Antrag
der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS
EU-Dienstleistungsrichtlinie grundlegend überarbeiten
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:
Der Senat wird
aufgefordert, sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einzusetzen, dass der Vorschlag
der EU-Kommission für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt
(Dienstleistungsrichtlinie KOM (2004) 2 -) zurückgezogen und grundlegend
im Sinne des EG-Vertrages überarbeitet wird.
Die
Rechtsetzung zur Schaffung des europäischen Binnenmarktes für Dienstleistungen
muss insbesondere folgende Grundsätze beachten:
1
Vollendung
des Binnenmarktes durch schrittweise Harmonisierung der Regeln für Dienstleistungen
innerhalb der EU.
2
Vereinbarkeit
mit gleichrangigen Zielen der EU wie wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt,
hohes Beschäftigungsniveau und Umweltqualität. Das Herkunftslandprinzip darf
nicht die Qualitäts-, Arbeits-, Sozial-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards
der Mitgliedstaaten aushebeln.
3
Beachtung
der mitgliedstaatlichen Kompetenzen. Bildung, Kultur und audiovisuelle Dienste
sind keine Aufgaben der EU und damit kein Regelungsgegenstand.
4
Klare
Abgrenzung zu den öffentlichen Aufgaben. Daseinsvorsorge und soziale Dienstleistungen
müssen weiterhin in staatlicher und kommunaler Verantwortung geregelt werden.
Begründung:
1. Der Richtlinienentwurf entspricht nicht den Zielen der EU, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einen einheitlichen Wirtschafts-, Rechts- und Sozialraum zu schaffen. Er verzichtet weitgehend auf Harmonisierung der Rechtsvorschriften und fördert die Rechtsunsicherheit bei Unternehmern und Verbrauchern. Statt die Regeln der Mitgliedstaaten einander anzunähern, setzt der Entwurf auf weitere Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung von Leistungen.
2.
Art.
2 EGV nennt neben dem Ziel der Wirtschaftsunion ebenso ein hohes Maß an Beschäftigung,
sozialen Schutz, Umweltqualität und Lebensqualität als gleichwertige Ziele der
EU. Diesen Vorgaben des EG-Vertrages trägt der Vorschlag der Kommission nicht genügend
Rechnung. Der absolute Vorrang des Herkunftslandprinzips führt zu einer weitgehenden
Verdrängung der Vorschriften des Staates, in dem die Leistung erbracht wird.
Dies schafft ungleiche Wettbewerbsbedingungen für Dienstleistungen am
Binnenmarkt.
Darüber hinaus
beschränkt es die Möglichkeiten des Staates, gegen den in einem andern Staat
niedergelassenen Dienstleister vorzugehen. Dafür gibt es im EG-Vertrag keine
Rechtsgrundlage.
Die breite
Verankerung des Herkunftslandprinzips bei weitgehendem Verzicht auf Kontrolle
durch die inländischen Behörden bedeutet Geltung von bis zu 25 Rechtssystemen
an einem Ort, deren Einhaltung von 25 Regierungen oder deren Verwaltungen
überwacht werden soll. Dies ist weder für Unternehmer/innen noch für
Verbraucher/innen ein hinreichend transparenter und verlässlicher gesetzlicher
Rahmen.
Mit dem Prinzip ‑Recht des Herkunftslands statt Rechtsangleichung droht ein Wettlauf der Mitgliedstaaten um niedrigere gesetzliche Standards. Ohne grundlegende Korrekturen an der Richtlinie würde die EU erheblichen Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben in Bereichen, für die sie nach den Verträgen keine Kompetenz hat.
3.
Bildung,
Kultur und audiovisuelle Dienstleistungen sind bislang nicht klar genug vom
Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Für diese Bereiche hat die Gemeinschaft
keine Regelungskompetenz. Dies muss in der Richtlinie klargestellt werden.
4.
Im
Gesundheits- und Sozialwesen hat die EU lediglich eine Kompetenz für Förder-
und Koordinierungsmaßnahmen. Der EG-Vertrag schließt die Harmonisierung des Rechts
durch die Gemeinschaft ausdrücklich aus. Die Mitgliedstaaten müssen die
vollständige Kompetenz für das Gesundheitswesen und für soziale Dienste
behalten. Diese Bereiche können nicht in den Anwendungsbereich der
Dienstleistungsrichtlinie fallen.
Die Wasserversorgung
und die Abfallentsorgung sind als öffentliche Leistungen von allgemeinem
Interesse klar vom Geltungsbereich der Richtlinie abzugrenzen.
Berlin, den 18. Januar 2005
|
Müller Zimmermann und die übrigen Mitglieder der Fraktion der SPD |
|
Liebich Michels und die übrigen Mitglieder der Fraktion der PDS |
Ausschuss-Kennung
: EuroBundMediengcxzqsq