Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Die Gedenkstätten – Finanzierung ist die gemeinsame Aufgabe vom
Bund und allen Ländern
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:
In Anerkennung einer gesamtstaatlichen Verantwortung für die Pflege der historischen Orte und der aktiven Erinnerungsarbeit wird eine Neuordnung der Finanzierung der überregionalen Gedenkstätten angestrebt. Deswegen wird der Senat aufgefordert in der Ministerpräsidentenkonferenz und mit dem Bund in ein Beratungs- und Abstimmungsverfahren zu treten, um ein neues Finanzierungsverfahren für die überregionalen Gedenkstätten in Deutschland zu erarbeiten. Dieses Modell soll für die NS-Gedenkstätten sowie für die zum Teil noch im Aufbau begriffenen Gedenkstätten zur SED-Diktatur gelten.
Dabei
ist nach folgendem Verfahren vorzugehen:
Der Finanzbedarf aller überregionalen Gedenkstätten
wird für den Verteilungsschlüssel zwischen allen Ländern und dem Bund zugrunde
gelegt und nach einem Verteilungsschlüssel gemäß der Finanzkraft der Länder auf
die Gedenkstätten verteilt. Dadurch können jene Länder, die viele Gedenkstätten
unterhalten müssen einen finanziellen Ausgleich erhalten und jene, die hier geringere oder gar keine
Belastungen haben, in das Finanzierungssystem einbezogen werden. Der Bund
sollte einen Finanzierungsanteil von unter 40 Prozent übernehmen.
Als strukturelles Dach ist jeweils eine Stiftung
vorgesehen, die auch über möglichen Mehr- oder Minderbedarf für jede Gedenkstätte
entscheiden darf. Die inhaltliche Verantwortung bleibt bei den jeweiligen
Gedenkstätten bzw. ihren Trägern.
Über das Ergebnis der Gespräche mit dem Bund und den
Ländern ist dem Parlament bis zum 31.12. 2003 zu berichten.
Begründung:
Es kann nicht sein, dass manche Bundesländer für die Verantwortung im Umgang mit der geschichtlichen Vergangenheit besonders belastet werden. Hier liegt die Verantwortung für den Erhalt der historischen Orte auf der ganzen Gesellschaft vertreten durch die Länder und den Bund. Mit einem gerechten Verteilungsschlüssel kann sich kein Bundesland dieser Verantwortung für die überregionalen Gedenkstätten entziehen. Berlin und der Bund könnten entlastet werden, wenn es eine neue finanzielle Aufteilung zwischen allen Bundesländern und dem Bund gibt, bei der sich alle Bundesländer gemeinsam für die Erinnerungsorte verantwortlich zeigen und nicht nur die, auf deren Landesterritorium sie zufällig liegen.
Besonders angesichts der anstehenden hohen Investitionskosten für den Erhalt bzw. Ausbau der DDR-Diktatur-Gedenkstätten (wie z. B. in Berlin der Gedenkstätte Hohenschönhausen oder der Stasizentrale Normannenstraße, aber auch die Grenzübergangsstelle Marienborn in Sachsen-Anhalt) ist eine finanzielle Aufteilung auf alle Bundesländer nach einem festzulegenden Finanzierungsschlüssel zu verhandeln. Die Bundesländer, auf deren Territorium keine überregional bedeutenden Erinnerungsstätten liegen, haben sich seit Jahrzehnten dieser Verantwortung entzogen. Hier ist eine gesellschaftliche Debatte gefordert, die sowohl die Eigenständigkeit der Gedenkstätten und ihre jeweiligen Besonderheiten respektiert, als auch die finanziellen Lasten auf alle verteilt. Die großen NS – Gedenkstätten mit jeweils überregionaler Bedeutung haben sich bereits zu einer Arbeitsgemeinschaft der überregionalen Gedenkstätten zusammengeschlossen, die jetzt in diesen Finanzierungsverbund eingehen könnten.
So wenig man behaupten kann, die Erinnerung an die Berliner Mauer wäre nur Bundesangelegenheit und habe nichts mit der Stadt Berlin zu tun, so wenig wäre es gerechtfertigt, die Verantwortung für die NS-Gedenkstätten allein an den Bund abzuschieben.
Viele Erinnerungsprojekte in der ganzen Bundesrepublik sind aus bürgerschaftlichem Engagement entstanden. Es waren Bürgerinitiativen und Überlebende, die sich in den 80er Jahren an die Erforschung der authentischen Orte des Nationalsozialismus gemacht haben und ohne die es viele Projekte niemals geben würden. Sie sind heute sehr heterogen in den Trägerschaften mit unterschiedlichen wissenschaftlichen oder musealen Aufgaben, sind lokal oder überregional konzipiert, arbeiten teilweise mit ehrenamtlichem, teilweise mit professionellem Personal.
Das Abschieben allein auf die zentralstaatliche Ebene wäre eine Abkehr von diesem Konzept der Bürgernähe und setzt ein falsches Signal: Was aus undemokratischen, zentralstaatlichen Strukturen entsprungen ist, sollte prinzipiell in einer geteilten Verantwortungsstruktur bleiben. Die unterschiedlichen Trägerschaften sind auch der Garant für eine politische Unabhängigkeit und verhindern durch ihre Struktur die Weisungsabhängigkeit der Verantwortlichen vom alleinigen Träger.
Der Bund selbst hat sich zu einer klaren Mitverantwortung für die Gedenkstätten bekannt und finanziert überregionale Gedenkstätten mit Projektförderung von bis zu 50 % versehen.
Seit Jahrzehnten hat Berlin eine riesige Aufgabe zu bewältigen, denn die Stadt hat als zentraler Ort der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bisher die größte finanzielle Verantwortung für Institutionen wie die Topografie des Terrors, das Haus der Wannseekonferenz oder die Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Darum ist es nunmehr an der Zeit, eine gerechte Verteilung der Finanzlasten zu erwirken.
Berlin, den 18. August 2003
Dr. Klotz
Ratzmann Ströver
und die übrigen Mitglieder
der
Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen
Ausschuss-Kennung
: Kultgcxzqsq