Der Senat von Berlin                                                 Berlin, den 9. November 2004

GesSozV  - I E / I E15 -                                             Tel. 9(0)28 - 2436

 

 

 

 

 

An den

Vorsitzenden des Hauptausschusses

über

den Präsidenten des Abgeordnetenhauses

von Berlin

über Senatskanzlei - G Sen –

 

 

 

 

Vorgang:         Anpassung der Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel,

den Bezirken die Erfüllung ihrer Einsparvorgaben zu ermöglichen

 

Beschluss des Abgeordnetenhauses zum Haushaltsplan 2004 / 2005

Zum Kapitel 29 09 – Zuweisungen an die Bezirke –

 

- Drucksache Nr. 15 / 2551 ( II. B.82) -

 

 

48. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 18. März 2004

 

 

Das Abgeordnetenhaus  hat in seiner oben bezeichneten Sitzung Folgendes beschlossen:

 

 

„Das Abgeordnetenhaus erwartet, dass der Senat alle relevanten Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel anpasst, den Bezirken die Erfüllung ihrer Einsparvorgaben zu ermöglichen.

 

Der Senat wird darüber hinaus aufgefordert, alle Möglichkeiten zu nutzen, bestehende Kostensätze und Kostensatzrahmen zu reduzieren und in künftigen Verhandlungen über Rahmenverträge und Vereinbarungen keine Erhöhungen von Kostensätzen zu Lasten der Bezirke – ohne deren vorherige ausdrückliche Zustimmung – vorzunehmen.

Eine Verlagerung der Zuständigkeit für Kostensatzrahmenverhandlungen an die Bezirke ist zu prüfen.

  Dem Hauptausschuss ist bis zum 15. November 2004 zu berichten:“


 

Hierzu wird berichtet:

 

zu Absatz 1 sowie zu Absatz 2, Satz 1:

 

Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz hat alle in ihrer Zuständigkeit liegenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Hinblick auf Konsolidierungsmöglichkeiten in den Transferausgaben der Bezirke überprüft und dem Hauptausschuss dazu mit Schreiben GesSozV - I A 34 - vom 19. August 2003 - berichtet (rote Nr. 1638). In Ergänzung dieses Berichtes wurde dem Abgeordnetenhaus eine Mitteilung zur Kenntnisnahme - SenGesSozV - I A 41 - mit Datum vom 16. August 2004 (Drs. 15/3204) übersandt. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.

 

Wie dort zur Umsetzung einer Zeit – und Zielplanung für die Erzielung der Einsparungen bei den Transferausgaben der Bezirke dem Abgeordnetenhaus informiert, hatte die KOMMISSION 93 (mit Vertretern der Haushaltsbereiche der Bezirke) in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Finanzen für die Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff BSHG sowie für den Personenkreis nach § 72 BSHG im vergangenen Jahr  einen Einsparbeschluss in Höhe von 34 Mio. EUR gefasst und die Realisierung des Einsparvolumens in 3 Schritten (10,9 Mio. EUR - 2004, 12,9 Mio. EUR - 2005 und 10,2 Mio. EUR - 2006) geplant.

Inzwischen sind entsprechende Vergütungsabsenkungen zur Umsetzung der Einsparungen in zwei Schritten zum 1.7.2003 und 1.7.2004 durchgeführt. Darüber hinaus werden in einer Arbeitsgruppe aktuelle weitere Kompensationen, bspw. im Hinblick auf erwartete Fallzahlenzuwächse, erarbeitet und zum 1.7.2005 wirksam.

 

In der KOMMISSION 93 (die zuständig ist für alle Entscheidungen mit Vereinbarungen nach § 93 BSHG)  ist eine Einbindung der Berliner Bezirke in allen Fällen dadurch sichergestellt, da 2 Mitglieder und 2 stellvertretende Mitglieder der Bezirke der Kommission seitens des Sozialhilfeträgers angehören und Beschlüsse in der KOMMISSION 93  immer einstimmig gefasst werden müssen.

 

 

 

zu Absatz 2, Satz 2:

 

Zur Verlagerung der Zuständigkeit für Kostensatzrahmenverhandlungen an die Bezirke nehme ich wie folgt Stellung:

 

Rechtslage

Mit der Einführung der §§ 93 BSHG ff. zum 1.1.1999 ist die Sozialhilfe für den Trägerwettbewerb geöffnet worden. Jeder Träger kann seine Leistungen auf der Basis der durch den Rahmenvertrag gegebenen Vorgaben anbieten und den Abschluss eines Trägervertrages verlangen.

Wenn der Träger die fachlichen und finanziellen Voraussetzungen für das von ihm angebotene Leistungsspektrum erfüllt , ist mit ihm über ein leistungsgerechtes Entgelt zu verhandeln. Bei den Verhandlungen werden die Erfahrungen aus anderen Trägerverträgen einbezogen. Alle Entgelte werden prospektiv verhandelt, d.h. anders als vor Einführung dieses Verfahrens werden Verluste nicht ausgeglichen.

Mit dem Abschluss eines Trägervertrages ist keine Belegungszusage verbunden. Die Belegung wird durch das bezirkliche Sozialamt im Rahmen der individuellen Hilfeplanentscheidung gesteuert.

 

In § 93 ff. BSHG ist geregelt, dass die kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene mit den Verbänden der Träger der Freien Wohlfahrtspflege und den Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer auf Landesebene einen Rahmenvertrag über den Inhalt der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG schließen. Mit diesem Rahmenvertrag kommt die zuständige Senatsverwaltung auch ihrer aus § 17 SGB I resultierenden Gesamtverantwortung und Gewährleistungsverpflichtung nach. Der Rahmenvertrag ist die Grundlage für die jeweiligen Trägerverträge und enthält die Verfahrensregelungen für die Entgeltermittlung sowie die Leistungsbeschreibungen.

 

Die mit Kommissionsbeschluss vom 27.05.2003 vereinbarten  Einsparungen sind Bestandteil des  Rahmenvertrages und dadurch für alle Einrichtungen verbindlich.

 

Verfahren und Inhalte der Trägerverträge

Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz hat mit Stand 2004 insgesamt rd. 1.600 Vereinbarungen in 33 verschiedenen Leistungstypen abgeschlossen

 

Sie kann bei rahmenvertraglich definierten, vergleichbaren Leistungsangeboten im Vorwege von Entgeltvereinbarungen Kostenvergleiche zwischen vergleichbaren Leistungsangeboten und Preis-Leistungs-Vergleiche vornehmen. Nach Abschluss der Vereinbarung werden alle Bezirke über das neue Entgelt informiert, da sehr häufig mehrere Bezirke dasselbe Leistungsangebot nutzen.

 

Der Rahmenvertrag beschreibt zwar das Verfahren der Entgeltermittlung, enthält jedoch keine Vorgaben hinsichtlich der Höhe der zu berücksichtigenden Kosten. Solche Vorgaben wären angesichts der sich erheblich unterscheidenden Bedingungen der Träger (z.B. bei Mietkosten) auch nicht praktikabel. Daher bleibt für die Bewertung von Kostennachweisen und Anträgen der Träger immer ein Ermessensspielraum. Durch die zentrale Bearbeitung in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz kann sichergestellt werden, dass dieses Ermessen in gleicher Weise bei der Ermittlung von allen Entgelten ausgeübt wird.

 

Der weit überwiegende Teil der freien Träger bietet unterschiedliche Sozialhilfeleistungen an, für die jeweils eigene Entgelte zu vereinbaren sind, deren Standorte jedoch in den meisten Fällen über mehrere Bezirke verteilt sind. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz verfügt in diesem Zusammenhang über ein gebündeltes Know-how für immer wieder auftretende Konflikte mit Trägern, die zur Anrufung der Schiedsstelle und/oder Verwaltungsstreitverfahren führen können (§ 94 BSHG).

 

Insgesamt gewährleistet die Senatsverwaltung für  Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz damit die Gleichbehandlung der freien Träger sowie die gesamtstädtische Übersicht. Sie garantiert den Einfluss des Landes auf die Preisentwicklung, u. a. im Abgleich zu den analogen Verfahren im Bereich der Jugendhilfe. Außerdem werden auf diese Weise die von der Kommission 93 für den Sozialhilfebereich im Konsensverfahren unter Beteiligung der Bezirke beschlossenen allgemeinen fachlichen Standards für die Leistungen der Eingliederungshilfe, für Hilfe zur Pflege sowie Hilfe bei sozialen Schwierigkeiten (Wohnungslosenhilfe)  in der Einheitsgemeinde Berlin sicher gestellt.

 

Im Ergebnis sind Vorteile von dezentralen Abschlüssen von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nicht erkennbar und  darüber hinaus mit  erheblichen finanziellen Risiken behaftet.

Mit der zentralen Zuständigkeitsregelung und Übertragung der Vertragsaufgaben auf die Senatsverwaltung (SenGesSozV) wird sichergestellt, dass bei letztlich reduziertem Verwaltungsaufwand ( u. a. Stelleneinsparungen) gleiche Verfahren und „Berlin-einheitliche“ Standards angewendet werden und diese zu vergleichbaren leistungsgerechten Preisen führen.

 


Wichtige Gesichtspunkte und die wesentlichen Auswirkungen einer Zuständigkeitsverlagerung sind nachfolgend dargestellt:

 

 

Der weitaus überwiegende Teil der Leistungsangebote wird von mehr als einem bezirklichen Sozialamt genutzt, die Vereinbarungspartner sind in der Regel in mehr als einem Bezirk tätig.

 

Mit dem Vertragsabschluss durch die Senatsverwaltung wird zwar das Prinzip der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung durchbrochen, d. h .die Verhandlungsverantwortung ist -  ebenso wie im Jugendbereich - organisatorisch von der Finanzverantwortung getrennt. Die Bezirke steuern jedoch eigenverantwortlich die Nachfrage durch die Auswahl geeigneter und kostengünstiger Angebote und damit den Preis-/ Leistungs-wettbewerb der Träger.

Die Nachteile einer Zuständigkeitsverlagerung überwiegen bei weitem die denkbaren Vorteile.

 

Eine durch Änderung des ZustKat AZG erfolgende Verlagerung der Zuständigkeit für den Abschluss dieser Vereinbarungen auf die Bezirke hätte u.a. folgende Wirkungen:

 

·         Die Verantwortung für Verhandlungen zum Berliner Rahmenvertrag würde von der für die einrichtungsindividuellen Einzelvereinbarungen abgetrennt. Rahmenvertragsverhandlungen unter Beteiligung von 12 Bezirken sind praktisch nicht durchführbar. Es entstünde des weiteren erheblicher Kommunikationsbedarf zwischen den Einzelverträge und Rahmenverträge abschließenden Personen.

·         Verhandlung und Abschluss des Trägervertrages müssten - unabhängig von der Belegung  - durch den Bezirk erfolgen, in dem die Einrichtung gelegen ist (§ 93 Abs. 2 BSHG). Es ist nur schwer erreichbar, dass jeder Bezirk, der die Einrichtung eines Trägers belegt, in eigener Verantwortung  auch die Verhandlungen führen kann.

·         Es besteht eine Verpflichtung zur Beteiligung des / der überwiegend nutzenden anderen Bezirke
Es müssten umfangreiche Kommunikationsprozesse zwischen den Bezirken für die Aufnahme von Verhandlungen organisiert werden. Außerdem ändern sich ständig die jeweils hauptbelegenden Bezirke.

·         Die Beurteilung wirtschaftlicher Gesamtergebnisse von Einrichtungsträgern wird unmöglich, weil jeder Bezirk im Grunde nur die Kosten der von ihm verhandelten einzelnen Leistungsangebote bewerten kann.

·         Durch die Abstimmung der Bezirke untereinander zu fachlichen Standards, Kalkulationsgrundlagen, Preisentwicklung etc. entstünde erheblicher  (personeller) Mehraufwand.

·         In den Bezirken müssten weiterhin zusätzliche personelle Kapazitäten für diese Aufgabe geschaffen werden, d.h. es würden fachliche  Ressourcen für die Verhandlung von Leistungen Vergütungen und Qualitätserfordernissen gebunden werden und für die betriebswirtschaftliche Kompetenz wären neue Stellen erforderlich
(für die Vergütungsvereinbarungen sind bei SenGesSozV insgesamt nur acht Stellen vorhanden).
Ohnehin entstünde Mehraufwand für die Bezirke und die freien Träger, da eine erheblich höhere Anzahl von Einzelverhandlungen erforderlich wäre.

·         Zeitdruck,u.a. durch mangelnde personelle Ressourcen in den Bezirken, als Problem   ( nach § 93 b Abs. 1 BSHG müssen Vereinbarungen innerhalb von sechs Wochen zustande kommen ) dürfte die Zahl der Schiedsstellen- und Verwaltungsgerichtsverfahren arbeits- und kostenaufwendig erhöhen.  Bestehende Vereinbarungen müssten in diesen Zeitphasen unverändert weiterlaufen.

·         Das Risiko unterschiedlicher Ermessensausübung wird durch den Umfang der dann sicherzustellenden Kommunikation um ein Mehrfaches erhöht. Die Chancen und Erfolgsaussichten  von Einrichtungsträgern zur Durchsetzung von nicht gerechtfertigten Preissteigerungen würden ebenfalls  zu Lasten des Sozialhilfeträgers erheblich steigen.

 

 

Durch die Vielzahl der Vertragspartner und Verschiedenartigkeit der Vertragsinhalte sowie den geschilderten Wirkungen einer dezentralen Zuständigkeit erschließt sich unmittelbar, warum der Gesetzgeber diese Aufgabe zentral der Senatsverwaltung  zugeschrieben hat.

 

Es soll damit im Wesentlichen sichergestellt werden, dass

 

·         bei geringstmöglichem Verwaltungsaufwand

·         gleiche Verfahren

·         „berlin-einheitliche“ Standards angewendet werden,

 

 die zu vergleichbaren und leistungsgerechten Preisen führen.

 

Die Bezirke sind in alle Verfahren, mit denen die fachlichen Standards in den Allgemeinen Leistungsbeschreibungen, die Rahmenvorgaben für die Qualitätsentwicklung sowie die Kostenbestandteile in den Vergütungen grundsätzlich geregelt werden, durch ihre Mitgliedschaft in der Kommission 93 und ihren Ausschüssen eng eingebunden.

 

Darüber hinaus ist auf die mit der LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege unter Beteiligung der Bezirke begonnenen Verhandlungen hinzuweisen. Verhandlungsergebnisse mit kostensenkender Wirkung im Hinblick auf die laufenden Verträge mit Einrichtungsträgern können nur im Rahmen von zentraler Steuerung auf Landesebene erwartet werden.

 

 

Vorteile des dezentralen Abschlusses von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungs-/ Qualitätsentwicklungsvereinbarungen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls nicht erkennbar.

 

 

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.

 

 

 

Klaus  W o w e r e i t                                                 Dr. Heidi   K n a k e – W e r n e r

___________________________                            ____________________________               Reg. Bürgermeister                                                   Senatorin für Gesundheit, Soziales

und Verbraucherschutz

 

Ausschuss-Kennung : GesSozMiVergcxzqsq