Mitteilung – zur Kenntnisnahme –

 

 

Möglichkeiten zur Einführung eines FreiwilligenPasses

(Anerkennung für das Ehrenamt/Freiwillige Engagement – FreiwilligenPass einführen)

 

Drucksachen 15/1004, 15/1585 und 15/1771 – 2. Zwischenbericht –

 

 

 

 

 

Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:

 

 

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 8. Mai 2003 Folgendes beschlossen:

 

„Der Senat wird aufgefordert, in Kooperation mit den an den Runden Tischen „Zur Förderung des Freiwilligen Engagements in Berlin“ beteiligten Organisationen die Einführung eines Berliner „FreiwilligenPasses“ zum Nachweis freiwilligen Engage­ments/ehrenamtlicher Tätigkeit sowie in dem Zusammenhang be­suchter Fortbildungen und erworbener Qualifikationen zu prüfen.

 

Bei dieser Prüfung sollen ergebnisoffen Erfahrungen anderer Bundesländer und Städte mit solchen Nachweisen (z.B. Ehren­amts-Card in Hessen, Landesnachweis NRW „Engagiert im sozia­len Ehrenamt“) sowie auch die sich widersprechenden Positionen aus dem 2001 vom Treffpunkt „Hilfsbereitschaft“ veranstalteten Forum zum „FreiwilligenPass“ berücksichtigt werden. Dabei sind insbesondere auch Kriterien zu prüfen, unter denen diese Nach­weise anderswo genutzt werden.

 

Des Weiteren soll analysiert werden, ob und wie ein „Freiwilli­genPass“ – ähnlich wie die Jugendleitercard – zur Inanspruch­nahme von Vergünstigungen berechtigen kann. Das beinhaltet auch die Prüfung der seit langem geforderten Verbesserungen von Teilnahmemöglichkeiten Einkommensschwächerer am freiwilligen Engagement, insbesondere durch eine vergünstigte ÖPNV-Nut­zung, z.B. über Sponsoring durch Dritte.

 

Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 30.06.2003 darüber zu be­richten.“


 


Hierzu wird berichtet:

 

Die Aufforderung, die Einführung eines „Frei­willigenPasses“ für freiwillig und ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger in Berlin zu prüfen, zielt darauf ab, die öffentliche Anerkennung und Sichtbarkeit bürgerschaftlichen Engagements zu erhöhen und zu vielfältigen Formen des Engage­ments zu ermutigen.

 

Der Senat teilt dieses Anliegen. Es entspricht der generellen Zielsetzung des Senats, die Rahmenbe­dingungen für freiwilliges bürgerschaftliches Enga­gement in Berlin zu stärken.

 

Der Begriff „Anerkennungskultur“ umfasst ein breites Spektrum traditioneller und neuerer Formen der Würdigung und Auszeichnung für erbrachte Leistungen für die Gesellschaft. Öffentliche Aner­kennung gehört zu den wichtigsten Formen der För­derung Bürgerschaftlichen Engagements. 

 

Traditionell ist der Begriff der „Anerkennung“ mit dem Begriff der „Ehre“ verbunden. Der Begriff des „Ehrenamtes“ und die damit in Verbindung stehende „klassische Würdigungspraxis“ legen be­redtes Zeugnis ab.

 

Trotz der besonders in großen Städten voran schreitenden Pluralisierung und Ausdifferenzierung der Lebensstile (Wertewandel) und der professiona­lisierten Systeme der Daseinsvorsorge, gehört das freiwillige Engagement nicht zum „alten Eisen“. Das Gegenteil ist der Fall, wie beispielsweise die Erfah­rungen im Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 eindrucksvoll gezeigt haben. Auch einschlägige Studien wie der Freiwilligensurvey von 1999[1] verwei­sen neben zum Teil unerwartet hohen Enga­gementquoten auf ein „schlummerndes“ Engage­mentpotenzial, das es zu aktivieren und zu fördern gilt, namentlich auch in den jüngeren Bevölkerungs­gruppen.

 

Dieser Bericht wird vor dem Hintergrund eines ergebnisoffenen, wenig spezifizierten Prüfauftrages zunächst das Thema Anerkennung sui generis be­handeln; in seiner Komplexität und Vielfalt und besonderen Bedeutung für das Bürgerschaftliche Engagement.

 

Im zweiten Teil dieses Berichts werden die Er­gebnisse einer Befragung über Modelle und Praxis­erfahrungen in ausgewählten Bundesländern, Städ­ten und Gemeinden in ihren wesentlichen Grundzü­gen vorgestellt und diskutiert.

 

Der dritte Abschnitt wird in knapper Form über bestehende Anerkennungssysteme in Berlin berich­ten. Dazu wurden hier vorliegende Stellungnahmen der sektoralen Senatsverwaltungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit ausgewertet.

 

Der vierte und letzte Abschnitt dieses Berichts wird die Ergebnisse einer ersten Bewertung unter­ziehen. Dazu werden die Einschätzungen und Er­wartungen der Senatsverwaltungen an einen Frei­willigenPass herangezogen, und es wird ein Aus­blick gegeben auf die weiteren Schritte zur Umset­zung des Prüfauftrages. Dabei werden auch Hin­weise aufgenommen über bundesweit und län­derübergreifende Aktivitäten zur Abstimmung über Handlungsfelder des Bürgerschaftlichen Engage­ments und Möglichkeiten ihrer Harmonisierung.

 

1.     Anerkennungskultur

 

Anerkennung stellt zunächst die Perspektive des Einzelnen und seine Motive in den Mittelpunkt, fragt nach den (gewandelten) Bedürfnissen und Wünschen, und zunehmend auch nach dem Eigen­interesse der Freiwilligen.

 

Das zentrale Sinnelement von Anerkennung ist die glaubhafte Botschaft, dass es ohne sie, die Frei­willigen, nicht geht. Und, dass die Trägerorganisati­onen, die Vereine und Verbände und letztlich das Gemeinwesen bereit sind, dieses auch angemessen anzuerkennen.

 

Anerkennung sollte sich nicht in der Verteilung individueller Aufmerksamkeiten oder Belohnungen erschöpfen. Bezogen auf die Berliner Verhältnisse verbietet sich ein solcher „Schnellschuss“ wegen der angespannten Haushaltslage ohnehin. Überdies kön­nen personenbezogene Gratifikationen in Verbin­dung mit geldwerten Vorteilen das eherne Prinzip der Freiwilligkeit auch  konterkarieren.

 

Dem steht das berechtigte Interesse der Freiwil­ligen gegenüber, neben ihrem persönlichen (Ar­beits ) Einsatz nicht auch noch „Geld mitbringen zu müssen“ bspw. für Fahrtkosten oder sonstige Auf­wendungen. Alle bislang diskutierten Ansätze den Anspruch auf Kostenersatz, insbes. Fahrtkosten in der Praxis umzusetzen, scheiterten regelmäßig an der Haushaltsfrage.

An dieser Stelle soll zunächst systematisch  – wertneutral und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die breite Palette der Möglichkeiten von Anerken­nungsformen[2] aufgezeigt werden:

 

 

Formen der Anerkennung des freiwilligen Enga­gements und Ehrenamtes

 

Ideelle Anerkennung

 

Ehrungen und Auszeichnungen

 

·         Verdienstmedaillen und -orden, Ehrennadeln, Ehrenzeichen, Urkunden

·         (ideelle) Preise

·         Ernennungen zum Ehrenbürger

Anerkennung durch Öffentlichkeitsarbeit

·         Berichte über die Arbeit/Leistung von Ehrenamt­lichen in öffentlichen und verbands­internen Medien sowie Publikationen

·         Grußworte, Ansprachen usw. von namhaften Persönlichkeiten

·         (öffentliche) Dankeschön-Veranstaltungen

·         Empfänge bei Politikern, Kontaktgespräche

·         Veranstaltungen zum Tag des Ehrenamts am 5.12.

·         Plakataktionen

·         öffentliche Auswertung von Wettbewerben und Preisverleihungen

Direkte persönliche Anerkennung

·         ständige Kontakte und Gespräche zwischen den Haupt- und Ehrenamtlichen

·         "Geselligkeit", u.a. Einladung zu Organisations­feiern

·         "Lob" für geleistete Arbeit

·         Übergabe von Verantwortung, Regelungen für die Mitsprache

·         Vertrauensbeweise, z.B. eigener Etat, eigene Schlüssel für die Räumlichkeiten einer Organi­sation, Mitspracheregelungen

·         Gratulationen zu Geburtstagen und Feiertagen (z.B. Glückwunschkarten)

·         Dankesschreiben

Nachweise zur Dokumentation der Tätigkeit und der Qualifikation

·         Ehrenamts-"Ausweise" oder Zertifikate, z.B. Jugendleiter-Card, Übungsleiterlizenzen, Pla­ketten

·         Abzeichen zur Dokumentation des Ausbildungs­standes, z.B. bei den Pfadfindern

·         Verleihung von Diensträngen, z.B. bei der Frei­willigen Feuerwehr

·         Eintrag von ehrenamtlichem Engagement von Schülern ins Zeugnis oder in ein entsprechendes Beiblatt (Bayern, Berlin, NRW, Baden-Würt­temberg, Hessen, Rheinland-Pfalz)

·         Nachweis über ehrenamtliches Engagement bei verschiedenen kirchlichen und Wohlfahrtsorga­nisationen (z.B. Deutscher Kinderschutzbund, Katholischer Deutscher Frauenbund, Kolping­werk)

Materielle Anerkennung

Finanzielle Leistungen

·         Erstattung von Verdienstausfall bei Freistellung (z.B. bei ehrenamtlicher Tätigkeit in der Ju­gendarbeit durch gesetzliche Regelungen in Großteil der Bundesländern)

·         Aufwandsentschädigungen

·         Erstattung von Fahr-, Telefon-, Porto- und ähnli­che Kosten

·         Geld-Preise bei Wettbewerben für Einzelperso­nen und Organisationen (z.B. Generationenpreis des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Lorenz-Werthmann-Preis der Caritas, Freiherr-vom-Stein-Preis der Alfred Toepfer Stiftung)

Geldwerte Vorteile

·         Ermäßigungen/Kostenerlass bei Dienstleistun­gen: freier/ermäßigter Eintritt in städtische und verbandliche Einrichtungen, Kost- und Logis­freiheit, kostenlose Nutzung von Nahverkehrs­mitteln (z.B. im Kreis Schleswig-Flensburg für Ehrenamtliche der Jugendarbeit), ermäßigte Bahncard (u.a. in Baden-Württemberg bei Vor­lage der Jugendleitercard)

·         lebenslange Rente für ehrenamtliches Engage­ment in politischen Ehrenämtern (z.B. Ehren­soldgesetz in Rheinland-Pfalz für ehrenamtliche Bürgermeister, Beigeordnete und Ortsvorsteher)

·         Steuerfreibetrag für Aufwandsentschädigung (z.B. "Übungsleiterpauschale")

·         Anrechnung von ehrenamtlichen Pflegezeiten für die gesetzliche Rentenversicherung

Sachleistungen

·         Geschenke zu Geburtstagen und Feiertagen

·         Freikarten für Veranstaltungen

·         Auszeichnungsreisen (z.B. Aktion "Stille Stars des Sports" beim Deutschen Sportbund)

·         Sach-Preise bei Wettbewerben für Einzelperso­nen und Organisationen

Praktische Vergünstigungen und Privilegien

·         Sonderurlaub (z.B. für Jugendleiter in den meis­ten Bundesländern gesetzlich geregelt), Bil­dungsurlaub, Freistellungen (z.B. die bundes­einheitliche Regelung für Schöffen, ehrenamtli­che Richter, Beigeordnete etc.)

·         Möglichkeiten der Teilnahme an Aus- und Wei­terbildungen

·         Anerkennung von im Ehrenamt erworbenen Qualifikationen, z.B. bei der Suche nach einem Studien-, Ausbildungs- und Arbeitsplatz

·         Unfall- und Haftpflichtversicherung (insbeson­dere im sozialen Bereich gesetzlich geregelt)

·         heimatnaher Einsatz von Wehrpflichtigen mit einem Ehrenamt

 
2.        Berichte aus Bundesländern, Städten und Kom­munen

 

Nachfolgend wird über eigens eingeholte Stel­lungnahmen aus ausgewählten Bundesländern be­richtet. Einzig Nordrhein-Westfalen hat mit dem Landesnachweis „Engagiert im sozialen Ehrenamt“ ein flächendeckendes Instrument zum Nachweis und zur Zertifizierung von ehrenamtlicher Arbeit entwi­ckelt. In den anderen Bundesländern gibt es auf der kommunalen Ebene verschiedenartige Modelle des Ehrenamtsnachweises und damit in Verbindung stehende Anerkennungsformen, sowohl ideell wie materiell und in Mischformen

 

Insgesamt gewinnt man den Eindruck einer in vielen Bundesländern bestehenden Handlungsbereit­schaft und damit in Verbindung stehender kreativer Experimentierfreude. Tendenziell lassen sich für die süddeutschen Länder und ihre Kommunen schwer­punktmäßig materielle Anerkennungssysteme ver­orten, die sowohl auf öffentlich wie privat finan­zierte Gewährung von geldwerten Vergünstigungen basieren. Die norddeutschen Länder reflektieren, soweit erkennbar mehr auf ideelle Anerkennungs­systeme, mit einem starken Bezug und Interesse an Förderung und Zertifizierung von Fortbildung und Qualifizierung im Ehrenamt.

 

Die „Jugendleitercard“ (Juleica) hat sich als bun­desweites Anerkennungssystem für den Bereich der Jugendarbeit etabliert, und befindet sich solcherart in einer Ausnahme- wie Vorreiterrolle.

 

2.1.  Baden-Württemberg

 

In BW gibt es kein landeseinheitliches Instru­ment der Zertifizierung und Anerkennung Bürger­schaftlichen Engagements. Auf kommunaler Ebene haben beispielsweise Ulm und Nürtingen (s. unten) entsprechende Anerkennungssysteme entwickelt.

 

Die Stabsstelle Bürgerengagement im Sozialmi­nisterium berichtet in ihrer Stellungnahme u.a. über das sog. Mentorenprogramm und über landeseigene Regelungen zur bundeseinheitlichen Jugendleiter­card (Juleica).

Daneben werden als wesentliche Instrumente der Anerkennungskultur in Baden-Württemberg das „Zeugnisbeiblatt“ und der „Qualipass“ vorgestellt:

Beiblatt zum Zeugnis

Seit dem Schuljahr 1995/96 können sich Schüle­rinnen und Schüler in BW ihre ehrenamtlichen Tä­tigkeiten im außerschulischen Bereich in einem Beiblatt zum Zeugnis (Formular ist per Internet beim Landesbüro Ehrenamt erhältlich) bestätigen lassen. Dieses Beiblatt kann auf Wunsch dem Zeugnis bei­gefügt werden und sich beim späteren Übergang in das Berufsleben wegen der im Ehrenamt erworbenen Schlüsselqualifikationen als vorteilhaft erweisen.

Qualipass

Der Qualipass richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 25 Jahren.  Er dokumentiert Praxiserfahrungen und Kompetenzge­winne, die Jugendliche durch Praktika, Vereinsmit­arbeit, Schülerinitiativen, Auslandsaufenthalte, Nachbarschaftshilfe oder vergleichbare Tätigkeiten erworben haben. Der Qualipass will die Vermitt­lungschancen in eine passende Ausbildung, Arbeit, Existenzgründung oder Weiterbildung verbessern.

 

Herausgeber sind das Kulturministerium BW, die Freudenbergstiftung und das Landesarbeitsamt Ba­den-Württemberg. Im ersten Jahr der Einführung (2002) wurden 70.000 Qualipässe an Jugendliche weitergegeben.

 

BW ist am Ergebnis der Länderumfrage bzw. des Prüfungsergebnisses stark interessiert, da es Überle­gungen gibt, ein landesweit gültiges Zertifikat einzu­führen.

2.1.1. Nürtingen (37.000 EW)

Nürtingen ist eine schwäbische Kreisstadt bei Esslingen. Wegen der bereits in den frühen 90er Jahren entwickelten Aktivitäten im Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements gilt Nürtingen als die „heimliche Hauptstadt der Freiwilligenarbeit“. Die Nürtinger Anerkennungskultur ist geleitet von den drei Ws: Wertschätzung, Würdigung und Wei­terbildung.

 

Die Stabsstelle für Bürgerengagement beim ers­ten Bürgermeister hat mit dem „Nürtinger Freiwil­ligenpass“ ein lokales Bonussystem mit etwa 140 Gutscheinen von Handel, Banken, Verwaltung und lokaler Wirtschaft entwickelt. Freiwillig Engagierte haben die Möglichkeit einen Lieblingsscheck und vier Ersatzschecks auszuwählen. Die Palette der Möglichkeiten umfasst u.a. Kino-, Bade- und Ein­kaufsgutscheine, verbilligte Konzert- und Theaterbe­suche, Einladungen von Abgeordneten nach Stutt­gart oder Berlin, Fort- und Weiterbildungen, Gut­scheine der Büchereien etc.

 

Procedere: Die Freiwilligen treffen mittels „Wunschzettel“ aus dem veröffentlichten Pass ihre Auswahl. Die Geschäftsstelle Bürgerengagement verschickt nach Prüfung und Reihenfolge des Posteingangs die Originalschecks oder Gutscheine an die Freiwilligen. Der Wert des Passes, die Summe der Gutscheine, beläuft sich auf ca. 15.000 €.

 

Die Herstellungs- und Administrationskosten werden mit rund 5.000 € angegeben.

 

Direkte Aufwandsentschädigungen werden nicht gezahlt.

 

Im Bereich der Fort- und Weiterbildung gibt es Angebote seitens der Volkshochschulen und der Freiwilligenakademie,

 

Daneben gibt es als Angebot speziell an die Ju­gend das „Tu-Was-Tagebuch“. Darin werden bei­spielsweise freiwillige Aktivitäten in Vereinen und Verbänden, in der Behindertenarbeit oder im Um­weltschutz dokumentiert. Das Tu-Was-Tagebuch dient am Ende des Schuljahres als Grundlage für ein vom Oberbürgermeister ausgestelltes Zertifikat, welches als Nachweis für erworbene soziale Kom­petenz gilt – einem wichtigen Kriterium bei der Vergabe von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen.

2.1.2. Ulm (110.000 EW)

Die Zentrale Bürgeragentur im Ulm (ZEBRA) gibt seit 2001 gemeinsam mit dem Stadtjugendring Ulm und der Stadt Ulm die ULMER FREIWIL­LIGENCARD (FC) heraus. Inhaber der Karte er­halten dauerhafte Vergünstigungen[3] sowie jährlich einen Gutschein[4] aus dem vielseitigen Angebot von Sponsoren.

Die Freiwilligencard Ulm erhalten Personen, die:

·         in Ulm freiwillig und ehrenamtlich tätig sind und

·         mindestens 16 Jahre alt sind und

·         deren Engagement seit mindestens einem Jahr besteht und

·         mindestens vier Stunden pro Woche besteht und

·         die ihr Engagement schriftlich und formlos nachweisen können

 

Die Freiwilligencard erhalten auch Personen, die

·         bereits Inhaber der Jugendleitercard (Juleica) sind oder

·         Teilnehmer des freiwilligen sozialen Jahres oder

·         pflegende Angehörige

 

Die Karte richtet sich zielgruppenübergreifend an alle Freiwilligen. Es sind von der zentralen Aus­gabestelle ZEBRA, die auch die Sponsorensuche und -betreuung erledigt, bis dato ca. 800 Karten ausgegeben worden. ZEBRA ist zuständig für die Erstaushändigung und für die Verlängerung. Die Karte ist im Plastik-Scheckkartenformat mit Pass­foto gestaltet. Sie wird einmalig ausgegeben und dann jährlich mit einem aktuellen Jahresaufkleber, gegen Vorlage einer neuen Bestätigung, verlängert.

 

Kosten: Die Ulmer Bürger Stiftung hat mit einer einmaligen Anschubfinanzierung von seinerzeit 30.000 DM die Werbekosten (Flyer, Plakate, Auf­kleber für Partner) sowie die Kosten der Karte in Höhe von 10.000 DM getragen. Die Sponsoren tra­gen alle Kosten der Vergünstigungen und Gut­scheine. Sie erhalten im Gegenzug einen Aufkleber, der sie als Partner ausweist, und sie dürfen ihr Logo auf die Homepage des Bürgerbüros stellen.

 

Die laufenden Administrationskosten der Karte (Porto, Druck, Telefon) werden mit jährlich 1.000 € angegeben. Mir der Umsetzung war in der Anfangs­phase eine Halbtagskraft gebunden.

 

Die Bürgeragentur hat eine Fragebogenaktion über die Wünsche der Freiwilligen und zur Akzep­tanz/Nutzung der Karte durchgeführt. Die Ergeb­nisse liegen leider noch nicht vor.

2.2. Bayern

Der Bayerische Landtag hat sich erst vor Mo­natsfrist mit zwei LT-Beschlüssen mit dem The­menkomplex Ehrenamtspass und Vergünstigungen für Ehrenamtliche als Anerkennung befasst. Nach entsprechenden Prüfaufträgen des Landtags gelangte die Bayerische Staatsregierung zu nachfolgenden Ergebnissen:

 

1.        Überlegungen zur Schaffung eines Ehrenamtspas­ses werden nicht weiter verfolgt

2.        Bayern verzichtet auf die landesweite Einfüh­rung eines Systems von Vergünstigungen für Ehrenamtliche in Vereinen und Organisationen als Anerkennung für Bürgerschaftliches Enga­gement. Den Kommunen wird freigestellt, ei­gene  Vergünstigungssysteme zu entwickeln.

Zu 1.: Das Sozialministerium hat im Rahmen des erteilten Prüfauftrags zu einem Ehrenamtsnachweis zwei bereits in der Praxis erprobte Modelle näher untersucht:

 

Ø       Den „Schweizerischen Sozialzeitausweis (SSA) und

Ø       Den „Ehrenamts- und Fortbildungsnachweis“ des Katholischen Deutschen Frauenbundes, LV Bayern (KDFB)

 

Eine ausführliche Entfaltung der Wirkungsweise der beiden Nachweise kann hier nicht erfolgen. Wir dokumentieren nachfolgend auszugsweise die Be­wertung durch das Sozialministerium:

 

„Das Sozialministerium hält eine generelle Ein­führung von Ehrenamtsnachweisen grundsätzlich für möglich, ist jedoch der Auffassung, dass dies nicht angestrebt werden soll. Es müssen neben den ange­strebten Vorteilen auch die mit einer Einführung verbundenen Nachteile (Kosten und bürokratischer Aufwand) gesehen werden. (...) Die Ausweise dienen im Wesentlichen der Selbstdokumentation. Die Richtigkeit der Angaben kann nur auf Plausibilität geprüft werden. Der Nutzen für den einzelnen eh­renamtlich Tätigen geht in der Regel über die per­sönliche Bestätigung nicht hinaus. Erheblich verbes­serte (Wieder-) Einstellungschancen in den ersten Arbeitsmarkt werden dadurch nicht erreicht. Ledig­lich bei nachgefragter sozialer Kompetenz können positive Effekte erwartet werden. Das Sozialministe­rium hält verbandesspezifische Lösungen für mach­bar. Damit obliegt es den Trägern und Anbietern (...), für ihre ehrenamtlich Tätigen entsprechende Nachweisformen einzuführen. Sie können damit ihren ehrenamtlich Tätigen Anerkennung ausspre­chen und so deren Engagement an sich binden.“

 

Zu 2.: Bei der Prüfung nach landesweiter Einfüh­rung eines Systems von Vergünstigungen für Ehren­amtliche in Vereinen und Organisationen als Aner­kennung für Bürgerschaftliches Engagement wurden drei Lösungsvorschläge näher untersucht und be­wertet:

 

Ø       „Ehrenamt-Card“ für alle ehrenamtlich Tätigen (als theoretische Annahme)

Ø       „Hessen-Modell“

Ø       „Aktiv-Card“ der Stadt Erlangen

 

Das Sozialministerium gelangt abschließend zu dem Ergebnis, dass Vergünstigungen bei der Nut­zung von öffentlichen Einrichtungen in die Zustän­digkeit der Kommunen fallen. Weiter heißt es: „Von eigenen Regularien des Freistaats wird aus Gründen der Praktikabilität und des Verwaltungsabbaus strikt Abstand genommen.“

2.3. Bremen

In Bremen gibt es landesweit, wie in anderen Bundesländern auch, als Anerkennungssystem le­diglich die Jugendleitercard. Es gibt allerdings in allen Bereichen Überlegungen und Gespräche um gemeinsam, insbesondere mit den Ressorts Inne­res/Sport sowie Gesundheit/Soziales und Kultur eine Ehrenamtskarte zu schaffen. Die noch nicht lang zurückliegende Wahl der Bremischen Bürgerschaft und die Haushaltsberatungen haben eine konzertierte Aktion in dieser Richtung bislang erschwert.

2.4. Hamburg

Die offizielle Mitteilung aus Hamburg fällt zu­rückhaltend aus. Bei den in der Landesinitiative „Hamburg engagiert sich“ zusammengeschlossenen Akteuren aus Politik, Verwaltung und Nichtregie­rungsorganisationen, namentlich des sog. „Tivoli-Netzwerks“ gibt es Zeichen der Zustimmung zur Einführung eines Landesnachweises über Leistun­gen und Kompetenzen für Freiwillige. Dieser soll sich unter dem Gebot der Kostenneutralität auf die Würdigung der geleisteten Arbeit und die Zertifizie­rung der dabei erworbenen Kenntnisse und Qualifi­kationen beschränken. Die Einrichtung eines abge­stuften Systems geldwerter Vorteile und Vergünsti­gungen nach dem Vorbild süddeutscher Kommunen wird wegen des größeren Einzugsbereichs und der damit in Verbindung stehenden Fallzahlen eher skeptisch gesehen.

 

Erwähnung finden sollte in diesem Zusammen­hang noch das Hamburger Freiwilligenbuch, das 1998 von der Patriotischen Gesellschaft von 1765 in Hamburg initiiert wurde. Es ist ein Belegheft für jede Bürgerin und jeden Bürger und nicht speziell auf Jugendliche ausgerichtet. Es dokumentiert frei­williges und ehrenamtliches Engagement im Sozial­bereich, in Kultur, Sport und Kirchengemeinden, in Politik und Umweltschutz und anderem mehr. Mit diesem Heft wird die Vielfalt und der Umfang Bür­gerschaftlichen Engagements in Hamburg sichtbar gemacht. Es soll dem Nachweis persönlich geleiste­ter Tätigkeiten dienen und kann als sichtbare Bestä­tigung und persönlicher Leistungsnachweis vorge­legt werden, bei der Suche nach einem Ausbil­dungsplatz, beim Wiedereinstieg in den Beruf oder der Stellensuche.


 

2.5.   Hessen

Die Hessische Staatskanzlei hat im Oktober 2002 in Kooperation mit den Kreisen Bergstraße und Offenbach ein Landesmodellprojekt „E-Card – Vergünstigungen öffentlicher und privater An­bieter für freiwillig Tätige“ eingerichtet. Ziel der E-Card (Abkürzung für Ehrenamts-Card) ist die Bereitstellung spezieller vergünstigter oder kosten­loser Angebote für Freiwillige durch öffentliche und private Einrichtungen auf kommunaler, Kreis- und Landesebene. Die mit der E-Card verbundenen Ver­günstigungen werden vom Land Hessen und den beteiligten Landkreisen bereitgestellt. Neben dem materiellen Angebot soll die E-Card nicht zuletzt auch eine ideelle Anerkennung der geleisteten Frei­willigenarbeit darstellen und die bestehende Ver­einsförderung ergänzen.

 

Zielgruppe der E-Card sind Menschen die prakti­sche Freiwilligenarbeit leisten. Ehrenamtliche Man­dats- und Funktionsträger oder sonstige Ehrenamtli­che, die bereits pauschale Aufwandsentschädigun­gen erhalten, gehören nicht dazu.

 

Die Vergabe der jeweils 500 E-Cards an den Modellstandorten Kreis Bergstraße (260.000 EW) und Offenbach (117.000 EW) erfolgt zentral über die Kreisverwaltungen. Verbände, Vereine und Initi­ativen wurden aufgerufen Anträge für Freiwillige zu stellen, die die Vergabekriterien erfüllen.

 

Die E-Card wird in Form einer Plastikkarte (Scheckkarte) ausgegeben und verschafft dem/der Inhaber/in in Verbindung mit dem Personalausweis Zugang zu Vergünstigungen. Dazu zählen vor allem ermäßigte Eintrittspreise zu öffentlichen Einrichtun­gen sowie zu Kultur- und Fortbildungsveranstaltun­gen.

 

Die wissenschaftliche Begleitforschung wird vom Institut für Sozialforschung (isis) mit Sitz in Frankfurt/M. durchgeführt. Die Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen. Nach vorläufiger Ein­schätzung der Projektkoordination im Kreis Berg­straße wird die ideelle Anerkennung für mindestens ebenso wichtig angesehen wie die gewährten Ver­günstigungen.

 

Bei erfolgreichem Verlauf soll das Modell E-Card in Hessen landesweit umgesetzt werden.

2.6.   Niedersachsen

Eine noch junge Form der Anerkennung stellt die Zertifizierung ehrenamtlicher Arbeit dar, die z. B. für Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz oder um eine Arbeitsstelle von Nutzen sein kann. So bestätigt beispielsweise in Niedersachsen die Lan­deshauptstadt Hannover in einem offiziellen Zertifi­kat den Freiwilligen auf Wunsch:

 

·         den Tätigkeitsbereich mit den wahrgenomme­nen Aufgaben,

·         den zeitlichen Einsatz des Engagements und

·         die erworbenen Qualifikationen bzw. die Teil­nahme an Fort- und Weiterbildungen

2.7.   Nordrhein-Westfalen

Den Landesnachweis NRW „Engagiert im so­zialen Ehrenamt“ - entwickelt von der Landesre­gierung in Zusammenarbeit mit Trägerorganisatio­nen des sozialen Ehrenamtes sowie Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden – gibt es seit dem 1. Januar 2001.

 

Sozial engagierte Menschen können sich – auf freiwilliger Basis und nicht als Arbeitszeugnis -  diesen Nachweis ausstellen lassen. Er würdigt und dokumentiert die im sozialen Ehrenamt geleisteten Tätigkeiten und die dabei erworbenen Kompetenzen.

 

Die Initiative zur Einführung des Passes geht auf das Anliegen der Ehrenamtlichen zurück, ihre im sozialen Engagement erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen mit Hilfe eines landesweit eingeführ­ten/einheitlichen Nachweises dokumentieren und für die Berufswelt nutzbar machen zu können. Arbeit­gebern gilt der Landesnachweis als geeignetes In­strument, um soziale Kompetenzen von Bewerbern zu beurteilen.

 

Eine qualitative Evaluation, die Aufschluss über die bisherige Praxis und Möglichkeiten der Weiter­entwicklung geben soll, läuft zur Zeit noch. Aus­wertung und erste Ergebnisse sind Ende des Jahres zu erwarten.

 

Der Landesnachweis kann nur von eigens hierzu berechtigten Organisationen und Verbänden ausge­stellt werden. Eine Arbeitsgruppe „Landesnachweis NRW“ entscheidet über die Vergabe weiterer Aus­stellungsberechtigungen. Die berechtigten Vereine und Verbände können mittels  eines Passworts das Formular zum Landesausweis im Internet abrufen und ausstellen.

 

Der Landesnachweis gilt für das Land NRW. Die Zielgruppe der ehrenamtlich Engagierten wird mit etwa 6 Millionen angegeben.

 

Der Landesnachweis deckt derzeit nur den Be­reich des „sozialen Ehrenamts“ ab. Die Erweiterung auf Zuständigkeitsbereiche anderer Ressorts wird angestrebt, z.B. auf den des Innenministeriums (DLRG, Feuerwehr, Weißer Ring).

 

Der Landesnachweis ist nicht mit direkten Ver­günstigungen oder Gratifikationen verbunden, auch nicht zur bevorzugten oder ermäßigten Fort- und Weiterbildung!

 

Zur Beschreibung des Kompetenz- und Fähig­keitsprofils wird allerdings die erfolgreiche Teil­nahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen dokumentiert.

 

Der Landesnachweis bietet solcherart eine Hilfe­stellung für den Berufseinstieg, das berufliche Fort­kommen oder den Wiedereinstig in den Beruf. Ziel­gruppe hier sind v.a. junge Menschen, Frauen und Männer nach der Familienphase und sozial enga­gierte Erwerbstätige.

 

Die Kosten für die Entwicklung des Landes­nachweises NRW „Engagiert im sozialen Ehrenamt“ (grafische Gestaltung, konzeptionelle Entwicklung einer PC-Anwendungssoftware und Programmie­rung) betrugen rund 7.500 €. Die Kosten der laufen­den Administration - bei Verbänden und Organisati­onen – sind bis dato nicht bekannt.

2.8.  Rheinland-Pfalz

Als gesellschaftliche Anerkennung für Ehren­amtliche wird in der Stadt Mainz (200.000 EW) der Mainzer EhrenamtSpass ausgestellt.

 

Die Leistungen erstrecken sich auf Vergünsti­gungen bei ca. 40 Unternehmen in Mainz (Rabatt­liste). Darüber hinaus erhält jeder Passinhaber bei Ausstellung des Passes einen Gutschein nach Wahl (Gutscheinliste).

 

Die traditionell-ideellen Formen der Anerken­nung (Ehrungen, Urkunden, Zeitungsartikel etc.) erschienen dem federführend zuständigen Mainzer-Freiwilligen-Zentrum nicht ausreichend, nicht umfassend genug und zum Teil auch nicht mehr zeitgemäß.

 

Der Pass deckt das gesamte Spektrum ehrenamt­licher Arbeit ab.

 

Die Entwicklung und Realisierung des Passes er­folgte im Rahmen einer vom Arbeitsamt geförderten Weiterbildung für arbeitslose Akademiker („Pro­jektmanagement“) in nur 6 Monaten.

 

Die laufende Passausgabe und die Einwerbung von Sponsoren erfolgt vorrangig durch ehrenamtli­che Mitarbeiter/innen. Dazu sind im Freiwilligen-Zentrum feste Zeiten der Passausgabe eingerichtet worden, zu denen die zukünftigen Karteninhaber persönlich und mit Passbild erscheinen müssen. Der darüber hinaus entstehende Verwaltungsaufwand wird von den beiden festen Mitarbeiter/innen des Freiwilligen-Zentrums abgedeckt.

 

3.     Anerkennungssysteme in Berlin – Berichte aus den Senatsverwaltungen

In Berlin gelangen derzeit nachfolgende Aner­kennungsmodelle für freiwilliges Engagement zum Einsatz:

 

·         Die Berliner Ehrennadel für besonderes sozi­ales Engagement wird jährlich im Rahmen ei­ner Feierstunde am 5. Dezember – dem Interna­tionalen Tag des Ehrenamts – von dem für das Sozialwesen zuständigen Senatsmitglied verlie­hen. Die Berliner Ehrennadel erhalten Personen, die sich durch langjährige, ehrenamtliche Tätig­keit in Vereinen, Organisationen und Initiativen oder bei der Betreuung und Begleitung von Per­sonen herausgehobene Verdienste erworben ha­ben. Die Verdienste sollen vor allem in Berlin erworben worden sein und mindestens 10 Jahre umfassen. Es werden jährlich bis zu 12 Ehren­nadeln – in Verbindung mit einer Urkunde – verliehen.

 

·         Jugendleitercard (Juleica)     
Jugendgruppenleiter/innen sind in vielfältigen Aufgabenfeldern der Jugendarbeit nach § 11 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) tätig. In Berlin gibt es etwa 1.200 Jugendgrup­penleiter. Zu Ihren Aufgabenbereichen gehören insbesondere die Organisation und Durchfüh­rung von Jugend- und Kindergruppenarbeit, Fe­rien- und Freizeitmaßnahmen, Internationale Begegnungen, Bildungsmaßnahmen (z.B. Kurse der außerschulischen Jugendbildung) sowie Leitung von Fach- und Neigungsgruppen und die Weiterentwicklung der Jugendarbeit. We­sentlich sind in diesem Bereich die Aktivitäten freier Träger und insbesondere auch der Ju­gendverbände. Hier ist in Kooperation mit dem Landesjugendamt insbesondere der Landesju­gendring Berlin aktiv. Mit dem sog. Schnäpp­chenführer werden Vergünstigungen beim Ein­kauf und bei der Nutzung öffentlicher Einrich­tungen eingeräumt.

 

·         Seit 1998 können sich Schüler eine ehrenamtli­che Tätigkeit mit Schulbezug direkt auf dem Zeugnis, eine Tätigkeit, die nicht in einem schulischen Zusammenhang steht, auf einem Beiblatt zum Zeugnis vermerken lassen. Die Tätigkeit muss über eine reine Mitgliedschaft in einer Organisation hinausgehen und entgeltfrei ausgeübt werden. Darzustellen sind Art und Dauer der ehrenamtlichen Tätigkeit und die Aufgabengebiete. Der mit dem Zeugnisbeiblatt erbrachte Nachweis kann z.B. bei Bewerbungen hilfreich sein.

 

·         Ehrungen/Jubiläen im Sport:

 

Ø       Ehrenplaketten für Förderer des Sports

Ø       Auszeichnungen für die beste Jugendarbeit in Vereinen

Ø       Sonderehrung/Jubiläumsgaben an Turn- und Sportvereine

Ø       Ehrenpreise für Sportveranstaltungen.

Ø       Zusätzlich bedankt sich der Regierende Bür­germeister alljährlich bei Ehrenamtli­chen (auch aus dem Bereich des Sports) im Rahmen einer Ehrung für die geleistete Ar­beit

 

·         Möglichkeiten zu Fortbildung und Qualifizie­rung als Anerkennung für Ehrenamtliche finden in Berlin in vielerlei Hinsicht statt. Beispielhaft seien an dieser Stelle die Schulungen und Lehr­gänge an der von der Senatsverwaltung für Bil­dung, Jugend und Sport geförderten Bildungs­stätte der Sportjugend Berlin genannt. Haupt­aufgabe der Einrichtung ist die außerschulische Jugendbildung auf Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.

 

·         Für ehrenamtlich tätige Beschäftigte des Landes Berlin besteht die Möglichkeit der Gewährung von Sonderurlaub für besondere Angelegen­heiten der Jugendarbeit, für die Teilnahme an herausragenden Sportveranstaltungen (z.B. für aktive Sportler, für ehrenamtlich tätige Kampf- und Schiedsrichter, Betreuer, ärztliche und technische Hilfskräfte). Die Senatsverwaltung bestätigt auf Antrag das besondere Interesse des Landes Berlin als Grundlage für die Sonderur­laubsgewährung.

 

·         Im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes werden die ehrenamtlichen Mitglieder der ein­schlägigen Hilfsorganisationen einmal jährlich vom für Inneres zuständigen Senator mit einem  Feuerwehr- und Katastrophenschutzehren­zeichen für 10, 25 oder 40-jährige Mitwirkung geehrt.

·         Der Familienpass ist wegen der sozialpoliti­schen Ausrichtung als quasi Nachteilsausgleich für Familien mit einem oder mehreren Kindern nicht dem Instrumentarium zur Förderung von ehrenamtlicher Tätigkeit zuzuordnen. Der Fa­milienpass könnte jedoch bei Einführung einer materiell orientierten Anerkennungskultur wichtige Hinweise und Erfahrungen über das Handling eines Sponsorengestützten Vergünsti­gungssystems liefern. Der Pass wird herausge­geben vom JugendKulturService.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass „die Forderung nach einem FreiwilligenPass in Ber­lin bereits im Rahmen des Internationalen Jahr des Ehrenamts (IJE) 2001 erörtert worden ist. In dem vom Treffpunkt Hilfsbereitschaft veranstaltetem Forum war unter den Teilnehmern keine einhellige Meinung zur Einführung eines solchen Passes in Berlin festzustellen.

 

Noch nicht befriedigend gelöst sind Fragen nach dem Kreis der Berechtigten, Art und Umfang der tatsächlichen materiellen Vorteile und den mit der Einführung eines solchen Passes verbundenen Kos­ten. Schließlich steht auch noch eine Bewertung des damit einhergehenden administrativen Aufwandes aus. (...) Soweit mit einem solchen Pass tatsächliche materielle Vorteile erwartet werden, bleibt abzu­warten, inwieweit es in Berlin eine tatsächliche Bereitschaft gibt, Vergünstigungen zu gewähren bzw. Prämien bereit zu stellen. Bereits zum gegen­wärtigen Zeitpunkt kann ausgeschlossen werden, dass seitens des Senats Vergünstigungen (Auf­wandsentschädigungen, Fahrgelderstattung bzw. vergünstigte ÖPNV – Benutzung) gewährleistet werden, die zusätzliche Haushaltsmittel erfordern“[5]. Diese Position hat auch nach Auswertung der hier vorliegenden Berichte aus den Bundesländern und den Stellungnahmen der Fachverwaltungen weiter­hin Bestand.

 

Denn, selbst wenn ein FreiwilligenPass auf Lan­desebene wünschenswert wäre, liegt in dieser Ab­sichtserklärung[6] soviel Problematik, dass eine Lö­sung zunächst unwahrscheinlich erscheint. Dies wurde durch die Diskussion am 26.August 2003 in der ressortübergreifenden AG „Bürgergesellschaft“ bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz weitgehend erhärtet.

 

Die dort aufgeworfenen Fragen (u.a. Definition des Begriffes Ehrenamt, der Zielgruppe, der Be­rechtigungsvoraussetzungen und -qualifikation, des erforderlichen Umfangs der Tätigkeit, der Notwen­digkeit einer Verbindung mit einer Vereinsmitglied­schaft, der Organisation und Kontrolle sowie der Finanzierung) bedürfen vor einer Entscheidung zur Thematik „EhrenamtsPass“ einer umfassenden Klä­rung.

 

Das Bürgerschaftliche Engagement lebt ganz wesentlich von der Anerkennung der freiwillig En­gagierten für ihr ganz persönliches Wirken. Wie gezeigt, unterliegen die Motive der Freiwilligen und ihre gewählten Engagementbereiche einem bestän­digen Wandel. Das klassische Ehrenamt mit einer zumeist langjährigen Bindung an eine bestimmte Trägerorganisation wird zusehends ergänzt und abgelöst von neueren Formen des kurzfristigen En­gagements in verschiedenen gesellschaftlichen Be­reichen und Initiativen, häufig getragen von eigenen biografischen Ansprüchen und dabei geltend ge­machten Zeitsouveränitäten.

 

Der Kreis der freiwillig Engagierten ist mitnich­ten eine große homogene Bevölkerungsgruppe mit überwiegend altruistischem Lebensentwurf. Bei der Auswahl oder Entwicklung einer zielführenden Anerkennungskultur gilt es die Motivlagen der Freiwilligen, ihre Lebensentwürfe und vor allem ihre objektiven Lebenslagen (Zielgruppe) als Objekt wie handelndes Subjekt in den unterschiedlichen Hand­lungsfeldern zu berücksichtigen.

 

Wie gezeigt, ist die Palette der möglichen Aner­kennungsformen des freiwilligen Engagements aus­gesprochen vielfältig. Grundsätzlich ist zu unter­scheiden zwischen ideellen und materiellen Aner­kennungen sowie praktischen Vergünstigungen.

 

Bereits eingangs wurde festgestellt, dass die Um­frage unter den Bundesländern tendenziell ein Nord-Süd-Gefälle erkennen lässt: Die süddeutschen Län­der und Gemeinden neigen mehr zu sponsorenge­stützten materiellen Anerkennungsformen, während die norddeutschen Länder und Städte mehrheitlich ideelle Anerkennungsmodelle präferieren. Für die meisten der vorgestellten Modelle sind begleitende Erhebungen und Umfragen sowie wissenschaftliche Begleituntersuchungen beauftragt worden. Erste Ergebnisse werden erst zum Ende des Jahres vorlie­gen.

 

Bestehende öffentliche Vergünstigungen werden in Berlin als Nachteilsausgleich für bestimmte Ziel­gruppen (z.B. Schüler, Studenten, Behinderte, Seni­oren) oder als sozialpolitische Kompensation für Familien (Familienpass), gewährt. Die Frage, ob über die bestehenden Ermäßigungsregelungen hin­aus, z.B. im ÖPNV, zusätzliche öffentliche Anreize zur Förderung freiwilligen Engagements zu Verfü­gung gestellt werden können, ist angesichts der Berliner Haushaltslage nur bei einem Engagement Dritter (Sponsoren, Projektpartner o.ä.) denkbar.

 

Die mit der beauftragten Prüfung zur Einführung eines FreiwilligenPasses gehegte Erwartung auf Inanspruchnahme von geldwerten Vergünstigungen, z.B. über Sponsoring durch Dritte, muss nach Lage der hier vorgestellten Zwischenergebnisse aus den Bundesländern kritisch gesehen werden.

 

Unter der Annahme, dass die Ergebnisse der Be­gleitforschung der o.a. Beispiele positiv ausfallen und eine Verstetigung und/oder Übertragung dieser Modelle auf Großstädte und Agglomerationen prin­zipiell nahe legen, bleibt als bis dato ungelöstes Problem die Frage der Administrierung des Systems. Die hier vorgestellten Modellprojekte entfalten aus­nahmslos in kleinen und mittelgroßen Städten und Landkreisen ihre Wirkung. Eine Übertragbarkeit auf eine Millionenmetropole wie Berlin würde erhebli­che Umsetzungsanforderungen auslösen, deren un­mittelbare Kosten derzeit auch überschlägig nicht zu beziffern sind. Das gilt auch im besonderen für die personalwirtschaftlichen Auswirkungen, soweit der Senat selbst oder ein von ihm beauftragter „freier Träger“ aus dem Spektrum der Verbände und Orga­nisationen mit dieser Aufgabe betreut werden soll.

 

In den vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend regelmäßig veran­stalteten Bund-Länder-Besprechungen zum Bür­gerschaftlichen Engagement werden auf der Grundlage der Empfehlungen der Enquete-Kommis­sion des Deutschen Bundestages „Zukunft des Bür­gerschaftlichen Engagements“ regelmäßig Themen von länderübergreifendem Interesse aufgegriffen und diskutiert.

 

Aus Berliner Sicht sollte für eine der nächsten Sitzungen ein intensiver Austausch über Fragen und Praxismodelle von Anerkennungskultur angeregt werden – auch vor dem Hintergrund ungleich ver­teilter finanzieller Ressourcen.

 

Fünf Jahre nach der Durchführung des 1. Frei­willigensurveys, der repräsentativen Bevölkerungs­umfrage zum freiwilligen, ehrenamtlichen und bür­gerschaftlichen Engagement in Deutschland, soll im nächsten Jahr der 2. Freiwilligensurvey durchge­führt werden.

 

Um eine Vergleichbarkeit der Daten zu gewähr­leisten und damit Veränderungen des Engagements identifizieren zu können, wird sich der 2. Freiwilli­gensurvey eng an die Fragen des ersten Surveys anlehnen. Darüber hinaus wird aber auch darüber diskutiert, einzelne neue Schwerpunktsetzungen zum Beispiel zu den organisatorischen Rahmenbedin­gungen oder zu ausgewählten Engagementbereichen vorzunehmen.

 

Seitens des Projektbüros beim Bundesministe­rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird den Bundesländern daher das Angebot unterbreitet, eigene Erhebungsinteressen gegebenenfalls berück­sichtigen zu wollen. Entsprechende Interessensbe­kundungen sollten zur nächsten Sitzung der Bund-Länder-Besprechung am 6. November erfolgen. Das Projektbüro wird in dieser Sitzung einen Bericht zum Stand der Entwicklung des 2. Freiwilligensur­veys geben.

 

Der im April diesen Jahres eingerichtete Unter­ausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ des Familienausschusses des Deutschen Bundestages sieht sich in der Nachfolge der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ der 14. Legislaturperiode.

 

Gemäß dem Arbeitskonzept (UA-Drs. 15/002) wird der Unterausschuss u.a. die Empfehlung der Enquete-Kommission nach Einführung einer „steu­erfreien allgemeinen Aufwandspauschale für frei­willige Tätigkeit“ (Aufwandsersatz) behandeln.

 

Der eigentliche Prüfauftrag, die Übertragung von vorgestellten Beispielen und/oder die Generierung eines eigenen, auf die besondere Situation in Berlin angepassten Systems der Anerkennung vorzuschla­gen, wird in einem nächsten Schritt und vor dem Hintergrund der hier dargelegten Basisinformationen weiter verfolgt.


Dazu werden, wie gewünscht auch die wesentli­chen Akteure des Bürgerschaftlichen Engagements, namentlich aus dem Bereich der Nichtregierungsor­ganisationen (NGO’s) wie bspw. die Landesagentur „Treffpunkt Hilfsbereitschaft“ (TPH) oder der „Ar­beitskreis Freiwilliges Engagement in Berlin“ (AK FEB)  einbezogen werden.

 

Eine abschließende Bewertung über Möglich­keiten und Modalitäten zur Einführung eines Frei­willigenPasses für Berlin wird im Rahmen des be­auftragten „Ehrenamtsberichts“[7] zur Mitte der laufen­den Legislaturperiode erfolgen.

 

 

Berlin, den 4. November 2003

 

 

 

       Der Senat von Berlin

 

Klaus   Wowereit      Dr. Heidi   Knake-Werner

     Regierender               Senatorin für Gesundheit,
   Bürgermeister                      Soziales und
                                           Verbraucherschutz
 

 

Ausschuss-Kennung : GesSozMiVergcxzqsq

 



[1] Berlin ist mit einer Engagementquote von 28% Schlusslicht im bundesweiten Vergleich. Neben einem starken Nord-Süd-Gefälle wirkt für Berlin, ähnlich wie für Hamburg und Bremen, das Stadt-Land-Gefälle in besonderer Weise.  Die Zweite Welle des Reports unter der Federführung des BMFSFJ ist mittlerweile beauftragt und wird im Jahr 2004 durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (Ltg.: Fr. Dr. Gisela Jacob) durchgeführt werden.

[2] Quelle: http://www.buerger-fuer-buerger.de/content/veroeffentlich-anerkennung.htm vom 08.09.2003

 

[3] z.B.: Ermäßigungen in Schwimmbad, Bibliothek und  Aquarium, beim Führerscheinerwerb, für Pass- und Bewerbungsfotos, bei Kursen der VHS, Vermietung von Räumen in Jugendhäusern etc.

[4] z.B.: für Kinderbetreuung, Restaurant-Besuche, 1. Hilfe-Kurs, Sicherheitstraining mit dem PKW, Monatskarten im ÖPNV, Kegelbahnnutzung etc.

[5] Stellungnahme der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 07.01.03 zur Drucksache Nr. 15/1004

[6] Von den Senatsverwaltungen für Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie für Justiz wird die Notwendigkeit zur Einführung eines FreiwilligenPasses auf Landesebene im übrigen nicht geteilt.

[7] vgl. Drs.  14/1374 und 15/247