Mitteilung – zur Kenntnisnahme –
Sicherung und Institutionalisierung der Modularen Dualen Qualifizierungsmaßnahme (MDQM) - Schlussbericht -
Drucksachen 15/1076,
15/1509 und 15/1890
Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:
Das Abgeordnetenhaus hat in seiner 29. Sitzung am 10. April 2003 – TO-Punkt 25 – aufgrund des Antrages der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS Folgendes beschlossen:
"Der Senat wird
aufgefordert zu prüfen, wie MDQM für das Ausbildungsjahr 2003/2004 und darüber
hinaus langfristig gesichert werden kann und ob und in welcher Weise MDQM als
Ersatz für VZ 11 sinnvoll sein kann. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 30. Juni
2003 zu berichten."
Hierzu wird berichtet:
1. MDQM als spezielle
berufsvorbereitende Maßnahme
Die Notwendigkeit
berufsvorbereitender Maßnahmen ergibt sich aus der Tatsache, dass jährlich
Tausende von Schulabgängerinnen und Schulabgängern in Berlin nach Absolvierung
der allgemeinbildenden Schule noch nicht über die für eine Berufsausbildung
erforderliche Berufsreife verfügen.
Die Vermittlung der
bei den Berliner Arbeitsämtern gemeldeten, unversorgten Jugendlichen wird auch
im September 2003 noch unvermindert fortgesetzt.
Im Schuljahr
2001/2002 gab es 4.101 Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss
und 2.267 mit nur einfachem Hauptschulabschluss. Insgesamt 6.368 Berliner Jugendliche ( = 17,2 % der
Schulabgängerinnen und Schulabgänger) hatten daher überhaupt keine oder nur
eine sehr geringe Chance auf einen Ausbildungsplatz.
Es liegen keine aktuelleren
Schulabgängerzahlen und kein neues Datenmaterial für die Einstellungsrunde 2003
vor.
Berufsvorbereitende Maßnahmen (BV)
sollen die betroffenen Jugendlichen nachträglich für eine Berufsausbildung fit machen,
indem vorhandene Defizite in der Allgemeinbildung - oft in Kombination mit
Motivationsdefiziten und unzureichenden Sozialkompetenzen - ausgeglichen
werden.
Gegenwärtig bieten die Berliner
beruflichen Schulen, gemäß § 39 Abs. 9 SchulG, den berufsvorbereitenden
(Pflicht-)Vollzeitlehrgang (VZ 11-Lehrgang) für lernschwache Schulabgängerinnen
und Schulabgänger, die nicht in eine Berufsausbildung oder in ein Arbeitsverhältnis
eingemündet sind (2002 = 1.431 Schülerinnen und Schüler, davon 1.340 ohne Schulabschluss
bzw. mit einfachem Hauptschulabschluss = 93,6 %), an.
Daneben fördert das Landesarbeitsamt
Berlin-Brandenburg (LAA) nicht berufsreife Jugendliche in berufsvorbereitenden
Maßnahmen der Benachteiligtenförderung der Bundesanstalt für Arbeit gemäß SGB
III, die in Teilzeitlehrgängen für Jugendliche (gemäß § 14 Abs. 2 SchulG) in
den Berliner Berufsschulen unterrichtet
werden. (2002 = 3.131 Schülerinnen und Schüler, davon 2008 ohne Schulabschluss
bzw. mit nur einfachem Hauptschulabschluss = 64,1 %).
Das LAA hat angekündigt, diese
berufsvorbereitenden Maßnahmen zukünftig als nicht zum Kerngeschäft des
Arbeitsamtes gehörend stark zu reduzieren. Für das Ausbildungsjahr 2003/2004
erfolgt allerdings noch eine geringfügige Steigerung.
In den Berufsfachschulen werden außerdem
einjährige nicht berufsqualifizierende Grundlehrgänge, die auf eine
Berufsausbildung vorbereiten sollen, angeboten. Es handelt sich überwiegend um
"Warteschleifen" für Schülerinnen und Schüler die mindestens den
erweiterten Hauptschulabschluss erworben haben, nicht jedoch um
berufsvorbereitende Maßnahmen.(2002 = 5.563 Schülerinnen und Schüler, davon
2.376 mit Realschulabschluss bzw. Hochschulreife).
Die berufsvorbereitenden Maßnahmen waren
bisher hauptsächlich auf den nachträglichen Erwerb eines Hauptschulabschlusses,
eines erweiterten Hauptschulabschlusses oder auch eines Realschulabschlusses
ausgerichtet.
Für viele der überwiegend schulmüden und
bisher von schulischen Misserfolgen geprägten Jugendlichen war damit ein
weiterer Misserfolg vorprogrammiert.
Das letztliche Hauptziel -
Berufsausbildung - erreichten nur wenige.
Im
Anschluss an die BV mündeten im Folgejahr 2002 in eine Berufsausbildung ein:
VZ 11: 196 von ursprünglich 1.314 Jugendlichen = 14,9 %,
BV-Teilzeitlehrgang
des LAA: 884 von ursprünglich 2.999 Jugendlichen = 29,5 %. (Meist in
entsprechend dem SGB III garantierte außerbetriebliche Ausbildungen.)
Wegen der
geringen Effektivität der traditionellen BV-Maßnahmen wurde 1998 der
Schulversuch MDQM gestartet, der im Unterschied zu den herkömmlichen Maßnahmen
durch drei wesentliche Merkmale gekennzeichnet ist:
1. MDQM besitzt dualen Charakter. Es
wird an zwei Lernorten - bei einem wirtschaftsnahen Träger und in der
Berufsschule - gelernt, annähernd wie in der betrieblichen Berufsausbildung. Im
Mittelpunkt steht nicht der Erwerb eines Schulabschlusses, sondern Teile der
späteren Berufsausbildung werden bereits vorweggenommen. Dieser
berufspraktische Ansatz ist bei vielen Jugendlichen stark motivationsfördernd.
2. MDQM besitzt modularen Charakter. Die
Berufsinhalte werden nacheinander als Bausteine abgearbeitet und auch schrittweise
zertifiziert. Mehr praktisch begabten Jugendlichen werden dadurch zeitnah
motivierende Erfolgserlebnisse vermittelt. Selbst bei vorzeitigem Abbruch der
Maßnahme gelten die Jugendlichen nicht mehr als total ungelernt, sondern sie
besitzen Befähigungsnachweise für spezielle Teilgebiete eines anerkannten Ausbildungsberufs,
die später ausgebaut werden können.
3. MDQM garantiert nach der erfolgreichen
Berufsvorbereitung eine berufliche Anschlussausbildung. In VZ 11 und der
einjährigen Berufsfachschule (OBF) müssen diese Jugendlichen anschließend
erneut auf dem Ausbildungsstellenmarkt mit allen anderen, oftmals leistungsstärkeren
Schulabgängerinnen und -abgängern um einen Ausbildungsplatz konkurrieren, was
nur wenigen gelingt.
Im Unterschied dazu wird bei MDQM allen
Unversorgten nach der Berufsvorbereitung (MDQM I), die keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden
haben, eine Weiterführung der Berufsausbildung in MDQM II garantiert.
Die in der Berufsfachschule eingerichtete
MDQM II-Ausbildung ist also ein unverzichtbarer Bestandteil von MDQM.
Im Schulversuch MDQM I waren im Jahr
2002 1.190 Jugendliche eingemündet (davon 1.128 ohne Abschluss bzw. mit nur
einfachem Hauptschulabschluss = 94,8 %). In MDQM konzentriert sich also die
schwierigste Klientel - gemessen an den erreichten Schulabschlüssen.
227 von
ursprünglich 1.266 Schülerinnen und Schülern des Vorjahres sind nach Absolvierung
von MDQM in die betriebliche Berufsausbildung eingemündet = 17,9 %. Damit
gelingt es den Jugendlichen nach MDQM I
häufiger als nach VZ 11, in eine betriebliche Berufsausbildung zu wechseln.
Außerdem setzen jedes Jahr mehrere Hundert Absolventinnen und Absolventen von
MDQM I ihre Ausbildung in MDQM II fort.
Diejenigen,
die auf eine Anschlussausbildung verzichten und in einen Job wechseln, sind
nicht mehr total ungelernt, sondern sie verfügen über Teilqualifikationen eines
anerkannten Ausbildungsberufs, die auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind. In
MDQM wird trotz der schwierigen Schülerklientel - im Vergleich mit anderen
berufsvorbereitenden Maßnahmen am erfolgreichsten ausgebildet. Das entspricht
auch den Ergebnissen der von Prof. van Buer (Humboldt-Universität/HUB) als
Begleitforschung durchgeführten Evaluation von MDQM.
Da dieser Schulversuch sich nach
allgemeiner Auffassung bewährt hat, wird nun der Ruf nach Verstetigung laut.
Einer Überführung in das Regelsystem der
Berliner Berufsschule stehen jedoch mehrere Faktoren entgegen: Das derzeitige
Schulgesetz erlaubt Pflichtunterricht, der in schulischer Teilzeitform mit
ergänzender Praxisausbildung an einem anderen Lernort organisiert wird, nicht.
Die Rechtslage wird sich jedoch grundlegend
ändern, wenn der Entwurf für ein neues Schulgesetz (SchulG) Realität wird. Dort
ist eine Schulpflicht im 11. Schulbesuchsjahr nicht mehr vorgesehen. Das würde
den Weg zu zielgruppenspezifischen Maßnahmen mit Angebotscharakter frei machen.
Die mit dem erfolgreich erprobten MDQM-Modell
gewonnenen Erfahrungen sind geeignet, mo-dulare Angebote für
berufsvorbereitende Maßnahmen der Berliner Schule zu entwickeln, die bestehende
Parallelangebote schrittweise ablösen können.
Angesichts des noch nicht in Kraft
getretenen neuen Schulgesetzes und der erwarteten weiteren wichtigen Ergebnisse
der wissenschaftlichen Begleituntersuchung für MDQM II durch die HUB kann eine
abschließende Berichterstattung derzeit noch nicht erfolgen.
Bis zur Verabschiedung des neuen
Schulgesetzes soll der Schulversuch MDQM auch im Jahr 2003/2004 mit dem Stand
der aufgestockten Teilnehmerzahlen aus dem Jahr 2002/ 2003 fortgesetzt werden
(1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in MDQM I und 1.000 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer MDQM II, 1. Ausbildungsjahr).
Für die Einstellungsrunde Herbst 2004
und Herbst 2005 sind im Entwurf des Doppelhaushalts 2004/2005 die Mittel für
die Finanzierung der Fortführung von MDQM mit den gleichen Teilnehmerzahlen der
Vorjahre vorgesehen.
Die für
Schule zuständige Senatsverwaltung wird, nach der Verabschiedung des neuen
Schulgesetzes für die Einstellungsrunde Herbst 2006, die Einrichtung geeigneter
Maßnahmen auf der Grundlage der mit MDQM gewonnenen Erkenntnisse entwickeln,
die - sofern die praktischen Teile der dann einzurichtenden Maßnahmen in freier
Trägerschaft durchgeführt werden - entsprechend des dann geltenden Vergaberechts
auszuschreiben sind.
Ich bitte, den Berichtsauftrag damit als
erledigt anzusehen.
Berlin, den 21.Oktober 2003
Der Senat von Berlin
Klaus Wowereit Harald Wolf
Reg. Bürgermeister Senator für
Wirtschaft, Arbeit und Frauen
Ausschuss-Kennung
: ArbBFraugcxzqsq