Mitteilung – zur Kenntnisnahme –

 

 

Berufsvorbereitende Maßnahmen stärken und entwickeln

 

Drucksachen Nrn. 15/757 und 15/985 – Zwischenbericht –

 

 

 

 

Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:

 

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 28.11.2002 Folgendes beschlossen:

 

„Der Senat wird aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2002 einen Bericht über die Situation und konzeptionelle Weiterentwicklung im Bereich der verschiedenen berufsvorbereitenden Maßnahmen (Berufsbefähigende Lehrgänge im 10. Schuljahr [BB 10], Vollzeitlehrgänge im 11. Schuljahr [VZ 11], Berufsvorbereitende Lehrgänge im 10. Schuljahr [BV 10], Modulare Duale Qualifizierungsmaßnahmen [MDQM I sowie Maßnahmen nach SGB III und SGB VIII]) vorzulegen. Hierbei ist insbesondere darzustellen:

 

-         die Entwicklung der Teilnehmerzahlen in den letzten Jahren, insbesondere die Entwicklung des Anteils junger Frauen und junger Menschen mit Migrationshintergrund und die Einschätzung des aktuellen und künftigen Bedarfs,

 

-         die Einschätzung des Erfolgs der verschiedenen berufsvorbereitenden Lehrgänge im Vergleich zu ihrer Zielstellung, der Verbesserung der Chancen am Lehrstellen- und Arbeitsmarkt,

 

-         das mit dem Landesarbeitsamt abgestimmte Konzept des Senats zur inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung im Bereich der Berufsvorbereitung und

 

-         die Kosten und die Kostenträger, aufgeschlüsselt nach ESF-, Bundes- und Landesmitteln.“

 

 



Hierzu wird berichtet:

 

Statistische Angaben bezüglich der Teilnehmerzahlen, die Ermittlung der Kosten und Kostenträger sowie die Einschätzung des aktuellen und zukünftigen Bedarfs werden derzeit in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport und im Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg ausgewertet und können aus diesem Grunde diesem Zwischenbericht noch nicht beigefügt werden.

 

In der wissenschaftlichen Diskussion zum System der Berliner Berufsorientierung und Berufsvorbereitung wird immer wieder hervorgehoben, dass die spezifischen wirtschaftlichen und bildungspolitischen Problemlagen in Berlin zu einem besonders undurchsichtigen Angebot der Berufsförderung und  -vorbereitung beigetragen haben. Die Breite der Angebote weist demnach erhebliche Überlappungen der Einzelmaßnahmen auf; es gibt institutionell nur wenig Koordinierungskraft; curricular zeigen sich viele Angebote verengt, unverbunden und separiert; lehr-lernmethodisch ist die Überprüfung von Qualitätskriterien gerade bei Trägerangeboten noch wenig ausgeprägt; die zeitliche Abfolge verneint geradezu das für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wichtige Prinzip des kontinuierlichen, aufbauenden Lernens, das die individuelle Erfahrung von Lernfortschritten ermöglicht und zu lebensbegleitendem Lernen anregt.

 

Aus diesen Überlegungen heraus wurde seit 1999 als alternatives Konzept die „Modulare-Duale-Qualifikationsmaßnahme“ in Kooperation zwischen einem Berufsbildungsträger und den Berliner Berufsschulen umgesetzt.

 

Diese Maßnahme war ein erster Schritt, um eine qualitative Weiterentwicklung der umstrittenen vollzeitschulischen Berufsvorbereitung (VZ11) anbieten zu können.

 

Nach Auswertung des aktuellen Standes der Strukturentwicklung werden von der wissenschaftlichen Begleitung vier Ebenen der Fortentwicklung von MDQM zur Entwicklung eines übergreifenden Berufsvorbereitungsangebotes vorgeschlagen:

 

·         Stärkung von Beratungsmaßnahmen zur zielgenaueren Einpassung der Jugendlichen in die Bildungsgänge

 

·         Stabilisierung und Systematisierung der Kooperation zwischen den beteiligten Lehr- und Ausbildungsinstitutionen

 

·         Verstärkung der Betriebsnähe

 

Bei der Mängeldiskussion des Ansatzes wurde von der wissenschaftlichen Begleitung hervorgehoben, dass ein institutionell-organisatorischer Entwicklungsvorlauf für die Umsetzung von MDQM an den Berliner Berufsschulen seinerzeit wegen des großen Termindrucks bei der Einführung der Maßnahme nicht mehr stattfinden konnte. Dies hat zu Friktionen insbesondere bei der Verzahnung der beiden Lernorte geführt. Eine tragfähige Nutzeneinschätzung krankt bislang noch an der Erhebung „harter“ Verbleibsdaten der MDQM-Absolventen. Bei der Frage nach der passgenauen Erreichung der Zielgruppenklientel wird festgestellt, dass die vorgefundenen heterogenen Lernvoraussetzungen nur über umfangreiche curriculare Differenzierungen aufgefangen werden können, die sich, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand realisieren lassen.

 

Die problematische Ausbildungsplatzsituation und die negativ zugespitzte Lage von Jugendlichen mit schlechter Lernausgangslage hat in Berlin zu einem breit aufgefächerten Angebot von Berufsorientierung und -vorbereitung geführt. Dies übt großen Anpassungsdruck auf die Angebotsseite aus, die insgesamt fast 24 000 Jugendliche pro Jahrgang (Einbeziehung der außerbetrieblichen Ausbildungsanteile) bedient, darunter einen hohen Anteil von Jugendlichen mit einem besonderen Förderungsbedarf.

 

Aus diesem Kontext zeichnen sich folgende Problembereiche ab:

 

·         Der Berufswahlprozess von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf wird zu spät eingeleitet.

 

·         Jugendliche folgen materiellen Anreizen und orientieren sich folglich interessengeleitet schnell um.

 

·         Nach Abbrüchen verlassen Jugendliche das System in der Regel nicht, sondern durchlaufen eine weitere Berufsvorbereitungsmaßnahme.

 

·         Bildungsanbieter (bzw. Kostenträger) akzeptieren Berufsvorbereitungsabschnitte, die bei jeweils konkurrierenden Anbietern oder Trägern bereits absolviert wurden, nicht in vollem Maße als eigengewichtige Phasen im Qualifikationsprozess der Jugendlichen.

 

·         Die Berufsvorbereitungsmaßnahmen sind immer noch zu betriebsfern.

 

·         Jugendliche verbleiben in „Vorbereitungsschleifen“, obwohl sie durch Absolvierung geeigneter Vorbereitungsmodule eigentlich ausbildungsfähig sind.

 

·         Berlin hat das Grundmodell einer Modularen Dualen Qualifizierungsmaßnahme sehr erfolgreich in den letzten Jahren als Angebot für benachteiligte Jugendliche ausgebaut. Dennoch bestehen weiterhin Parallelangebote mit starren Strukturen, die den situationsbedingten Wechsel von Jugendlichen nicht zulassen.

 

In verschiedenen Förderzusammenhängen und regionalen Projekten werden innovative Elemente einer neuen Förderstruktur in der Berufsorientierung/Berufsvorbereitung erarbeitet und umgesetzt. Gespräche und gegenseitige Informationsveranstal-tungen finden statt. Aufgrund der unterschiedlichen regionalen Einbettung hat sich bisher noch keine „Leitstelle“ zu Koordinierung und Abstimmung der unterschiedlichen Entwicklungsprozesse herauskristallisiert. Insbesondere bei den Aspekten der Modularisierung von Bildungsabschnitten und deren Zertifizierung sind jedoch verlässliche und rechtlich haltbare Absprachen mit Kammern, Verbänden und Trägern notwendig. Deswegen können unter Leitung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport die berufsbildenden Schulen eine Leitfunktion für den Gestaltungsprozess übernehmen. Die wesentlichen Schritte sind dabei:

 

-         Gestaltung des Übergangssystems Allgemeinbildende Schule in die Berufsbildung,

 

-         Festlegung der Förderung für den Jugendlichen unter Beteiligung sowohl des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg als auch des Jugendbereiches bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport und

 

-         Angebot zur Wahrnehmung der Schulpflicht in allen öffentlich geförderten berufsvorbereitenden Lehrgängen.

 

Schwerpunkte der Koordinierungsarbeit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport:

 

·         Erweiterung des berufsvorbereitenden modularen/dualen Lehrgangskonzepts

 

·         Neuordnung der Berufsorientierung zu einem System aufeinander aufbauender, individuelle Lernfortschritte sichtbar machender Lehrgänge mit einer klaren betriebsorientierten und modularen Verzahnung

 

·         Prüfung und Ausbau von Schnittstellen zu den Modellen der „Entwicklungsinitiative Neue Förderstruktur für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“

·         Prüfung der Optionen zur modularen Gestaltung von berufsfeldübergreifenden und -bezogenen Ausbildungsanteilen in der Berufsorientierung und –vorbereitung

 

·         Entwicklung von Struktur- und Qualitätskriterien für eine personenbezogene und berufsfeldorientierte Kompetenzdiagnostik im Beratungsprozess.

 

In der Praxis der beteiligten Organisationen sollen haltbare Förderstrukturen erarbeitet werden, die flexibler auf Übergangsoptionen und Förderausgangslagen der Jugendlichen reagieren können. Deutlich gesenkt werden sollen Abbrüche von Qualifikationswegen durch effizientere Beratung und Orientierung im allgemein bildenden Vorfeld. Durch ein implizites Controlling der Förderaufwände für das individuelle Erreichen der verschiedenen Qualifikationsstandards soll die nötige Verbleibzeit von Jugendlichen im System der Ausbildungsorientierung und -vorbereitung deutlich gesenkt werden.

 

In einem Schlussbericht zum 30. Juni 2003 werden statistische Angaben zu Teilnehmerzahlen, die Ermittlung der Kosten und Kostenträger, die Einschätzung des aktuellen und zukünftigen Bedarfs und ein Maßnahmeplan für die konzeptionelle Weiterentwicklung im Bereich der verschiedenen berufsvorbereitenden Maßnahmen vorgelegt.

 

 

Berlin, den 28. Januar 2003

 

 

 

Klaus Böger

Senator für Bildung, Jugend und Sport

 

 

 

Ausschuss-Kennung : ArbBFraugcxzqsq