G e s e t z

über Unternehmensbeteiligungen Berlins

(Unternehmensbeteiligungsgesetz - UntBetG)

 

Vom …

 

Artikel  I

 

Der Artikel 24 der Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 (GVBl. S. 779) wird wie folgt geändert:

 

„Artikel 24

 

(1) Jeder Missbrauch wirtschaftlicher Macht durch das Land oder durch marktbeherrschende oder marktstarke Unternehmen ist unzulässig und verboten.

 

(2) Eine wirtschaftliche Betätigung des Landes in eigener Regie oder durch Beteiligung an oder Beleihung von Unternehmen ist ungeachtet der Rechtsform nur zulässig, wenn dem Zweck der wirtschaftlichen Betätigung ein dringendes öffentlichen Interesse zugrunde liegt und der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch private Dritte erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

 

(3) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.“

 

Artikel  II

 

Der § 65 der Landeshaushaltsordnung (LHO) vom 5. Oktober 1978 (GVBl. S. 1961) in der Fassung vom 20. November 1995 (GVBl. S. 805) erhält folgende Fassung:

 


„§ 65

Beteiligung an Unternehmen

 

(1) Berlin darf Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts oder des öffentlichen Rechts nur gründen oder sich an solchen nur beteiligen, wenn das dringende öffentliche Interesse an dem Unternehmenszweck im Einzelfall durch Gesetz vorgesehen ist und der angestrebte Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch private Dritte erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

 

(2) Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen Berlins, die dem Abs. 1 nicht entsprechen, sind unverzüglich einzustellen oder zu veräußern, sofern übergeordnete oder nicht aufhebbare gesetzliche oder vertragliche Bindungen dem nicht entgegenstehen. Dem Abgeordnetenhaus ist halbjährlich zu berichten.

 

(3) Unter der Voraussetzung des Abs. 1 kann sich Berlin an der Gründung eines Unternehmens in einer Rechtsform des privaten Rechts oder an einem bestehenden Unternehmen in einer solchen Rechtsform nur beteiligen, wenn

1.        die Einzahlungsverpflichtung Berlins auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist,

2.        der Unternehmenszweck ausschließlich in der Wahrnehmung der zu erfüllenden gesetzlichen Aufgabe nach Abs. 1 besteht,

3.        Berlin einen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan, erhält, der die Aufgabenerfüllung sicherstellt,

4.        gewährleistet ist, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht, soweit nicht weitergehende gesetzliche Vorschriften gelten oder andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften aufgestellt und geprüft werden.

 

(4) Beteiligungen an privaten Unternehmen erwirbt, verwaltet und veräußert die Senatsverwaltung für Finanzen. Diese hat hierzu geeignete Dritte heranzuziehen. Der Senat unterrichtet das Abgeordnetenhaus in zweckentsprechender Form.

 

(5) Beteiligungen der Bezirke werden ab dem 1. Juli 2005 durch die Senatsverwaltung für Finanzen verwaltet. Das Nähere regelt eine Rechtsverordnung.

 

(6) Der Einwilligung des Abgeordnetenhauses bedürfen

1.        die Beteiligung an oder die Gründung von Unternehmen, wenn eine Mehrheit der Anteile Berlin gehören soll,

2.        die Veräußerung von Anteilen an Unternehmen, wenn dadurch der Einfluss Berlins wesentlich verringert wird,

3.        die Umwandlung und Auflösung von Unternehmen, wenn die Mehrheit der Anteile Berlin gehört.

 

Die Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn der Haushaltsplan die Einnahmen oder Ausgaben für ein bestimmtes Vermögensgeschäft vorsieht.

 

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten auch für Tochterunternehmen.“

 

Artikel III

 

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.

 

Begründung

 

Das Berliner Verfassungsgericht hat zur Begründung seines Urteils vom 31. Oktober 2003 zum Haushaltsgesetz  2002/2003 darauf hingewiesen, dass bei Nichteinhaltung des verfassungsrechtlichen Kreditbegrenzungsgebots im Einzelnen darzulegen ist, welche Maßnahmen durch die erhöhte Kreditaufnahme ermöglicht werden sollen, um der Störung des Gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und der extremen Haushaltsnotlage Berlins entgegenzuwirken. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichts ist auch für die umfangreiche unternehmerische Tätigkeit Berlins bedeutsam, denn sie ist für die desolate Finanzlage der Stadt mitverantwortlich. Aus diesen und weiteren Gründen bedarf die Beteiligung Berlins an Unternehmen der gesetzlichen Neuregelung.

 

Zu Artikel I

 

Das Recht auf Schutz vor dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht darf sich nicht nur gegen Private, sondern muss sich auch gegen den Staat richten, der sich in Berlin in einem für marktwirtschaftliche Verhältnisse unverträglichen Ausmaß wirtschaftlich betätigt. Dabei geht es nicht um das Entstehen (produktions- und marktbeherrschender) „Monopolorganisationen“ an sich, denn diese können das Ergebnis „konkurrenzloser“ unternehmerischer Leistungsfähigkeit sein. Es geht vielmehr um den Missbrauch wirtschaftlicher Macht, der sich (zumeist) gegen den Wettbewerb richtet. So gesehen ist die wirtschaftliche Betätigung Berlins, z.B. bei der Straßenreinigung oder im öffentlichen Personennahverkehr, als zumindest teilweise problematisch anzusehen.

 

Zu Artikel II

 

Der Vorschlag zur Novellierung des § 65 der Landeshaushaltsordnung beinhaltet im Wesentlichen folgende Neuregelungen:

 

Abs. 1:   Festlegung einer strengen Subsidiarität wirtschaftlicher Betätigung Berlins, wobei diese an gesetzliche Grundlagen gebunden wird.

 

Abs. 2:   Ausstieg aus der wirtschaftlichen Betätigung Berlins mit Befristung auf fünf Jahre, soweit sie der Subsidiaritätsklausel des Absatz 1 nicht entspricht.

 

Abs. 3:   Verschärfung der Anforderungen an Unternehmensbeteiligungen Berlins. In Zukunft wird der Unternehmenszweck strikt an die jeweils gesetzlich fixierte Aufgabe Berlins gebunden. „Mischbetriebe“ und „Tochterunternehmen“ mit darüber hinaus gehendem Unternehmenszweck sind nicht mehr zulässig.


Abs. 4,   Unternehmensbeteiligungen der Bezirke sind Abs. 5: nicht mehr vorgesehen. Die entsprechenden Aufgaben konzentrieren sich auf die Senatsverwaltung für Finanzen, um ein übersichtliches und kostengünstiges Beteiligungsmanagement „aus einer Hand“ und auf der Ebene des haushaltspolitisch letztlich verantwortlichen Senats zu gewährleisten.

                Die Beteiligung Berlins an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ist aus ordnungspolitischen Gründen nicht mehr vorgesehen und auch von geringer praktischer Bedeutung.

 

Abs. 6,   Die Mitwirkungsrechte des Abgeordnetenhaus bleiben unverändert. Die vorgesehenen Neuregelungen beziehen sich auch auf Tochterunternehmen Berlins.

 

Berlin, den 2. Dezember 2003

 

 

Dr. Lindner   v. Lüdeke

und die übrigen Mitglieder der Fraktion der FDP

 

Ausschuss-Kennung : Rechtgcxzqsq