschüsse in Höhe von 5,18% im Jahr 2000 und von 2,89% im Jahr 2001. In
den Jahren 2002 und 2003 wurden ähnliche Ergebnisse erzielt. Dem Grundsatz der
Kostendeckung in § 8 Abs. 3 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge[9] wird also Rechnung getragen. Berlin würde bei einer
Ausgliederung der Personendosismessstelle aber nicht nur diese Einnahmen
verlieren, sondern auch zusätzliche Ausgaben tragen müssen:
-
Für die bisher in
Amtshilfe ausgegebenen Dosimeter (Polizei, Feuerwehr, Dosimeter im Einsatz als
Ortsdosimeter z.B. für die Kernanlagenüberwachung) müssten Kosten vom Land
Berlin gegenüber der LPS getragen werden.
-
Für das Vorhalten von
Kapazität für den Katastrophenschutzsektor entstünden ebenfalls zusätzliche
Kosten. Durch den Abgang des Personals für die Personendosismessstelle wäre die
amtliche Stelle nicht mehr in der Lage, die Aufgaben des Katastrophenschutzes
mit abzudecken, so dass die Vorhaltekapazität bei einem Dritten gekauft und bezahlt
werden müsste. Damit stellen sich die Fragen der Verfügbarkeit und
Verlässlichkeit im Katastrophenfall und der Vorhaltekosten außerhalb des
Katastrophenfalles und der Einsatzkosten im Katastrophenfall.
Im Zuge
aufgabenkritischer Überlegungen ist die gegenwärtige Organisationsform der Strahlenmessstelle
in der Vergangenheit bereits mehrfach durch Externe geprüft und bewertet worden[10].
Danach wird im Ergebnis davon abgeraten, einzelne Aufgaben aus der Strahlenmessstelle
herauszulösen und auf andere zu verlagern. Diese Aussagen sind nach wie vor
aktuell.
II.
Das Phosphatglas-Dosimeter ist eines der in Abschnitt I 2. erwähnten Arten zertifizierter amtlicher Dosimeter, die für die Ermittlung der Personendosis beruflich strahlenexponierter Personen (§ 41 StrlSchV, § 35 RöV) eingesetzt werden. Für eine ökonomisch sinnvolle Nutzung des Verfahrens bedarf es der DV-technischen Anbindung an die Dosimetriedatenverwaltung.
Die Anforderungen an den Datenschutz, die Datensicherheit und die Richtigkeit bei einer solchen Anbindung sind beachtlich, da hier mit personenbezogenen Daten umgegangen wird, die als „amtliche“ Messwerte gesichert und verifiziert sein müssen, bei deren Erhebung eine Gebührenpflicht ensteht und die aus einem bundesamtlich zertifizierten Messsystem stammen.
Für die Realisierung einer solchen Anbindung wurde daher das Phasenkonzept zur Erstellung von DV-Programmen[11] herangezogen und sowohl die Erstellung des Lastenheftes als auch des Pflichtenheftes und schließlich die eigentliche Programmierung von externen Fachleuten begleitet und durchgeführt.
Die Dauer der hierfür erforderlichen Ausschreibungsverfahren und der Umstand, dass die Situation des Landeshaushalts nicht zu jedem Zeitpunkt die Fortführung dieser Verfahren bzw. die Erteilung eines Zuschlags erlaubte, haben dazu geführt, dass die DV-Anbindung erst jetzt fertiggestellt werden konnte; die Test- und Abnahmephase soll noch im Sommer 2004 beginnen.
Die Anpassung der Tarife hierfür soll mit einer der nächsten Novellierungen der Umweltschutzgebührenordnung erfolgen. Eine sinnvolle Kalkulation setzt das Absolvieren einer Einführungsphase voraus, in der Erkenntnisse über die tatsächlich erreichte Zahl regelmäßig ausgegebener Sonden und abhängig davon über die zu berücksichtigenden Kostenfaktoren gewonnen werden.
Ich bitte, den Beschluss damit als erledigt
anzusehen.
In Vertretung
Maria Krautzberger
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Ausschuss-Kennung : Hauptgcxzqsq
[1] Gesetz zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung (Strahlenschutzvorsorgegesetz - StrVG) vom 19. Dezember 1986 (BGBl.I S.2610)(BGBl.III 2129-16), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2001 (BGBl.I S.3714,3718)
[2] Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV) vom 20. Juli 2001 (BGBl.I S.1714 ber. I 2002 S.1459)(BGBl.III 751-1-8), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Juni 2002 (BGBl.I S.1869,1903)
[3] Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung - RöV) vom 8. Januar 1987 (BGBl.I S.114)(BGBl.III 751-13), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Juni 2002 (BGBl.I S.1869)
[4] Richtlinie zur Emissions- und Immissionsüberwachung kerntechnischer Anlagen - Rundschreiben des BMU vom 30.06.1993 - RS II 5-15603/5; GMBl.1993 Nr. 29 S.502-528
[5] Vorgenannte Vorschriften und Gesetz über die Gefahrenabwehr bei Katastrophen (Katastrophenschutzgesetz - KatSG) vom 11. Februar 1999 (GVBl. S. 78), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2001 (GVBl. S. 260)
[6] Punkt 2.2 der Richtlinie über Anforderungen an Personendosismessstellen nach Strahlenschutz- und Röntgenverordnung vom 10.12.2001 (GMBl. 2002 S. 136)
[7] Nr. 4 Abs. 4 der Anlage zum Allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin vom 14. April 1992 (GVBl. S. 119), dies zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juli 2002 (GVBl. S. 199)
[8] GesSozV II G 81 vom 4.2.03 in Auszügen. (Die nicht zitierten Passagen betreffen nicht die Personendosimetrie.) Die Argumente dieser Stellungnahme zum Vorschlag einer Privatisierung gelten sinngemäß auch für eine Aufgabenauslagerung.
[9] Gesetz über Gebühren und Beiträge (GebG) vom 22. Mai 1957 (GVBl. S. 516), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. April 1996 (GVBl. S. 126)
[10] zuletzt: Dr. Wolfram Klüber (1995), Gutachten über Möglichkeiten der Umwandlung der Strahlenmeßstelle in einen Betrieb nach § 26 LHO
[11] beschrieben z.B. im Anhang 2 zu den Besonderen Vertragsbedingungen für das Erstellen von DV-Programmen (BVB-Erstellung)