Mitteilung – zur Kenntnisnahme –
Wirksame arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Berlin sichern
Drucksachen 15/1448, 15/1512 und 15/1656 – Schlussbericht –
Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:
Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 10. April 2003 Folgendes
beschlossen:
„Der Senat wird aufgefordert, eine gemeinsame Positionierung der neuen
Bundesländer herbeizuführen und gegenüber der Bundesregierung und der
Bundesanstalt für Arbeit durchzusetzen, dass
1. ein
angemessenes Angebot an Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen auch in
Zukunft gewährleistet wird,
2. die jetzt
festgelegten Verbleibsquoten länderspezifisch nachgebessert werden,
3. mit den
Arbeitsämtern sinnvolle und transparente Kriterien für die zukünftige Bewilligungspraxis
festgelegt werden und dabei die Zielgruppen, insbesondere Frauen, MigrantInnen
und benachteiligte Jugendliche, angemessen berücksichtigt werden,
4. gemeinsam
mit den Arbeitsämtern Strategien festgelegt werden, um Arbeitslosenhilfeempfängerinnen
und -empfänger auch weiterhin bei der Vergabe der arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen (ABM/SAM) zu berücksichtigen,
5. für alle
Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die bereits einen Bildungsgutschein erhalten
haben, der Vertrauensschutz gewährleistet wird,
6. die
gegenwärtige Beschränkung für ABM/SAM auf maximal 6 Monate aufgehoben wird.
Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 30.04.03 zu berichten.“
Hierzu wird berichtet:
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Geschäftsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) im Bereich der beruflichen Weiterbildungs- und Beschäftigungsförderung hat die zuständige Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen alle Anstrengungen unternommen, um eine Umkehr dieser Förderpraxis – die zu Lasten der Zielgruppen des Arbeitsmarktes geht – zu erreichen.
Parallel zu
diesbezüglichen kontinuierlichen Verhandlungsgesprächen mit dem
Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg hat der Senator für Wirtschaft, Arbeit und
Frauen in einem Brief an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit – unter
Hinweis auf die Zielsetzungen der Europäischen Beschäftigungsstrategie sowie
des Sozialgesetzbuch III – Arbeitsförderung (SGB III) – die negativen Folgewirkungen
der geschäftspolitischen Ziele 2003 der Bundesanstalt für Arbeit auf die
aktive Arbeitsmarktpolitik im Allgemeinen und die Eingliederungschancen von
Arbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen im Besonderen aufgezeigt und sich
dezidiert für die Weiterführung einer verantwortlichen Arbeitsmarktpolitik
eingesetzt.
Darüber hinaus
haben die Arbeitsminister der ostdeutschen Länder und Berlins mit einem gemeinsamen
Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ihre Position zu den eingeleiteten
Einschnitten in der aktiven Arbeitsförderung aus Sicht der strukturschwachen
Länder deutlich gemacht. Sie lehnen ausdrücklich jegliche Überlegungen ab,
die aktive Arbeitsförderung weiter zu reduzieren und die Förderung vorrangig
auf gut vermittelbare Arbeitslosengeldempfangende zu konzentrieren. Statt
dessen treten sie für einen zweiten Arbeitsmarkt insbesondere für
Langzeitarbeitslose in auch weiterhin vertretbarem Umfang ein und fordern, die
Messlatte der auf 70 % festgelegten Verbleibsquote bei Qualifizierungsmaßnahmen
in Ostdeutschland abzusenken und angesichts des dort kaum aufnahmefähigen Arbeitsmarktes
auch andere Qualitätskriterien zu berücksichtigen.
Eine Reaktion
des Bundesministers auf die beiden Schreiben ist bislang nicht erfolgt.
Zu 1.:
Um trotz der
tiefgreifenden Veränderungen auf dem Berliner Weiterbildungsmarkt eine
bedarfsgerechte Weiterbildung mit hoher Qualität zu sichern, sieht der Senat
seine Aufgabe darin, durch flankierende Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit der
Bildungsträger und ihre Professionalität als Bildungsdienstleister zu stärken.
Unterstützt
wird die Entwicklung unternehmensbezogener, zum Teil individuell
maßgeschneiderter Bildungsmaßnahmen und die Entwicklung eines breiten Angebots
an modularer Qualifizierung mit kurzen Einstiegszeiten.
Das vom Senat
geförderte Netzwerk Modularisierung wird seine Arbeit intensivieren, um auch
in Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern die Erfahrungen mit modularer
Qualifizierung regional zu verbreiten und eine größere Anzahl von Bildungsträgern
zu erreichen.
Die Sicherung
eines angemessenen Angebots an Weiterbildungsmaßnahmen verlangt auch, die Berliner
Weiterbildungsträger auf die bevorstehenden Zertifizierungen gemäß §§ 84 und 85
SGB III vorzubereiten.
Der Senat
unterstützt deshalb mit einem Modellprojekt die Einführung von
Qualitätsmanagementverfahren und organisiert zurzeit die Beteiligung von
Berliner Weiterbildungsträgern an dem vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung geförderten Länderverbundprojekt „Qualitätstestierung in der
Weiterbildung“.
Zu 2.:
Der Senat
begrüßt das verfolgte Ziel einer transparenten, erfolgsbezogenen und
wettbewerbsorientierten Förderung der beruflichen Weiterbildung, wendet sich
aber mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die in Ergänzung des
ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt von der
Bundesanstalt für Arbeit (BA) vorgegebene undifferenzierte, bundesweit
einheitliche geschäftspolitische Zielstellung, nur noch Bildungsmaßnahmen mit
einer prognostizierten Verbleibsquote von mindestens 70 % zuzulassen
bzw. für solche Maßnahmen Bildungsgutscheine auszugeben.
Er setzt sich
deshalb dafür ein, dass die konkreten regionalen Rahmenbedingungen,
insbesondere die Aufnahmefähigkeit der jeweiligen Arbeitsmärkte,
berücksichtigt werden.
Zusätzlich zu
den eingangs erwähnten Schreiben an den Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit hat sich der Verwaltungsausschuss des Landesarbeitsamtes
Berlin-Brandenburg (LAA BB) in einem Schreiben an den Vorstand der BA für eine
flexiblere Handhabung der festgelegten Verbleibsquote (70 %) in Abhängigkeit
von regionalen und zielgruppenspezifischen Erfordernissen eingesetzt und dafür
einen konkreten Umsetzungsvorschlag unterbreitet.
In seinem
Antwortschreiben vom 13. Mai 2003 an den Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses
lehnt der Vorstand der BA allerdings eine niedrigere Verbleibsquote für strukturschwache
Regionen ab. Maßnahmen mit dem vorrangigen Ziel der Vermittlung von Kernkompetenzen
und der Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit sollen ohne entsprechende
absehbare Beschäftigungsmöglichkeiten nicht mehr gefördert werden.
Zu 3.:
Der Senat
vertritt die Auffassung, dass für die Weiterbildungsförderung angemessene
Qualitätskriterien anzustreben sind.
Bei der
Vereinbarung eines Bildungsziels sind neben Qualitätsfragen und
Eingliederungsaussichten die spezifischen Besonderheiten von Zielgruppen und
regionale Unterbeschäftigungsquoten differenziert zu berücksichtigen.
Der Senat
tritt deshalb einer reinen Outputbetrachtung bei der Bewilligung von Bildungsmaßnahmen
u. a. für Frauen, Migrantinnen und Migranten sowie benachteiligte Jugendliche
entgegen.
Er vertritt
die Auffassung, dass in strukturschwachen Regionen wie Berlin-Brandenburg die
mittelfristige Verbesserung der Beschäftigungs- bzw. Eingliederungsfähigkeit
im Vordergrund stehen muss. Im Zusammenhang mit der Entwicklung von
Zertifizierungskriterien setzt sich der Senat für die Entwicklung von
Instrumenten ein, mit denen der Zuwachs an Beschäftigungsfähigkeit durch eine
Bildungsmaßnahme ermittelt werden kann.
Zu 5.:
Arbeitslose,
denen bis zum 31.12.2002 eine Weiterbildung zugesichert wurde, erhielten keinen
Bildungsgutschein, sofern die Weiterbildung bis Ende Februar 2003 begonnen wurde.
Für alle
Berlinerinnen und Berliner mit Bildungsgutscheinen besteht nach Zusicherung
des Vizepräsidenten des LAA BB in einem Gespräch mit dem Senator für
Wirtschaft, Arbeit und Frauen am 19.03.2003 Vertrauensschutz. D. h., die
Arbeitsämter sorgen in der Übergangszeit bis zur Zertifizierung der
Bildungsträger dafür, dass z. B. auch durch Vermittlung in überregionale
Weiterbildungsmaßnahmen die Bildungssuchenden ihren Gutschein einlösen können.
Soweit ihr
bekannt, versucht die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in
Härtefällen zu vermitteln.
Zu 4. und 6.:
Zu der
Problematik einer weiterhin angemessenen Beteiligung von
Arbeitslosenhilfeempfangenden in Arbeitsbeschaffungs- (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen
(SAM) hat die für Arbeit zuständige Senatsverwaltung mehrere Gespräche mit dem
Vizepräsidenten des LAA BB geführt. Ihrem Vorschlag, bei der Zuweisung den
Anteil von Arbeitslosengeldempfangenden auf deren rechnerischen Anteil an
allen gemeldeten Arbeitslosen (rund 35 %) zu beschränken, wollte das LAA BB
nicht folgen unter Zurückweisung der Vorhaltungen, dass ausschließlich
Arbeitslosengeldempfangende in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zugewiesen werden.
Nach
statistischen Erhebungen des LAA BB waren in Berlin im Zeitraum Februar bis
April 2003 unter allen Zugewiesenen in ABM insgesamt 40,2 % Arbeitslosenhilfe-
und 46,0 % Arbeitslosengeldempfangende; bei den Zuweisungen in SAM betrugen
die jeweiligen Anteile 34,9 % bzw. 45,3 %. Dabei nahm der Anteil der
Arbeitslosenhilfeempfangenden in beiden Maßnahmetypen von Monat zu Monat deutlich
ab.
Die
Handlungsweise des LAA BB ist vor dem Hintergrund geschäftspolitischer Vorgaben
der Zentrale der Bundesanstalt für Arbeit zu sehen, die offensichtlich den
regionalen Handlungsspielraum eingrenzen. Aus diesem Grund sind weitere Zugeständnisse
nicht zu erwarten.
Das LAA BB
hatte zunächst in einer verbindlichen Arbeitshilfe für die Arbeitsämter
vorgegeben, zur Erhöhung der Eintrittszahlen die Zuweisungsdauer in ABM und
SAM durchschnittlich auf 6 Monate zu verkürzen sowie unterjährige Maßnahmen –
abhängig vom Profilingergebnis und vom Maßnahmeziel – einzurichten.
In
Verhandlungen der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen mit dem
LAA BB auf Fachebene konnte erreicht werden, dass die verkürzte
Zuweisungsdauer für SAM aufgehoben wird.
In der
Grundfrage der unterjährigen Zuweisung konnte dagegen keine Einigung erzielt
werden. Der Vorschlag der Senatsverwaltung, für Maßnahmen in sozialen
Aufgabenfeldern und Maßnahmen im Jugendbereich die Zuweisung in ABM für 12
Monate zuzulassen (rund 60 % aller ABM-Beschäftigten) wurde vom LAA BB
abgelehnt. Lediglich für 9,3 % der ABM ist das LAA BB bereit, einjährige
Zuweisungen zuzulassen. Darüber hinaus gibt es weitere Ausnahmen bei „ABM und
Lernen“.
Aus Sicht des
Senats ist das Entgegenkommen des LAA BB nicht ausreichend. Aufgrund der unterjährigen
Zuweisungspraxis werden auf das Land zusätzliche Sozialhilfekosten zukommen.
In Anbetracht
der geänderten Geschäftspolitik der BA bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit
wurden im Benehmen mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und
Verbraucherschutz von der für Arbeit zuständigen Senatsverwaltung 600 zusätzliche
einjährige Beschäftigungsmöglichkeiten für Sozialhilfeempfangende kofinanziert.
Darüber hinaus wird in 150 „Altfällen“ und im begrenzten Umfang eine
Anschlussförderung nach ABM gewährt, um verhinderte Arbeitslosengeldansprüche
doch noch möglich zu machen.
Wir bitten,
den Beschluss damit als erledigt anzusehen.
Berlin, den 25. Juni 2003
Der Senat von Berlin |
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Klaus
Wowereit |
Harald Wolf |
Regierender Bürgermeister |
Senator für Wirtschaft,
Arbeit und Frauen |
Ausschuss-Kennung
: ArbBFraugcxzqsq