Senatsverwaltung für Wissenschaft,

Forschung und Kultur

LdB

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Abgeordnete Herrn Dr. Martin Lindner, Frau Sybille Meister und Herrn Volker Thiel (FDP)

 

über

 

den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin

 

über Senatskanzlei - G Sen –

 

 

 

Antwort

 

auf die Große Anfrage Drs. Nr. 15/3070 vom 17. August 2004 über

Was folgt aus den ‚Kulturpolitischen Positionen’ des Kultursenators?

 

1.       Teilt der Senat die Analyse des Kultursenators, daß „Wissenschaft und Kultur“ das „tatsächliche Zukunftspotential Berlins bilden“ (Senator Dr. Thomas Flierl in: ‚Berlin: Perspektiven durch Kultur – Kulturpolitische Positionen und Handlungsorientierungen zu einer Berliner Agenda 21 für Kultur’, August 2004;

S. 4)?

 

2.       Welche Konsequenzen ergeben sich aus Sicht des Senats daraus für die strategische Ausrichtung der Senatspolitik?

 

3.       Ist es nicht die Pflicht des Senats, auf Grund dieser Analyse den Kulturbereich als einen Investitionsbereich zu betrachten, der – natürlich zulasten anderer, als weniger wichtig identifizierten Bereiche – zum Wohle der zukünftigen Entwicklung Berlins deutlich erhöht werden muß, und wann wird die in diesem Sinne überarbeitete mittelfristige Finanzplanung vorliegen?

 

4.       Ist es im Licht dieser Analyse nicht fahrlässig seitens des Senats, statt dessen den Kulturhaushalt – wenn auch im Vergleich zu anderen Haushaltsbereichen unwesentlich geringer – abzusenken, „obwohl im Gegensatz zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes wichtige Landeseinrichtungen (z.B. die Berliner Landes-Bühnen) seit Jahren schon keinen finanziellen Ausgleich mehr für fällige Tarifsteigerungen erhalten“ haben und „der damit erzeugte wirtschaftliche Druck“ nach der „anfänglichen Mobilisierung von Synergieeffekten“ inzwischen „längst zulasten der künstlerischen Produktion geht oder die Häuser in betriebswirtschaftlich unverschuldete Defizite treibt“ (a.a.O., S. 10)?

 

5.       Plant der Senat, zur Erreichung des geforderten „ressort- und politikübergreifenden Handeln bei Wissenschaft, Bildung, Jugend, Wirtschaft, Soziales und Stadt“ (a.a.O., S. 5) Ressortzuständigkeiten und -finanzierungen zu verändern und beispielsweise für Jugendtheater und künstlerische Educationprogramme auch auf Finanzmittel des Bildungshaushaltes zurückzugreifen?

 

6.       Welche eigenen Vorstellungen hat der Senat zur Neudefinition des „Zusammenhangs zwischen der Metropole, der Hauptstadt und der Großstadt Berlin“ (a.a.O., S. 6)?

 

7.       Welche Vorstellungen bestehen insbesondere, um die im Hauptstadtkulturvertrag „nicht vollständig aufgehobenen systematischen Schwächen seiner Vorgängerverträge“ (a.a.O., S. 7) zu korrigieren, und an welchen konkreten Förderpositionen werden die Schwächen festgemacht?

 

8.       Welche Vorstellungen bestehen insbesondere, um – wie gefordert – „das gesamtstaatliche und hauptstädtische Engagement des Bundes und der Länder in Berlin trennschärfer zu systematisieren“ und hierbei die „Verantwortung für den Umgang mit dem preußischen Erbe … von den hauptstadtbedingten Aufgaben in Berlin zu unterscheiden“ (a.a.O., S. 7)?

a)      Welche Institutionen, Gebäude usw. könnten hiervon betroffen sein?

b) Wird der Senat einen Vorstoß unternehmen, für das kulturelle Erbe Preußens in einem größeren Zusammenhang als bisher eine „gesamtstaatlichen Verantwortung“ (a.a.O., S. 7) einzufordern, und sind hiervon beispielsweise auch die Staatsoper Unter den Linden, das Konzerthaus Berlin und die Humboldt-Universität betroffen?

 

9.       Mit welchen Inhalten will der Senat die „Stärkung des Städtischen“ als einer „strategische Position“ (a.a.O., S. 12) füllen, wenn die „trennscharfe Systematik“ (a.a.O., S. 7) zwischen Bund, Ländern und Berlin noch nicht geleistet ist?

 

10.   Was sind die konkreten Vorstellungen des Senats für eine „Stärkung des Städtischen“ in der Berliner Kultur?

 

11.   Teilt der Senat die Auffassung des Kultursenators, daß „mit der Besetzung des Stiftungsrates, der Bestellung der neuen Intendanz der Deutschen Oper sowie des Generaldirektors der Stiftung die wesentlichen Aufgaben des Jahres 2004 beschrieben sind“, aber die Gründung der Bühnenservice GmbH lediglich eine der „nächsten Aufgaben markiert“ (a.a.O., S. 13), obwohl letzteres die organisatorische Voraussetzung für die angestrebten Synergieeffekte und die Einhaltung der festgelegten Einsparungen bildet und damit über den Erfolg des gewählten Stiftungsmodells entscheidet?

 

12.   Wie bewertet der Senat die vom Kultursenator getroffene Entscheidung, den Vertrag des Intendanten des Maxim Gorki Theaters, Volker Hesse, nicht zu verlängern, obwohl sich dieses Theater eines weit überdurchschnittlichen Publikumszuspruchs erfreut und damit nicht nur den Theaterkriterien einer „Verankerung in der Stadt, eines Interesses des Publikums“ (a.a.O., S. 14) voll entspricht, sondern eben diese Kriterien, „die Parameter Wirtschaftlichkeit und öffentliche Resonanz in die Beurteilung verstärkt mit einfließen sollen“ (a.a.O., S. 15)?

 

13.   Teilt der Senat die Auffassung des Kultursenators, die „Aufgabe des Berliner Sinfonie-Orchesters“ würde „die Bespielung des Konzerthauses gefährden“ (a.a.O., S. 16), obwohl eine „Verankerung der Klangkörper der ROC im Konzerthaus zugunsten einer deutlicheren Verortung der ROC in der Stadt“ (a.a.O., S. 17) ohnehin in der Planung der Kulturverwaltung steht und für eine Bespielung ausreichte?

 

14.   Läge nicht im Falle des Konzerthauses ein besonders geeigneter Ansatzpunkt für die geforderte „trennschärfere Systematik“ (a.a.O., S. 7) im Umgang mit dem preußischen Erbe (früheres Königlich Preußisches Schauspielhaus), nachdem der Bund sich nach Angaben des Kultursenators (a.a.O., S. 16) aus der Finanzierung der ROC zurückziehen will, aber auf der anderen Seite die „strategische Allianz des Konzerthauses mit der ROC GmbH … eine selbstbewußte Präsentation der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland in der Bundeshauptstadt ermöglicht“ (a.a.O., S. 17) – ein Ansatzpunkt beispielsweise für ein Modell, nach dem das Konzerthaus in die ROC GmbH eingebracht und das Berliner Sinfonie-Orchester mit den Berliner Symphonikern zu einem bürgerschaftlichen, als Verein organisierten und auch auf Jugendarbeit hin ausgerichteten Stadtorchester fusioniert würde?

 

15.   Erkennt der Senat auch bei dem Brücke-Museum und der Georg-Kolbe-Stiftung „die Gefahr der Abkoppelung von fachlichen Standards“ (a.a.O., S. 9), wie sie vom Kultursenator bei den „genuin-städtischen Museen“ allgemein identifiziert werden?

a) Ist aus Sicht des Senats „die Spiegelung der Identität der Kommune Gegenstand“ (a.a.O., S. 21) der beiden genannten Museen?

 

b)  Teilt der Senat die Einschätzung des Kultursenators mit Blick auf die beiden genannten Museen, „unter dem gemeinsamen Stiftungsdach ließen sich sowohl die inhaltlichen Profile der Häuser schärfen als auch Synergieeffekte in den Bereichen Personalmanagement, Finanzverwaltung und Serviceleistungen erzielen“ (a.a.O., S. 21)?

c) Hält der Senat an der Planung fest, die beiden genannten Museen in die ‚Stiftung Berliner Landesmuseen’ einzugliedern?

 

16.   Folgt aus Sicht des Senats aus der Feststellung, daß „eine gleichmäßige Verteilung der Mittel über alle Bibliotheken und damit die Garantie einer einheitlichen Grundversorgung aller Bürgerinnen und Bürger Berlins nicht gewährleistet ist“ (a.a.O., S. 22), daß der Finanzschlüssel zur Verteilung der Bibliotheksetats zuungunsten der ausleihstarken Bibliotheken ausgestaltet werden muß – mit der Folge, daß diejenigen Bibliotheken, die aufgrund eigener Anstrengungen ein hohes Ausleihevolumen aufweisen können, in weitere wirtschaftliche Schwierigkeiten gedrängt werden?

 

17.   Welchen Anteil hat der „kulturell motivierte Tourismus“ (a.a.O., S. 28) an der Ausländerquote in der touristischen Bilanz von Paris, London und Rom, wie stellt sich der diesbezügliche Unterschied zu Berlin dar, und welche Schlüsse sind daraus für eine geforderte „Verbesserung der Vermarktungs- und Vertriebskompetenz der touristisch relevanten Berliner Kulturinstitute“ (a.a.O., S. 28) zu ziehen?

 

18.   Wie bewertet der Senat die Äußerungen des Kultursenators in seiner Rede anläßlich der Vorstellung der ‚Kulturwirtschaftsinitiative Berlin’ am 01.07.2004 im Deutschen Historischen Museum, aufgrund von positiven Wirkungen des öffentlichen Kulturbetriebes auf die privatwirtschaftliche Kulturwirtschaft müsse darüber nachgedacht werden, wie dieser privatwirtschaftliche Sektor einen Beitrag zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Kulturbetriebes leisten könne?

 

19.   Teilt der Senat die Auffassung der FDP-Fraktion, daß eine wie auch immer geartete finanzielle Sonderbelastung, etwa eine ‚Kulturwirtschaftsabgabe’ für den Kulturwirtschaftsstandort Berlin von erheblichem Schaden wäre?

 

20.   Welche Auswirkung auf die Personalausstattung der Kulturverwaltung hat die weitgehende Ausgliederung der Kultureinrichtungen in Landesstiftungen?

 

 

 

Auf die 20 von Ihnen gestellten Fragen zu den von mir am 13. August vorgestellten „Kulturpolitische Positionen und Handlungsorientierungen zu einer Berliner Agenda 21 für Kultur“ antworte ich namens des Senates wie folgt:

 

Der Senat hat wahrgenommen und in seiner Sitzung am 7. September erörtert, dass der zuständige Fachsenator ein kulturpolitisches Positionspapier vorgelegt hat.

 

Der Senat versteht und würdigt das Papier als Grundlage für eine breite fachöffentliche Debatte über die kulturellen Perspektiven Berlins über Perspektiven durch Kultur.

 

 

 

 

Der Senat wird sich mit den einzelnen, im Papier angesprochen Themen und Strukturfragen (Orchester, Museumsstiftung, Kulturbüro, Bibliotheken, Gedenkstätten) bis Jahresende eingehend beschäftigen. Er wird entscheiden, ob und ggf. wie die vorgeschlagene Projekte angegangen bzw. umgesetzt werden sollen.

 

Parallel wird es in der Öffentlichkeit eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen geben. Dazu zählen u.a. die bereits geplanten Fachcolloquien zu Landesstiftung Berlinische Museen und zur Zukunft der Stadtbibliotheken

 

Vor diesem Hintergrund werden Sie verstehen, dass ich Ihnen zu den einzelnen, von Ihnen angesprochenen Themen zu diesem Zeitpunkt namens des Senates keine weiterführenden Auskünfte geben.

 

Meine eigenen Positionen sind – so denke ich – in dem Konzept deutlich geworden.

Sinn und Ziel der Vorlage des Positionspapiers ist es, als zuständiger Senator eine breite öffentliche Debatte über die Zukunftspotenziale der Kultur für die Entwicklung Berlins anzustoßen. Der Titel „Berlin – Perspektiven durch Kultur“ ist von daher bewusst so gewählt worden. Die erste, durchaus positive Resonanz – kritische Stimmen eingeschlossen – verrät, dass dies in der interessierten und Fachöffentlichkeit auch so verstanden wurde.

 

Mir kam es aber auch darauf an, dass diese Debatte geführt wird, bevor der Senat zu einzelnen Fragen detailliert Position bezogen hat. Das mag vom Verfahren her ungewöhnlich sein. Ich halte es jedoch von der Sache her für angemessen und berechtigt.

 

Logische Konsequenz dieser politischen und fachlichen Auseinandersetzung ist es, dass die konzeptionellen Vorstellungen eines Kultursenators - sofern es einen Kultursenator gibt, der über solche überhaupt verfügt – in der weiteren fachlichen und politischen Debatte, insbesondere aber auch durch die Meinungsbildung in Koalition, Senat und Opposition, Veränderungen erfahren.

 

Sie können davon ausgehen, dass dem Abgeordnetenhaus bis Jahresende sowohl eine Bestandsaufnahme der Berliner Kultur als auch konkrete Vorlagen zu einzelnen, im Positionspapier angesprochenen kulturpolitischen Themenbereichen vorliegen.

 

Berlin, 21. September 2004

 

 

Dr. Thomas Flierl

 

 

 

 

 

Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq